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Alles übertrieben? Forscherin warnt (mit Blick auf Burg) vor Verharmlosung von Rechtsextremismus an Schulen

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COTTBUS. Seitdem der Fall der Oberschule im brandenburgischen Burg – wo rechtsextreme Übergriffe an der Tagesordnung waren – öffentlich gemacht wurde, wird bundesweit über den Umgang mit Rechtsextremismus an Schulen diskutiert. Eine Forscherin warnt vor einer Verharmlosung des Problems. Ein Bündnis bekommt die Angst der Opfer zu spüren.

Alles schön sauber hier!? Foto: Shutterstock

Die Rechtsextremismus-Forscherin Prof. Heike Radvan hat mit Blick auf Vorfälle wie die an einer Schule in Burg vor einer Verharmlosung der Taten gewarnt. Das verhindert ihrer Einschätzung nach eine angemessene Analyse.

«Frühzeitig setzte sich in der Region die Lesart durch, derzufolge die beiden Lehrkräfte das Problem Rechtsextremismus übertrieben dargestellt hätten und es sich um eine unzulässige Kritik an den Verantwortlichen in der Schule und im Gemeinwesen gehandelt hätte», sagt  die Forscherin an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU). In den Vordergrund sei eine Abwehrhaltung gerückt, einhergehend mit der Sorge um einen Imageverlust der Region im Spreewald und der Schule.

Vor einem Jahr hatten eine Lehrerin und ein Lehrer aus Burg im Spreewald in einem anonymen offenen Brief geschildert, dass sie täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert seien (News4teachers berichtete). Nach Anfeindungen aus der rechten Szene verließen sie die Schule. Die Schulämter in Brandenburg meldeten seit der Öffentlichmachung mehr solcher Fälle. Die meisten neuen Vorkommnisse gab es laut Bildungsministerium in Südbrandenburg.

Es gehe nicht um ein positives Image der Schule oder der Region, sondern darum, diejenigen Schülerinnen und Schüler zu stärken und zu schützen, die offensichtlich Angst hätten, in die Schule zu gehen, betont die BTU-Forscherin. Sie warnt vor einer Täter-Opfer-Umkehr.

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Das Bündnis «Schule für mehr Demokratie!» ist an Schulen in Brandenburg in Kontakt mit verschiedenen Schülerinnen und Schülern, um sie zu unterstützen. «Im Moment ist es so, dass wir versuchen, sie für das Bündnis zu gewinnen. Das gestaltet sich tatsächlich ziemlich schwierig, weil viele Angst haben – immer noch», beschreibt Melanie Sado vom Bündnis. Als Mutter dreier schwarzer Kinder und Ehefrau eines Kameruners habe auch ihre Familie häufig mit Rassismus zu tun. Eine Schulleitung, die klare Kante gegen Rechtsextremismus zeige, sei wichtig.

Das Bündnis fordert in diesem Zusammenhang eine verpflichtende Demokratiebildung im Lehramtsstudium. Menschenrechte seien politisch nicht verhandelbar. Wenn Lehrkräfte sich rechtsextrem äußerten, sollte das kontrolliert und geahndet werden, sagt Melanie Sado.

Den Diskurs um ein vermeintlich «gutes Image» bei rechtsextremen Vorfällen in den Vordergrund zu stellen, sei nicht neu, sagt BTU-Forscherin Radvan. «Wir beobachten dies seit vielen Jahren in vielen Regionen. Diese Auslagerung des Problems – schuld seien «die Anderen», «die Medien», diejenigen, die das Problem ansprechen – scheint reflexartig zu funktionieren.»

Der Forscherin zufolge braucht es eine deutliche Benennung und Analyse des Problems und eine pädagogische Auseinandersetzung damit. Autoritäre Aussagen und kurzfristige Angebote würden dabei nicht helfen. Eine langfristige Arbeit an den Schulen sei nötig.

