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Privatschulen vor einem Corona-Boom? Sie sind flexibel, digital gut aufgestellt – und attraktive Arbeitgeber (sagt der VDP)

BERLIN. Der Verband deutscher Privatschulverbände (VDP) vertritt gemeinsam mit seinen zehn Landesverbänden über 2.500 private Bildungseinrichtungen – vom Kindergarten über die Berufsschulen bis hin zu Weiterbildungsanbietern. Das große Portfolio bildet sich auch in den zahlreichen Fachgruppen des Verbandes ab. „Es ist eine sehr schöne und herausfordernde Arbeit, diese Vielfalt an Schulen in freier Trägerschaft im Verband zu haben und deren Interessen zu vertreten“, sagt Judith Aust. Wir sprachen mit der Geschäftsführerin des VDP Dachverbands über die aktuelle Situation der allgemeinbildenden Privatschulen, deren Herausforderungen und Besonderheiten.

Privatschulen es in der Vergangenheit sehr gut verstanden haben, sich als attraktive Arbeitgeber zu präsentieren: VDP-Geschäftsführerin Judith Aust. Foto: Anika Nowak (www.anikanowak.net)

News4teachers: Als Geschäftsführerin des VDP können Sie sicher am besten etwas über die Lage der Privatschulen im Moment sagen. Wie geht es den sogenannten freien Schulen nach zwei Jahren Pandemie?

Judith Aust: Man kann sagen, dass sich die Privatschulen konstanter Beliebtheit erfreuen. Im Schuljahr 2020/21 gab es laut Statistischem Bundesamt 5.855 Schulen in freier Trägerschaft in Deutschland, davon 3.711 allgemeinbildende Schulen. Das ist ein Anteil von 12 Prozent an allen allgemeinbildenden Schulen in Deutschland. Erstmals haben im letzten Jahr über eine Million Schülerinnen und Schüler an allgemein- und berufsbildenden Privatschulen gelernt, das ist ein Zuwachs von 0,8 Prozent. Damit besuchte also etwa jeder 11. der 10,7 Millionen Schülerinnen und Schüler hierzulande eine Privatschule.

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News4teachers: Gerade die privaten Grundschulen haben ja im letzten Jahr noch einmal etwas zugelegt mit 1,6 Prozent mehr Schüler*innen im Vergleich zum Vorjahr. Woran liegt das? Hatte die Pandemie etwas damit zu tun?

Judith Aust: Es gibt noch keine belastbaren Zahlen, die auf einen Einfluss der Pandemie auf den Zulauf an Privatschulen schließen lassen. Sie müssen bedenken, dass die Entscheidungen für eine Schule ja immer schon ein Jahr zuvor fallen. Die Eltern hatten ihre Kinder also bereits vor der Pandemie für das Schuljahr 2020/21 angemeldet.

Aus Gesprächen mit Eltern wissen wir aber, dass Entscheidungen für private Schulen, gerade im Falle der Grundschulen, wegen des pädagogischen Konzepts aber auch wegen der Ganztagsbetreuung und der breitgefächerten Angebote gefällt werden. Neben dem Schulprofil spielen aber auch die Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule, das Lehrerkollegium sowie das Schulklima eine Rolle.

News4teachers: Eine private Grundschule muss bei der Gründung ein besonderes pädagogisches Konzept vorlegen oder konfessionell sein, um als Ersatzschule genehmigt zu werden.

Judith Aust: Genau. Private Schulen gründen sich meistens, weil ein spezielles pädagogisches Konzept umgesetzt werden soll, weil sie zum Beispiel mehrsprachig sein wollen oder reformpädagogisch oder eine Förderschule. Und Eltern, die sich mit den individuellen Fähigkeiten und Neigungen ihres Kindes und mit diesen verschiedenen Konzepten auseinandersetzen, treffen dann natürlich häufig die ganz bewusste Entscheidung für ein bestimmtes Schulangebot.

News4teachers: Haben Sie denn Trends beobachten können, dass ein bestimmtes Konzept besonderen Anklang findet?

Judith Aust: Privatschulen sind oft Impulsgeber für das gesamte Schulsystem. Sie orientieren sich an den gesellschaftlichen Anforderungen und entwickeln ihre pädagogischen Konzepte ständig weiter. Vor allem im Bereich der digitalen Bildung und der Ganztagsbetreuung gelten Privatschulen als Vorreiter. Insofern sind das sicherlich entscheidende Kriterien bei der Wahl einer Schule. Digitalisierung und der Umgang mit digitalen Medien gehörten bei vielen freien Trägern schon vor der Pandemie zum Schulalltag. Ein Großteil unserer Bildungseinrichtungen konnte schnell auf digitalen Unterricht umstellen. Es ist gelungen, flexibel und sachgerecht zu reagieren Unterrichtsausfälle gab es deshalb nur wenig. Das Digitale wird auch nach der Pandemie eine größere Rolle spielen und private Schulen sind hier gut aufgestellt. Aber auch solche Kriterien wie die Ganztagsbetreuung, gute Lernförderangebote sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen Eltern, Lehrkräften und Schülern spielen eine entscheidende Rolle

News4teachers: Das hört sich nach einem guten Personalschlüssel an. Gibt es bei Ihnen in den Privatschulen denn keinen Lehrermangel wie im öffentlichen Schulsystem?

Judith Aust: Ich glaube, dass die Privatschulen es in der Vergangenheit sehr gut verstanden haben, sich als attraktive Arbeitgeber zu präsentieren. Das hat etwas mit Schulklima, kurzen Entscheidungswegen und auch den speziellen pädagogischen Konzepten zu tun.

