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Endlich! Rheinland-Pfalz bezahlt Vertretungslehrer bald auch während der Ferien – und setzt damit andere Bundesländer unter Druck

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MAINZ. Jahrelang haben Lehrergewerkschaften kritisiert, dass viele befristet beschäftigte Lehrkräfte während der Sommerferien kein Geld bekommen. Sogar die Bundeskanzlerin zeigte sich über die Praxis empört. Diese ist zumindest in einem Bundesland bald Vergangenheit: Rheinland-Pfalz gibt künftig rund 2,5 Millionen Euro dafür aus, dass alle Vertretungslehrer über die Sommerferien hinweg bezahlt werden. Damit steigt der Druck auf Bundesländer wie Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen.

Lehrkräfte, die keinen Vertrag über die Ferien bekommen, müssen sich für sechs Wochen arbeitslos melden. Foto: pixabay

Die neue Regelung in Rheinland-Pfalz soll ab 2019 gelten für alle Lehrer, deren Vertrag vor dem 1. März abgeschlossen wurde und die bis zum Ende des Schuljahres unterrichten, erklärte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) in Mainz. Rund 1000 Lehrer dürften davon profitieren. Nach ihren Angaben gab es im vergangenen Sommer rund 2600 Vertretungslehrer in Rheinland-Pfalz. Davon hätten etwa 1000 während der Sommerferien kein Geld bekommen. Die Hälfte sei nach den Ferien auf eine Planstelle gewechselt oder in den Vorbereitungsdienst gewechselt, den an das Studium anschließenden Ausbildungsteil. Die andere Hälfte der 1000 habe hierzulande keinen Anschlussvertrag gehabt. Der Schritt schaffe mehr Planungssicherheit für die Betroffenen und trage dazu bei, dass Rheinland-Pfalz als Land attraktiv für Lehrkräfte bleibe, betonte Hubig. Die Mehrausgaben müssten allerdings im Ministeriumshaushalt kompensiert werden.

„Neu abzuschließende Vertretungsverträge werden künftig bis zum Ende der Sommerferien befristet. Die Vertretungslehrkräfte werden erleichtert sein, denn sie haben nun eine finanzielle Absicherung über die Sommerferien hinweg und müssen sich nicht mehr arbeitslos melden“, erklärte Klaus-Peter Hammer, Vorsitzender der GEW Rheinland-Pfalz.

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Tatsächlich erhöht die Entscheidung den Druck auf andere Bundesländer, ebenso zu verfahren. Die GEW im benachbarten Baden-Württemberg forderte die grün-schwarze Landesregierung auf, sich ein Beispiel am rot-gelb-grün regierten Rheinland-Pfalz zu nehmen – und  ebenfalls seine „Saisonlehrer“ in den Ferien zu bezahlen. „Es ist kaum vorstellbar, dass das reiche Baden-Württemberg nicht dem Beispiel von Rheinland-Pfalz folgen kann. Die Steuereinnahmen sprudeln. Trotzdem zeigt sich die Landesregierung in Zeiten des Lehrermangels und des Unterrichtsausfalls als Arbeitgeber ohne Verantwortung“, erklärte die baden-württembergische GEW-Landeschefin Doro Moritz. Außer Baden-Württemberg setzen vor allem die Bundesländer Bayern und Niedersachsen befristet eingestellte Lehrkräfte während der Ferienzeiten auf die Straße.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte die Praxis. „Das ist absolut daneben, um es mal vorsichtig zu sagen“, sagte sie im vergangenen Jahr. „Wo soll da die Motivation herkommen?“

Baden-Bürttemberg ficht das nicht an. „Die befristet beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer für die Vertretungen sind für die Schulen der Rettungsanker. Sie halten unter oft schwierigen Bedingungen und schlechterer Bezahlung als ihre Kolleginnen und Kollegen den Unterrichtsbetrieb in Baden-Württemberg aufrecht. Die meisten werden nach den Ferien wieder am Lehrerpult gebraucht, trotzdem schickt sie die Landesregierung in die Arbeitslosigkeit“, erklärt Moritz. Weil ihre Verträge vor den Ferien auslaufen, müssen sich die betroffenen Lehrkräfte für sechs Wochen arbeitslos melden. Moritz betont: „Wir erwarten, dass diese Praxis gestoppt wird!“

Mit der neuen rheinland-pfälzischen Regelung würden Lehrkräfte aus angrenzenden Regionen abwandern. Dadurch werde sich der Lehrermangel in Baden-Württemberg voraussichtlich weiter verschärfen, so sagt Moritz voraus. Zum Ferienbeginn im Juli enden allein in Baden-Württemberg die Verträge von fast 4.000 befristet beschäftigten Pädagoginnen und Pädagogen – ein großer Teil hat laut GEW nicht einmal Anspruch auf Arbeitslosengeld.  Diese „Saisonlehrer“ arbeiten in der Vertretungsreserve sowie in den Vorbereitungsklassen und in Klassen des Vorqualifizierungsjahrs Arbeit und Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen, in denen vor allem geflüchtete Kinder und Jugendliche unterrichtet werden. Zusätzlich würden im Südwesten über 5.000 Referendarinnen und Referendare entlassen, obwohl die meisten ab September wieder in den Klassenzimmern stehen.

Wahlversprechen

Grüne und CDU hätten im baden-württembergischen Wahlkampf 2016 versprochen, diese Lehrkräfte wie in einigen anderen Bundesländern auch in den Sommerferien zu bezahlen. Tatsächlich sei die Praxis der Freisetzung während der Ferienzeiten in den vergangenen zehn Jahren in Baden-Württemberg sogar deutlich ausgeweitet worden – mit der zunehmenden Zahl befristet beschäftigter Lehrkräfte: Noch 2008 lag deren Zahl nach Gewerkschaftsangaben bei lediglich 1.216. „Offenbar hat in der Landesregierung niemand gemerkt, dass in den vergangenen Jahren tausende junge Lehrerinnen und Lehrer eingestellt wurden: Wir haben zu unserer Freude viele Schwangerschaften und dementsprechend steigt der Vertretungsbedarf. Der dringend notwendige Ausbau der ständigen Vertretungsreserve wurde 2013 von der ehemaligen Landesregierung gestoppt“, sagte Moritz.

Derzeit müssen etwa 6.500 der fast 120.000 Lehrkräfte dauerhaft vertreten werden. In der ständigen Lehrerreserve gibt es nur 1.666 Stellen. Zusätzlich wird es laut GEW angesichts des Lehrermangels in vielen Bereichen immer schwieriger, durch befristet Beschäftigte die Lücken zu stopfen. Immer wieder wechselten Lehrkräfte in benachbarte Bundesländer oder die Schweiz, weil sie dort bessere Arbeitsbedingungen vorfänden, so berichtet die Gewerkschaft. Agentur für Bildungsjournalismus

Aktueller Bericht: Bundesländer schicken alljährlich Tausende von Lehrkräften während der Ferien in die Arbeitslosigkeit – immer noch!

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