VECHTA. Ehrenamtliches Engagement hat es schwer in Deutschland, und die Ergebnisse zweier aktuelle Studien sind nicht angetan, daran etwas zu ändern: Die Annahme, dass die Übernahme ehrenamtlichen Engagements zu einer Verbesserung des Wohlbefindens beiträgt, scheint falsch. Ein Ehrenamt zu übernehmen oder sein ehrenamtliches Engagement zu intensivieren, hat kaum Auswirkungen auf das Wohlbefinden.
Ob bei der freiwilligen Feuerwehr, der Tafel, der Obdachlosenhilfe oder in Bürgerinitiativen. Die Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu engagieren, sind vielfältig. Die ehrenamtliche Tätigkeit verleiht dem Leben Struktur und Sinn und macht den Engagierten somit zu einem glücklicheren und zufriedeneren Menschen. Das ist zumindest eine weitverbreitete Vorstellung, auch unter Wissenschaftlern. Insbesondere im Alter soll das ehrenamtliche Engagement außerdem das Fehlen einer Erwerbstätigkeit oder familiärer Aufgaben gut kompensieren können. Diese Annahme haben nun Matthias Lühr, Maria K. Pavlova und Maike Luhmann, Wissenschaftler der Universitäten Vechta und Bochum überprüft. Dass ehrenamtliches Engagement das Wohlbefinden spürbar fördert, konnten sie dabei allerdings nicht bestätigen.
Um das Wohlbefinden der ehrenamtlichen Tätigen zu ermitteln, analysierten die Forscherinnen und Forscher Datensätze aus zwei unterschiedlichen Langzeituntersuchungen. Insgesamt untersuchten sie Daten von über 36.000 Personen, die Angaben zur Häufigkeit politischer ehrenamtlicher Tätigkeit (z. B. in Parteien, Bürgerinitiativen) gemacht hatten, ebenso wie zu ehrenamtlicher Tätigkeit, die sich nicht dem politischen Bereich zuordnen lässt (z. B. in Kirchen).
Ihr Wohlbefinden wurde anhand verschiedener Indikatoren bestimmt, etwa ihrer Lebenszufriedenheit, dem emotionalen Wohlbefinden, geringer Einsamkeit und Kontrollüberzeugungen. Anhand der Indikatoren kontrollierten die Wissenschaftler anschließend, ob Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studien ein höheres Wohlbefinden in den Jahren berichteten, in welchen sie sich vergleichsweise mehr (oder überhaupt) ehrenamtlich engagierten – im Vergleich zu den Jahren mit geringerem oder keinem Engagement.
Das Ergebnis war ein eindeutiges „nein“, mit wenigen Ausnahmen. So fanden Lühr, Pavlova und Luhmann zwar, dass ältere Erwachsene sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien von einem nicht politischen Engagement scheinbar profitierten, da ihre Lebenszufriedenheit in den Jahren mit mehr Engagement erhöht war. Dieser Unterschied war aber geringfügig und erstreckte sich nicht auf andere Maße des Wohlbefindens. Andere Freizeitaktivitäten wie z. B. Geselligkeit mit Freunden und Bekannten zeigten teilweise wesentlich deutlichere Zusammenhänge mit dem Wohlbefinden, auch im Alter.
Es sei gut möglich, betonen die Forscher, dass Ehrenamt in bestimmten Kontexten – abhängig von Bedürfnissen der ehrenamtlich tätigen Person, dem Umfeld, in dem die Tätigkeit stattfindet, der Tätigkeit selbst und schließlich der Gesellschaft und Kultur – tatsächlich positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden zeige. Pauschal scheine das aber nicht zu gelten. Personen, die sich ehrenamtlich engagieren, sollten demnach nicht erwarten, dass die ehrenamtliche Tätigkeit sie glücklicher macht. Außerdem sollten die vermeintlichen Vorteile des Engagements für Engagierte nicht als zentrale Anreize bei der Rekrutierung Ehrenamtlicher dargestellt werden. Der eigentliche Sinn des Ehrenamtes sei jedoch nach wie vor gegeben: Ehrenamtliche Tätigkeiten sind freiwillige Beiträge zum Gemeinwohl und zu demokratischen Prozessen in der Gesellschaft und haben nur wenig mit Eigennutz zu tun. (zab, pm)
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