Wie dick das zu bohrende Brett ist, machte unlängst der neue Schulleiter in Burg, Markus Mandel, deutlich (News4teachers berichtete). Er kämpft für ein besseres Demokratieverständnis und gegen rechtsextreme Ideologien unter Schülerinnen und Schülern, im Kollegium und unter Eltern. «Einige hatten gehofft, dass jetzt die große Wende kommt», sagt er – tatsächlich aber ist zum Beispiel die Ausländerfeindlichkeit tief verwurzelt. News4teachers / mit Material der dpa

Was passiert, wenn Demokratiebildung ausbleibt, zeigt sich jetzt in Ostdeutschland

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Besseranonym
12 Tage zuvor

Ja eigentlich, ja eigentlich
“ Doch nicht nur mit Gesetzen kann sich der Staat gegen Demokratiefeinde zur Wehr setzen. Wir alle können dafür sorgen, dass Demokratiefeinde unsere demokratischen Werte nicht außer Kraft setzen. Die Demokratie ist auf wehrhafte Bürgerinnen und Bürger angewiesen, die die Werte unseres Grundgesetzes achten und schützen.“ Tja, stell dir vor, es geht um Demokratie und keiner geht hin / kümmert sich um seine Zukunft.
Quelle 1

https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-lexikon/321402/wehrhafte-demokratie/

Quelle 2
“ Nicht nur wird das Parteienverbot mit Blick auf die AfD, die in einigen Landesverbänden nach Auskunft des Verfassungsschutzes als „gesichert rechtsextremistisch“ gilt, in der Öffentlichkeit parteiübergreifend gefordert, auch die Einschränkung der Grundrechte von einigen ihrer führenden Köpfe steht zur Diskussion.“

Irgendwie steht mir zu viel zur Diskussion – in dieser wehrhaften, abwehrbereiten Demokratie ( s. Quelle 1 ) [ Außerdem haun die immer vor Diskussion ab, gelt Frau Braand: Ich waarte auf Ihre Antwort ] –
bzw. ich verstehe nicht, dass 2 lesbar demokratisch handelnde Lehrer gehen müssen, weil scheinbar den anderen der Arsch auf Grundeis ging oder sie selbst im SchlumpfVerein sind.
Also dringt die Angst bereits in die Behörden vor?
Rosige Aussichten für Blaue ?

Quelle2
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/inguterverfassung-2024/545648/wehrhafte-demokratie/

Besseranonym
12 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Ja, viele denken vlt., sie wohnten ja nicht in Brandenburg ? 🙂
Für diese und andere Wegschauende gerne ein schöner Artikel mit einem wunderschönen Satz :

“ Es könnte eine Erzählung sein, die zeigt, dass wir viele sind. Dass wir als Zivilgesellschaft nicht pennen. Sondern, dass wir hellwach sind. Und dass wir uns unsere Demokratie nicht kaputt machen lassen. (Christine Dankbar) “
> gefunden in

https://www.fr.de/politik/news-correctiv-geheimtreffen-potsdam-afd-rechtsextreme-enthuellungen-92781867.html

Lena2016
12 Tage zuvor

Jeder Extremismus bedroht unsere freiheitlich demokratischen Grundordnung. Deshalb wäre mir wohler, wenn alle Formen an den Pranger gestellt und vor ihnen gewarnt würde. Ob Rechtsextremismus, Linksextremismus, Islamismus oder sonstiger -ismus: keiner ist harmlos und zu vernachlässigen.
Der Ausgewogenheit halber und unserer inneren Sicherheit zuliebe würde ich mir wünschen, dass zumindest die 3 größten und namentlich genannten Bedrohungen zur Sprache kämen und nicht nur der Rechtsextremismus. Durch die Fixierung nur auf ihn sehe ich die Bedrohung unserer Demokratie nur lückenhaft dargestellt und beschrieben. Beruhigend ist das nicht.

