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Nachfrage in Gemeinden nach in Deutschland ausgebildeten Imamen ist groß

OSNABRÜCK. Zwischen fünf und sechs Millionen Muslime leben in Deutschland. Ihre Geistlichen wurden bislang meist im Ausland ausgebildet. Nun haben die ersten Absolventen des Islamkollegs Deutschland ihre Abschlusszeugnisse erhalten.

In der Hälfte der Moscheen in Deutschland arbeiten Imame, die aus dem Ausland kommen – und aus dem Ausland bezahlt werden (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Es ist ein wichtiger Schritt zur Integration muslimischer Menschen in Deutschland: Die ersten 26 Absolventinnen und Absolventen des Islamkollegs Deutschland haben am Samstag in Osnabrück ihre Abschlusszertifikate bekommen. Im Sommer 2021 begannen die Frauen und Männer ihre Ausbildung in der vom Bundesinnenministerium geförderten und vom Land Niedersachsen kofinanzierten Einrichtung. «Wir sind das einzige verbandsübergreifende, multiethnische und unabhängige Imamausbildungsinstitut, das es in Deutschland gibt», sagt der wissenschaftliche Direktor Bülent Uçar.

Mehr als fünf Millionen Muslime leben in Deutschland. Eine große und wichtige Minderheit, deren religiöse Bedürfnisse in Deutschland bislang eher nur am Rande eine Rolle spielen. Die Zahl der Moscheegemeinden schätzen Experten auf rund 2500 – genau weiß das keiner. In der Hälfte der Moscheen arbeiten Imame, die aus dem Ausland kommen und aus dem Ausland bezahlt werden. Oder es sind relativ schlecht ausgebildete islamische Geistliche, denen die Gemeinden nur ein kleines Gehalt oder Honorar zahlen können. Angesichts der wichtigen Seelsorgearbeit in den Gemeinden schien das auch der Politik in Deutschland ein unhaltbarer Zustand. In einem ersten Schritt wurden deshalb vor mehr als zehn Jahren an vielen Universitäten Institute für Islamische Theologie gegründet.

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Aber allein das Angebot akademischer Ausbildungsstätten reicht nicht, damit sich die oft schon seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden Musliminnen und Muslime auch mit ihrer Religion heimisch und angenommen fühlen. Die Frage war auch, welche Berufsmöglichkeiten die Absolventen der Islamischen Theologie haben – notwendig war daher auch eine Art Pastoralseminar, wo die Theologen nach ihrer Ausbildung praktische Seelsorge ebenso lernen wie das Rezitieren aus dem Koran oder die Kunst des Predigens.

«Die Absolventen sollten nicht nur akademisch ausgebildet werden, sondern auch einen Zugang finden zu den Gemeinden», sagt Tarek Badawia, der an der Universität Erlangen-Nürnberg Islamisch-Religiöse Studien mit dem Schwerpunkt Religionspädagogik lehrt.

Das Islamkolleg habe seinen Sitz in Osnabrück, sei aber eine Einrichtung für ganz Deutschland, betont Uçar. Schon von Anfang an sei daher ein dezentraler und hybrider Unterricht Teil des Konzepts gewesen. Unterrichtsveranstaltungen finden abwechselnd in verschiedenen Städten statt – wer in der Nähe wohne, sei persönlich anwesend, die anderen schalteten sich dazu, sagt Uçar.

Neben der grundständigen Imam-Ausbildung werden auch Module angeboten, wo bereits im Beruf stehende Imame individuell ausgesuchte Weiterbildungsmodule belegen können. Damit solle das «geistliche Personal» gezielt nachqualifiziert werden, sagt Uçar – etwa bei Jugendarbeit oder Extremismusprävention.

Die Nachfrage nach Seelsorgerinnen und Seelsorgern in den Gemeinden sei sehr groß, sagt Badawia. «Die Imam-Tätigkeit ist fast ein 24-Stunden-Job – da tun sich viele Gemeinden schwer, den Imam, also die Hauptperson in der Gemeinde, längere Zeit für Fortbildungen freizustellen.» Das Interesse der Gemeinden am Islamkolleg sei aber da. «Sie sind wirklich dankbar dafür, dass so etwas stattfindet, sie fühlen sich anerkannt, auch wertgeschätzt dadurch, dass der Staat so ein Angebot fördert.»

Ein großes Problem hat die deutsche Politik in den vergangenen Jahren allerdings noch nicht gelöst, bemängeln Uçar und der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek. Wie sollen die akademisch ausgebildeten und hoch qualifizierten Geistlichen und Seelsorger bezahlt werden, wenn sie in den Gemeinden arbeiten?

«Wir vom Islamkolleg fordern einfach nur Gleichbehandlung ein, so wie man mit anderen Religionsgemeinschaften und deren Personal umgeht»

Dass etwa der türkische Staat Gemeinden in Deutschland finanziere, werde von manchen deutschen Politikern gerne kritisiert. Aber Vorschläge, wie die Finanzierung aus Deutschland heraus erfolgen könne, würden schon seit Jahren ignoriert, bemängeln beide. «Wir vom Islamkolleg fordern einfach nur Gleichbehandlung ein, so wie man mit anderen Religionsgemeinschaften und deren Personal umgeht», sagt Uçar.

Zum Beispiel bei den Gefängnisseelsorgern: Feste Stellen für sie gebe es in den meisten Bundesländern nicht, oft müssten die Seelsorger mit prekären Einstellungen auf Honorarbasis leben. «Wir erwarten von der Politik, dass sie muslimische Seelsorger gleichbehandelt wie katholische und evangelische Seelsorger», sagt Uçar.

Altbundespräsident Christian Wulff, der Kuratoriumsvorsitzender des Islamkollegs ist, spricht von «vielen kleinen Trippelschritten»: Es gehe voran – zwar langsam, aber es bewege sich etwas. Millionen von Muslime hätten auf diese Ausbildungsmöglichkeit gewartet, sie sei ein wichtiger Beitrag zur Integration. Er sei sicher, dass es bald auch Stellen für muslimische Militärgeistliche geben werde angesichts der rund 3000 muslimischen Soldatinnen und Soldaten. «Wir müssen dazu kommen, dass Muslime als Bereicherung in unserem Land wahrgenommen werden, nicht als Bedrohung.»

Auch viele Frauen haben sich zu Seelsorgerinnen ausbilden lassen, obwohl sie nach der derzeitigen vorherrschenden theologischen Lehre nicht Vorbeterinnen für Gemeinden aus Männern und Frauen sein können, erklärt Uçar. Dennoch spielten Frauen in den Gemeinden eine immens wichtige Rolle – im Bereich der Seelsorge, bei der Gemeindepädagogik, beim religiösen Unterricht der Kinder, aber auch im Bereich der Predigt für Frauengruppen. Von Elmar Stephan, dpa

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