Allerdings sehen wir mit Sorge, dass der Staat vereinzelt versucht, Lehrer und Lehrerinnen direkt von Privatschulen abzuwerben. Und das ist ein ungleicher Wettbewerb, den die Privatschulen auf Dauer nur verlieren können, da der Staat einzig und alleine für die Ausbildung der Lehrer verantwortlich ist. Das konnten wir in einem Gutachten noch einmal explizit aufzeigen. Der Staat besitzt das Ausbildungsmonopol und hat die Infrastrukturverantwortung für das gesamte Schulwesen. Unser Wunsch ist es zum Beispiel, Privatschulen flächendeckend in den Vorbereitungsdienst für Lehrerinnen und Lehrer miteinzubeziehen und dadurch Zugang zu den Bewerberpools für Lehrkräfte in den Ländern zu erhalten. Dafür setzen wir uns als VDP natürlich im engen Austausch auf Bundes- wie auf Landesebene mit den entsprechenden Entscheidungsträgern ein.

News4teachers: Nun ist ja eine der Kompetenzen von Privatschulen wahrscheinlich auch im sozialpädagogischen Bereich anzutreffen, wenn man beispielsweise bedenkt, dass freie Schulen oft auch solche Kinder und Jugendlichen auffangen, die im staatlichen Schulsystem nicht gut zurechtkommen. Einige Schulplätze werden ja zum Beispiel von Jugendämtern bezahlt. Das heißt, eigentlich nehmen Privatschulen dem Staat auch Arbeit ab, oder?

Judith Aust: Privatschulen haben an sich schon den Anspruch, für jedes Kind entsprechend seiner individuellen Fähigkeiten und Neigungen Angebote vorzuhalten. Das Schulsystem ist ja im Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes geregelt. Das heißt, es gibt kein staatliches Schulmonopol, sondern es ist ein System, das aus zwei Säulen besteht, den staatlichen Schulen und den Schulen in freier Trägerschaft. Beide sind gleichberechtigt gewünscht und gewollt.

News4teachers: In der breiten Öffentlichkeit werden Privatschulen dennoch häufig als elitär und vor allem kostspielig wahrgenommen.

Judith Aust: Für die sozialen Unterschiede in Deutschland können Privatschulen mit einem Anteil von 11 Prozent an der Gesamtschülerschaft nicht verantwortlich gemacht werden. Auch weil die pädagogischen Konzepte von Privatschulen sich an alle Schüler richten, egal welcher sozialen Herkunft. Aber der Besuch einer privaten Schule setzt natürlich voraus, dass sich Eltern mit dem pädagogischen Konzept, mit dem vorhandenen Schulangebot beschäftigen und eben eine Schulwahl treffen. Würde die staatliche Finanzhilfe ausreichend hoch sein, dann müssten Privatschulen auch kein Schulgeld erheben. Das ist aber notwendig, da die staatliche Finanzhilfe über alle Schulformen hinweg im Durchschnitt pro Schüler nur 70 Prozent der Ausgaben deckt, die die öffentliche Hand für einen Schüler an einer staatlichen Schule ausgibt. [Letzteres gilt für freie, staatlich anerkannte Ersatzschulen, nicht jedoch für Ergänzungsschulen, die sich zu 100 Prozent selbst finanzieren müssen. Anm. d. Redaktion.]

News4teachers: Für den Staat scheint das günstiger zu sein, als wenn er alle Schüler*innen selbst beschulen müsste. Die Eltern übernehmen quasi den Fehlbetrag. Für sie wird es dann aber doch teuer?

Judith Aust: Auch das ist im Grundgesetz geregelt. Eine Auswahl der Schüler nach den Besitzverhältnissen ihrer Eltern ist verboten. Das ist das sogenannte Sonderungsverbot. Im Herbst 2020 hat das Statistische Bundesamt zum ersten Mal die Höhe des Schulgeldes, die aus der Lohn- und Einkommensstatistik ermittelt wurde, veröffentlicht. Demnach beträgt das durchschnittliche Schulgeld 2.000 Euro im Jahr. Für 60 Prozent der Schüler allerdings weniger als 1.500 Euro im Jahr und für 24 Prozent sogar weniger als 500 Euro im Jahr.

News4teachers: Sie machen sich als Dachverband nicht nur für die Privatschulen sondern auch allgemein für bessere Bedingungen für Bildung stark – von der Anerkennung von digitalen Endgeräten und digitalen Zugängen als Anspruch im SGB II für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der schulischen Ausbildung sowie den Ausbau der schulischen Sozialarbeit bis hin zur Schuldgeldfreiheit in der Ausbildung für Gesundheitsfachkräfte oder einem DigitalPakt für die Weiterbildung. Ihre Forderungen sind in Ihrem Positionspapier vom letzten Jahr vor der Bundestagswahl nachzulesen. Wie geht es jetzt weiter?

Judith Aust: Wir haben vor der Bundestagswahl unsere vielfältigen Forderungen zu den auch von Ihnen genannten Themen in den Bundestagswahlkampf eingebracht. Unsere Aufgabe als Verband ist es, die gesellschaftspolitischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingung für das freie Bildungswesen zu stärken. Der nun vorliegende Koalitionsvertrag greift viele für den Verband relevante Themen in den Bereichen Allgemein- und Berufsbildung, aber auch Weiterbildung auf. Unsere Aufgabe ist es jetzt, unsere Forderungen entlang einzelner Themen einzubringen, Reformoptionen aufzuzeigen, und im engen und konstruktiven Dialog mit Politik und Verwaltung entlang von Gesetzesinitiativen die Rahmenbedingungen für Schulen in freier Trägerschaft zu verbessern. Sonja Mankowsky führte das Interview / Agentur für Bildungsjournalismus

Der Beitrag ist in ursprünglicher Version am 6. März 2022 erschienen.

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