SCHWERIN. Kritiker sprechen von einem «fatalen Zeichen», Befürworter unterstreichen das Recht auf freie Schulwahl. Mit der Entscheidung, ihr Kind fortan auf eine Privatschule zu schicken, hat Ministerpräsidentin Schwesig eine kontroverse Debatte ausgelöst.
Nach der Wahl einer Privatschule für ihren Sohn steht Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) weiter in der Kritik. «Die Schulwahl für sein Kind steht jedem frei. Doch in ihrem Amt muss Frau Schwesig klar sein, dass eine solche Entscheidung auch eine Signalwirkung hat, für Eltern und für Lehrer», sagte die Landesvorsitzende der Erziehungsgewerkschaft GEW, Annett Lindner, am Mittwoch in Schwerin.
Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sprach von einem «fatalen Zeichen». «Die Regierungschefin hat in die öffentlichen Schulen Mecklenburg-Vorpommerns offenbar wenig Vertrauen», sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Mittwoch), räumte aber ebenfalls ein, dass auch für Schwesig gelte, im Privatleben frei entscheiden zu können. Angesprochen auf die Debatte, sagte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz im ARD-«Morgenmagazin»: «Ich kenne den Vorgang nicht.»
Die Schweriner Regierungschefin betonte unterdessen, dass die Wahl einer Privatschule für ihr Kind nicht Ausdruck mangelnden Vertrauens in das staatliche Schulsystem sei. Das Bildungssystem in Mecklenburg-Vorpommern bestehe aus öffentlichen Schulen und Schulen freier Träger, die vom Land auch finanziell gefördert würden. «Beide Schularten bieten für die Schülerinnen und Schüler in unserem Land guten Unterricht», sagte Schwesig und äußerte sich damit erstmals persönlich.
Ihr Sohn sei in den ersten Jahren in Schwerin auf eine staatliche Grundschule gegangen. «Und wir waren sehr zufrieden», betonte die SPD-Politikerin. Es gehe um Vielfalt im Bildungsangebot, und die unterschiedlichen Angebote dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, mahnte Schwesig.
In Mecklenburg-Vorpommern schließt sich an die vierjährige Grundschule eine zweijährige Orientierungsstufe an einer weiterführenden Schule an. Danach entscheidet sich an den staatlichen Schulen der weitere Schulweg. Wegen der damit verbundenen häufigen Schulwechsel, die an privaten Einrichtungen entfallen, steht das System in der Kritik. Lindner beklagt zudem eine unzureichende Raum- und Personalausstattung an öffentlichen Schulen. Konzeptionelle Arbeit wie an Privatschulen sei somit kaum möglich, die Vorgaben der Inklusion könnten nur unzureichend umgesetzt werden.
Kürzerer Schulweg
Schwesig hatte die Entscheidung für die Schule, die von einer in Rostock lebenden Privatperson betrieben und von einem Schulverein unterstützt wird, mit dem kürzeren Schulweg für ihren Sohn begründet. Statt der etwa 20 Minuten zur nächstgelegenen staatlichen Schule dauert der Weg zur Privatschule kaum 5 Minuten. Das Schulgeld beträgt 200 Euro im Monat, kann nach Angaben des Schulgründers für sozial schlechter gestellte Kinder aber auf bis zu 50 Euro gesenkt werden. «Keinem Kind wird aus finanziellen Gründe der Zugang zu unserer Schule verwehrt, sagte er.
Zur Kritik der Lehrerverbände und der Linksopposition an der Schulwahl äußerte sich Schwesig nicht. Auch Linksfraktionschefin Simone Oldenburg hatte den Vorwurf erhoben, Schwesig drücke mit der Schulwahl mangelndes Vertrauen in das von ihr als Regierungschefin maßgeblich verantwortete staatliche System aus. Zudem werde damit deutlich, dass entgegen dem Versprechen der SPD das Einkommen der Eltern doch über die Bildungschancen und -wege der Kinder bestimmt.
Unterstützung erhielt Schwesig von der nicht im Landtag vertretenen FDP. Die Regierungschefin haben sich anhand der Qualität und persönlicher Bedürfnisse der Familie frei entschieden. Die «reflexartige Kritik» an der Ministerpräsidentin über diese Schulwahl sei vollkommen unangebracht, sagte der FDP-Politiker Hagen Reinhold, der für den Bundestag kandidiert. Kritik übte er daran, dass noch immer «unzählige Hürden» die Gleichberechtigung freier Schulen verhinderten.
Auch die Landesarbeitsgemeinschaft Freier Schulen verwies auf das im Grundgesetz verankerte Recht auf freie Schulwahl. «Vielmehr als die Frage der Schulträgerschaft sollten die Bedürfnisse eines Kindes im Vordergrund bei der Schulwahl stehen», schrieb der Verband in einer Erklärung. Die Schule sollte zu den Begabungen des Kindes und zu den erzieherischen Werthaltungen der Eltern passen. «Und dabei bleibt auch einer Ministerpräsidentin die Wahl», heißt es weiter. dpa