BERLIN. Die Begründung von Kultusministern, warum sie das Infektionsgeschehen als beherrschbar und den Schulstart nach den Ferien als erfolgreich ansehen, war bislang immer die gleiche: Infektionen, die bei Schülern oder Lehrern gefunden wurden, seien von diesen in die Schule hineingetragen worden – die Ansteckungen aber hätten andernorts stattgefunden. Jetzt gibt es allerdings den ersten Fall, bei dem sich Schüler nachweislich in einer Schule mit dem Coronavirus infiziert haben. Auch in anderen Bundesländern gibt es mittlerweile Fälle, in denen zumindest der Verdacht besteht.
«Fast zwei Wochen nach Schuljahresstart können wir erkennen, dass die Schulen selbst kein Hotspot sind», so erklärte Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres Ende August. Ähnlich äußerte sich der hessische Kultusminister Lorz wenige Tage später: Nach zwei Wochen Unterricht könne festgestellt werden, «dass sich Schulen bislang nicht als Hotspots erwiesen haben.» „Nach allem was wir wissen, sind unsere Schulen keine Corona-Hotspots“, sagte Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne noch heute. Dieser Informationsstand könnte sich allerdings ganz schnell ändern: In Niedersachsen und in anderen Bundesländern werden immer mehr Fälle bekannt, in denen sich die Infektionen häufen.
Erstmals “könnten” sich Schüler in der Schule angesteckt haben
Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) hatte gestern – halbherzig – den Corona-Ausbruch an der Schule in Hamburg-Winterhude bestätigt. „Erstmals ist hier davon auszugehen, dass sich ein Teil der hier bislang entdeckten 26 infizierten Schüler und drei infizierten Schulbeschäftigten abweichend von allen anderen Schulen auch innerhalb der Schule angesteckt haben könnten“, so erklärte er (News4teachers berichtete).
Und auch in anderen Bundesländern treten plötzlich Fälle auf, die den Verdacht aufdrängen, dass sich das Infektionsgeschehen innerhalb einer Schule abgespielt hat – bis zur Schließung jedenfalls. So etwa im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach. “Zwischenzeitlich wurden zwei weitere Schüler der IGS Stromberg positiv auf das Corona-Virus getestet. Beide besuchen ebenfalls die MSS 13 der Oberstufe und leben außerhalb des Landkreises. Wegen verhältnismäßig vielen Fällen an der IGS Stromberg (bisher sechs in der MSS 13 und einer in der Mittelstufe) wurde die Schule zunächst für heute und morgen geschlossen“, so teilt die Kreisverwaltung aktuell mit.
Gesundheitsämter suchen nach dem Ort der Virusübertragung – in der Schule?
„Der Unterricht entfällt an den beiden Tagen vollständig. Die Kreisverwaltung nutzt diese Zeit, gemeinsam mit der Schulleitung, aber auch mit den Schülerinnen und Schülern mögliche Kontaktketten nachzuvollziehen, um durch weitere Quarantänemaßnahmen Infektionsketten durchbrechen zu können.“ Wegen der Vielzahl möglicher Kontaktpersonen sei diese Arbeit sehr aufwändig und binde Zeit. Hintergrund: Für rheinland-pfälzische Schulen gilt zwar: „Von einer Durchmischung der Lerngruppensollte abgesehen werden.“ Ausnahmen sind aber erlaubt – etwa im Kurssystem einer Gesamtschule.
„Bei der Ermittlungsarbeit ist es auch ein Ziel, den Ort der Virusübertragung herauszufiltern – also ob innerhalb der Schule oder eher im privaten Umfeld. Sehr kurzfristig konnten bereits zahlreiche Lehrkräfte der Schule Abstriche durchführen, um sich auf das Coronavirus testen zu lassen. Auch erste Schüler der MSS 13 haben bereits Coronatests durchgeführt“, so teilt die Kreisverwaltung mit.
Ähnlich sieht es aktuell an einem Gymnasium im niedersächsischen Quakenbrück aus. Wenige Tage nach Beginn des neuen Schuljahres musste die Schule schon wieder komplett schließen, nachdem zunächst bei vier Schülern das Coronavirus nachgewiesen wurde. Mittlerweile kamen drei weitere Fälle hinzu. Alle Kontaktpersonen der Infizierten müssen in Quarantäne und werden getestet. Insgesamt sind elf Klassen beziehungsweise Kurse betroffen – fast die ganze Oberstufe, wie der NDR berichtet. Zudem gehören knapp 40 von insgesamt 70 Lehrkräften zu den Betroffenen.
Infektionswelle in einem Berliner Gymnasium – Zufall?
Vor zwei Wochen war ein Gymnasium in Berlin von einer Infektionswelle betroffen. Ein symptomloser Lehrer hatte sich präventiv testen lassen, wie es für Lehrer in Berlin möglich ist. Das überraschende Ergebnis: positiv. Die Schulleitung schickte die drei Lerngruppen, in denen der Pädagoge unterrichtete, umgehend nach Hause. Das Gesundheitsamt habe dann insgesamt rund 120 Personen getestet. Ergebnis: Bei zehn Schülerinnen und Schülern wurde ebenfalls eine Infektion festgestellt – im Kollegium nicht.
Das Gesundheitsamt hielt sich mit Schlussfolgerungen zurück. Ob sich die Schüler bei dem Lehrer angesteckt hätten – oder umgekehrt der Lehrer bei einem Schüler –, „das können wir so überhaupt nicht sagen“, sagte die zuständige Amtsärztin. Es sei zwar nicht auszuschließen. Genauso gut könne es sich aber um Zufallsfunde handeln. Mittlerweile ist die Schule wieder geöffnet. News4teachers
„Keine Versuchskaninchen“: Eltern nach Corona-Ausbruch in Schule alarmiert