-mm-
11 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Ich denke, es geht jetzt nicht darum, beides gegeneinander abzuwiegen und eine Liste aufzustellen, wer von beiden gemeiner und gefährlicher für Deutschland ist. Vielmehr sollte es darum gehen, beides zu problematisieren und klarzustellen, dass es sich um gefährliche Organisationen handelt, die leider auch junge Menschen in ihren Bann ziehen können. Im Interesse aller sollte Aufklärung über alle radikalen Entwicklungen in Deutschland, die sich in ihren Grundstrukturen oftmals ähneln, erfolgen.
In einer zu ihrer Liste „ergänzenden“ Quelle, die ich zum Thema Extremismus gefunden habe, erläutert Navid Wali, wie er als gläubiger Muslim den wachsenden Islamismus in Deutschland wahrnimmt und es wird darin seine Anziehungskraft auf junge Leute, also auch auf Schüler an unseren Schulen, erklärt. Es scheint immer wieder nach dem selben Prinzip zu erfolgen, recht wie links, früher wie heute, muslimisch oder christlich motiviert: Ein gemeinsamer Feind, schwingende Fahnen, Aufmärsche, Symbole, Wir-Gefühl, heiße Hass-Reden. Heute nicht nur auf der Straße sondern auch in den sozialen Netzwerken.
Zum Beitrag: Islamismus: Hass im Netz und auf der Straße | frontal – YouTube
Ich bitte darum, diesen Beitrag als Ergänzung zur radikalen Vereinnahmung von Jugendlichen und nicht als Verharmlosung von Rechtsextremisten anzusehen. Eigentlich klar erkennbar, aber nur zur Sicherheit nochmals betont.

Lisa
10 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Oh bitte, „an Russland zu verkaufen“ das klingt nach “ fünfter Kolonne“ aus der Kriegspropaganda. Es ist nun mal so, dass ausländische Mächte und darunter durchaus unsere Freunde, ihre ganz eigenen Interessen verfolgen.

Lisa
9 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Nein, gegen Nachbarstaaten nicht mehr.

DerechteNorden
11 Tage zuvor
Antwortet  Lena2016

Warum denn, wenn es hier explizit um Rechtsextremismus geht?
Ich hoffe, Sie fordern ab jetzt jedes Mal, wenn es um Islamismus geht, dass wir doch bitte schön auch immer Rechtsextremismus mit besprechen!

-mm-
11 Tage zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Fände ich gut. Zumindest einen Querverweis auf rechtsextreme Bewegungen.

Mindful_Mess
11 Tage zuvor
Antwortet  Lena2016

Wir haben ein institutionelles Problem mit Rechtsextremismus (Polizei, Politik usw.).

Diesen Artikel mit „aber die Linken und die Islamisten“ zu relativieren wäre meiner Meinung nach eine typische Strategie der neuen Rechte, um ihre menschenverachtende und undemokratische Gesinnung zu rechtfertigen.

Rainer Zufall
11 Tage zuvor
Antwortet  Lena2016

Was, wenn von einer extremistischen Richtung die meisten Straftaten ausgehen, die meisten Anhänger*innen hat und bei der das größte Potential gesehen wird, unsere Gesellschaft zu zersetzen?
Schlimmer noch: diese Extremen versuchen, sich bspw. über soziale Medien zu verharmlosen…

DienstnachVorschrift
12 Tage zuvor

Man hat auch in bestimmten ostdeutschen Regionen einige Lehrkräfte, die die AFD wählen. 30%+ Zustimmung für die AFD ist da keine Seltenheit. Dann wird es auch einige Lehrkräfte, vielleicht 15%, in dieser Region geben, die rechtspopulistisch denken. Tendenziell eher mehr, da man ja fast jeden einstellt, der irgendwie als Lehrkraft in Frage kommt. Es ist doch klar, dass diejenigen den Rechtsextremismus eher wenig thematisieren. Wenn man jetzt sagt, dass wir keine AFD-Wähler als Lehrkräfte möchten, dann fällt definitiv deutlich mehr Unterricht aus. Zumal es auch rechtspopulistisch eingestellte Lehrkräfte gibt, die sagen: „Ich bin gegen Einwanderung, aber wenn die schon mal hier sind, dann müssen die Leute so beschult und integriert werden, dass sie in Zukunft einen Job bekommen.“ Diese Lehrkräfte sind im Unterricht durchaus engagiert und helfen tatsächlich den Migranten.

Rainer Zufall
11 Tage zuvor

Welche „rechtspopulistischen“ Lehrkäfte sollen das sein? Völlig uninformierte, die glauben, man könnte Migration und Flüchtlingsbewegungen ausknipsen?

