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Kinder in Wohngruppen und Heimen besonders benachteiligt – Unterricht mit geringem Stellenwert

DORTMUND. Schulbildung genieße in Wohngruppen und Heimen nicht den höchsten Stellenwert und die Corona-Pandemie hat die Probleme der betroffenen Kinder und Jugendlichen besonders verschärft, stellt die Dortmunder Sozialwissenschaftlerin Nicole Knuth fest. Bei einer Anhörung im Bundestag forderte sie mehr Digitalisierung in den Heimen, mehr Beteiligung und mehr Bildungsgerechtigkeit.

Der Zugang zu Internet und digitalen Medien gilt als zentraler Faktor für die soziale und kulturelle Teilhabe junger Menschen. Nicht alle Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe seien allerdings dafür gerüstet, stellt die Sozialwissenschaftlerin Nicole Knuth, Professorin für soziale Arbeit an der FH Dortmund, fest. „Die Jugendlichen berichteten uns von strengen Regeln, die wenig individualisiert seien. Und in der Handyzeit breche dann auch noch das WLAN weg“, so Knuth, bei einer Abnhörung vor der Kinderkommission des Bundestags. Gerade mit den Pandemie-bedingten Kontaktbeschränkungen hätten Maßnahmen wie das Einsammeln von Handys in den Wohngruppen der Erziehungshilfe die Kommunikation der Jugendlichen mit Freunden und Familienangehörigen erschwert, betonte die Wissenschaftlerin. „Dieses darf im aktuellen Lockdown nicht wieder passieren.“

Heimkinder haben oft nur sehr beschränkten Zugang zu digitalen Medien, in Zeiten von Fernunterricht ein besonders großer Nachteil. Foto: Aimee Malone / U.S. Army Photo (p.d.)

Nicole Knuth hatte zuletzt ein halbes Jahr intensiv zur Heimerziehung geforscht und beim „Zukunftsforum Heimerziehung” der Internationalen Gesellschaft für Erzieherische Hilfen den Austausch mit Eltern, Fachkräften, Jugendlichen und ehemaligen Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern begleitet.

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„Neben notwendiger Digitalisierung zählen verbesserte Kontaktmöglichkeiten zu Familie und Freunden zu den zentralen Wünschen“, berichtet die Professorin für soziale Arbeit. In jeder Kita gebe es heute einen Elternbeirat, doch in Heimen sei das noch immer eine Besonderheit. Die Beteiligungsrechte von Kindern wie auch Eltern müssten durch den Gesetzgeber gestärkt werden. Inzwischen geplante Änderungen im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) seien richtig, aber noch nicht weitreichend genug, „gerade mit Blick auf die Einbeziehung von Eltern“, sagte sie der Kinderkommission.

Zudem fordert Knuth, das Recht auf Bildung der Jugendlichen in Heimen besser zu verankern. „Schulbildung steht in der Heimerziehung zumeist nicht an oberster Stelle“, fasst sie zusammen. Das hätte sich in der Corona-Krise während des ersten Lockdowns verstärkt gezeigt, als Anfang des Jahres alles auf Homeschooling umgestellt wurde. Viele Wohngruppen waren überfordert und wurden weder finanziell noch personell aufgestockt, um den Anforderungen des aktuellen Lockdowns gerecht zu werden. „Auch von den Jugendlichen selbst wird immer wieder der Wunsch nach mehr Nachhilfe oder Geld für Bildungsmaterialien vorgetragen“, berichtet Nicole Knuth aus den Werkstattgesprächen des Zukunftsforums.

Neben Gesetzen und finanziellen Mitteln braucht, es nach Ansicht Nicole Knuths auch neue Ansätze in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern ebenso wie von Sozialarbeitern. Digitalisierung erfordere moderne Medienpädagogik und um Eltern am Alltag der Kinder im Heim besser zu beteiligen, seien neue Konzepte nötig. Auch müsse Heimerziehung wieder regionaler werden. „Wir haben in den vergangenen Jahren eine zunehmende Spezialisierung der Wohngruppen auf Verhaltensmuster der Jugendlichen gesehen“, so Knuth. Dies führe zu teils sehr langen Anfahrtswegen und dadurch zu weniger Kontakt zur Familie. Diese Entwicklung müsse wieder umgekehrt werden, um moderne Heimerziehung zukunftsfähig zu machen.

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