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Nach dem Brandbrief der Grundschulleiter nun der öffentliche Hilferuf einer Rektorin: So ist vernünftiger Unterricht nicht mehr möglich!

FRANKFURT/MAIN. Die Leiterin einer Grundschule in einem sozialen Brennpunkt in Frankfurt  hat gegenüber der „Welt“ zu Protokoll gegeben, wie sie die Zustände an ihrer Schule sieht – als Kampf des Kollegiums auf verlorenem Posten. Die drastische Schilderung, unter Nennung des Namens veröffentlicht, schließt nahtlos an einen Brandbrief von 67 Frankfurter Grundschulleitungen an, den sie im Anfang des Jahres an den hessischen Kultusminister schickten. Tenor: Es geht so nicht mehr!

Dutzende von Brandbriefen überlasteter Kollegien kursieren bundesweit. Foto: Annie Roi / flickr (CC BY 2.0)

„In unseren Klassen haben wir 90 bis 100 Prozent Kinder mit Migrationshintergrund. Das Deutsch dieser Kinder reicht meist kaum für ein vernünftiges Unterrichtsgespräch.“ Zu den Sprachschwierigkeiten kämen „schlimmste soziale Verhältnisse, Eltern mit psychischen Störungen, Alkoholiker, Leute die morgens einfach nicht aufstehen“. Menschen auch, die trotz Arbeit bitterarm seien, so heißt es in dem Bericht.

“Gigantisches Integrationsproblem”

Der Stadtteil sei von je her von Migration geprägt worden. Aber: „Meine Kollegen und ich beobachten allerdings, wie Lern- und Leistungsbereitschaft stetig abnehmen: Was ich vor 20 Jahren mit Zweitklässlern machen konnte, das schaffen heute die Viertklässler kaum.“ Ihrer Meinung nach habe diese Entwicklung mit einer Radikalisierung durch den Islam zu tun, mit einer Feindseligkeit gegenüber der westlichen Gesellschaft. Das Kollegium müsse  vollverschleierte Mütter daran hindern, auf dem Schulhof fremde Kinder belehren zu wollen. „Viele Kinder werden von zu Hause weder zum Lernen angehalten noch dazu, den Lehrer zu respektieren, der der Klasse etwas zu erklären versucht.“ Die Rektorin sieht ein „gigantisches Integrationsproblem, das viel zu lange ignoriert worden ist und gewaltigen Personal- und Mitteleinsatz erfordert, wenn es überwunden werden soll“.

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Offener Unterricht, Gruppenarbeit und individualisiertes Lernen sei unter solchen Bedingungen unmöglich. „Wir müssen hier ganz eng geführten Unterricht machen. Das ist wahnsinnig anstrengend, aber anders geht es nicht“, sagt die Schulleiterin. Andererseits dürften auch die Begabten nicht untergehen. Die Kommunalpolitik habe die Schule aufgegeben. „Das Gebäude ist schon seit Jahren immer noch nicht verwahrlost genug für eine Renovierung.“

Frankfurts Grundschulleitungen schreiben Brandbrief: Flüchtlingskinder, Inklusion, Erziehungsprobleme – aber kein Personal. Es geht nicht!

Bereits im Februar hatten zwei Drittel der Grundschulleitungen der Main-Metropole in einem gemeinsamen dreiseitigen Brief an Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) die Lage ähnlich drastisch geschildert: Bei 25 Kindern in einer Klasse seien mitunter 20 ohne ausreichende Deutschkenntnisse eingeschult worden. Die Familien der Kinder kämen aus verschiedenen Kulturkreisen, ihre Elternhäuser seien extrem heterogen. Viele würden elterliche Aufgaben wie die Erziehung zu Umgangsformen, die medizinische Versorgung und die Ernährung an die Schulen abtreten. Daraus erwachse für die Lehrer „eine kaum zu bewältigende Arbeitsbelastung sowohl in zeitlicher als auch in psychischer Dimension“, schrieben die Schulleiter.

Wann, wenn nicht jetzt? Gebt Lehrern endlich die Unterstützung, die sie brauchen!

Nun drohe alles noch schlimmer zu werden, weil es an Lehrern fehle. Und das ausgerechnet jetzt, da die Flüchtlingskinder in die Schulen integriert werden sollen und immer mehr Klassen inklusiv arbeiten, also auch Kinder mit Behinderungen dazugehören. „Guter Unterricht im herkömmlichen Sinn ist unter solchen Bedingungen nur noch unter erheblichen Abstrichen umzusetzen“, so fassen die Schulleitungen zusammen. Gerade Kinder, die es besonders bräuchten, könnten nicht in ausreichendem Maße gefördert werden.

An der Situation hat sich seitdem – folgt man der aktuellen Schilderung der Schulleiterin in der „Welt“ – nichts geändert. Und: Sie ist keineswegs nur auf Frankfurt beschränkt. Mittlerweile haben Dutzende Schulen, viele aus Hessen, aber auch aus anderen Bundesländern wie Hamburg, Niedersachsen oder Berlin ihren Unmut in Schreiben an ihre jeweilige Kultusministerien kundgetan. Eine beispiellose Welle. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

Hier geht es zum Bericht in der “Welt”.

 

Eine Grundschullehrerin verzweifelt an der Inklusion: “Wenn ich gewusst hätte, was auf mich zukommt, hätte ich einen anderen Beruf gewählt”

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