Werden die ersten „enttäuschten“ Träumer*innen sein, die auf die hohlen Parolen der Rechtsextremen hereinfallen

Besseranonym
10 Tage zuvor

Wissen Sie, warum Ihre Kollegen AfD wählen ? Mich würden die Gründe interessieren.

Rainer Zufall
10 Tage zuvor
Antwortet  Besseranonym

Dito. Ich kann diese feine Grenze nicht erkennen (s.o.)
Wo und bei welchem AfD-Personal fühlen sich die AfD-Wähler*innen gut aufgehoben und von einer rechtsextremen Richtung distanziert? Ist das auf (welcher) Lokalebene?

DerechteNorden
10 Tage zuvor

Man hat auch in bestimmten ostdeutschen Regionen einige Lehrkräfte, die die AFD wählen. 30%+ Zustimmung für die AFD ist da keine Seltenheit.“
Wow, falls das so sein sollte! Haben Sie dazu irgendwelche Quellen?
Ich bin ja komplett west-sozialisiert und kann mir das für mein Bundesland kaum vorstellen.
Vielleicht ist die Tatsache, dass Höcke in Thüringen sein Glück versucht hat, ein Indikator dafür, dass an westdeutschen Schulen Lehrkräfte tendenziell nicht so denken? Der dürfte ordentlich Gegenwind gekriegt haben, wenn sich während seiner Dienstzeit in Hessen so geäußert haben sollte, wie er es jetzt tut.

DienstnachVorschrift
10 Tage zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Bei 30% AFD Zustimmung insgesamt meinte ich ca. 15% bezogen auf Lehrkräfte. Die Gründe warum Lehrkräfte AFD wählen, unterscheiden sich kaum von den Gründen anderer Menschen. Nur weil jemand Lehrkraft ist, denkt er doch nicht deshalb anders als andere Menschen. Gründe sind vor allem: Migration, Frust/Abrechnung mit den Altparteien, schlechte Arbeitsbedingungen durch Handeln der Landesregierungen etc. Lehrkräfte sind vermutlich nicht so empfänglich für rechtspopulistisches Denken, aber deshalb ist der Prozentsatz auch gefühlt geringer als in der gesamten Bevölkerung der Region. Aber natürlich ist die Quote in Regionen bei denen die AFD über 30% hat, auch unter Lehrern hoch. Wie sollte es denn anders sein, wenn es in den Regionen auch immer weniger voll ausgebildete Lehrkräfte gibt, sondern Quereinsteiger/Seiteneinsteiger. Die unterscheiden sich doch kaum von dem Querschnitt der Bevölkerung. Das soll nicht despektierlich klingen, sondern vollkommen wertfrei. Die Schule in Burg ist doch keine Ausnahme. Aber ich glaube man kann das auch vor allem beurteilen, wenn man an Schulen im ländlich geprägten Osten unterrichtet.

Mary-Ellen
10 Tage zuvor
Mika
9 Tage zuvor

Gestern wurde mitgeteilt, dass die Verfahren gegen die Schüler, die in Burg den Hitlergruß zeigten, eingestellt wurden. Zwei der Verfahren wurden wegen der Strafunmündigkeit aufgrund des Alters und die anderen mit folgender Begründung eingestellt: „Ihrer Tat habe „ein jugendtypisches, unreflektiertes und gruppendynamisches Verhalten zugrunde gelegen“, begründete die Staatsanwaltschaft Cottbus die Einstellung des Verfahrens.“
Die Begründung lässt mich ratlos zurück: Es ist jugendtypisch, verbotene rechte Symbolik zu verbreiten, und deshalb ist es für diejenigen straffrei? Also weiter so in den Schulen, denn das beschreibt ja alterstypisches Verhalten, welches straffrei ist?
Davon abgesehen, dass ich es nicht alterstypisch finde, mich wie ein Nazi zu begrüßen und deren Symbolik zu verbreiten: als Lehrer fühle ich mich jetzt von AG und Judikative verlassen. Mir ist vollkommen bewusst, was sich ab jetzt an den Schulen abspielen wird. Und zwar nicht nur im Osten: der Mist schwappt nach allen Seiten, wie die Umfragen zeigen.
Quelle: https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2024/04/burg-schule-rechtsextremismus-rassismus-lehrer-brandbrief-ein-ja.html

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