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Individuelle Förderung an Schulen im Brennpunkt: „Wir möchten alle Förderbedarfe in den Blick nehmen“

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DÜSSELDORF. An Schulen im Brennpunkt ist der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit amtlich festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf höher als an anderen Schulen. Das zeigt die Befragung „Schule im Brennpunkt 2023“ der Wübben Stiftung Bildung. Wie können diese Schulen den verschiedenen Förderbedarfen der Kinder gerecht werden? An der Berliner Brodowin-Schule sollen alle Schülerinnen und Schüler entsprechend ihren Bedürfnissen gefördert werden. Wie, erklärt Schulleiterin Doreen Eccarius im Interview auf SchuB – dem neuen Online-Magazin für Schulen im Brennpunkt.

In den Klassenzimmern an Schulen im Brennpunkt finden sich oft unterschiedliche Förderbedarfe. Foto: Wübben Stiftung Bildung/Peter Gwiazda

Frau Eccarius, was mögen Sie an Ihrem Beruf als Schulleiterin am liebsten?

Doreen Eccarius: Ich sehe die Chance, das Umfeld Schule zu verändern. Es lassen sich Strukturen anpassen und Netzwerke schaffen. Ich kann Organisationen oder Träger einbinden und so das Kollegium sowie die Schülerinnen und Schüler an den richtigen Stellen unterstützen. Kurz gesagt: Ich kann Ideen für Veränderungen in die Tat umsetzen.

Sie leiten seit August 2019 die Brodowin-Schule. Erzählen Sie uns ein bisschen über sie.

Eccarius: Mit knapp 700 Schülerinnen und Schülern sind wir eine relativ große Grundschule, die eigentlich nur für 650 Kinder ausgerichtet ist. Unser Kollegium besteht aus ungefähr 100 Personen. Die Schule befindet sich in einem besonderen Sozialraum: Zum einen stehen hier Einfamilienhäuser mit gutem Sozialindex, andererseits Hochhauskomplexe, in denen es einen anhaltenden Zuzug von Familien mit schwierigem sozialem Hintergrund gibt. In unmittelbarer Nachbarschaft der Schule befinden sich zudem zwei Unterkünfte für geflüchtete Menschen. Daher ist unsere Schülerschaft allein aufgrund des Einzugsbereichs sehr heterogen zusammengesetzt.

Welche Förderbedarfe entstehen dadurch?

Eccarius: Das Problem der Sprachbarriere ist ein großes Thema bei uns. Unsere Schule befindet sich in Lichtenberg, einem Berliner Bezirk, der seit Generationen geprägt ist von Einwandererfamilien. Es gibt eine große vietnamesische Community, Familien aus der Ukraine, Syrien, Iran oder Afghanistan. Für viele ist Deutsch also eine Fremdsprache, und die Kinder kommen mit wenigen bis keinen Kenntnissen zu uns. Daneben haben wir Kinder mit sozialen und geistigen Beeinträchtigungen. Das zeigt sich beim Lernen, im Sprachvermögen, aber auch in ihren körperlichen und motorischen Fähigkeiten. Auch haben wir immer mehr Kinder mit Autismus. Für viele meiner Kolleginnen und Kollegen ist das herausfordernd, denn die meisten haben dafür keine spezielle Ausbildung.

„Für viele ist Deutsch also eine Fremdsprache, und die Kinder kommen mit wenigen bis keinen Kenntnissen zu uns.“ Doreen Eccarius, Schulleiterin der Brodowin-Schule in Berlin

Wie gehen Sie das Thema Sprachförderung gezielt an?

Eccarius: Wir haben unsere Schule in Jahrgangsteams aufgeteilt, in denen sich Lehrerinnen und Lehrer montags zu bestimmten Problemen austauschen. Gemeinsam erarbeiten sie aktuell unter anderem Lösungen, wie wir die Sprachbildung bei neuen Schülerinnen und Schülern unterstützen können. Hier binden wir auch externe Unterstützer ein, die Deutschkurse parallel zum Unterricht anbieten. Wir arbeiten hier unter anderem mit dem Nachhilfeinstitut Intellego zusammen. Kinder mit einem Berlinpass können das Angebot „Deutsch als Zweitsprache“ parallel zum Deutschunterricht nutzen. Unser zweiter externer Partner ist der Bildungsträger wortlaut. Hier unterstützen Lehramtsstudierende Kinder mit Sprachbarrieren etwa während des Unterrichts in Form von Einzelförderung. Beides wird mithilfe von Fördermitteln finanziert. Die Idee der Jahrgangsteams bauen wir übrigens weiter aus: So wollen wir perspektivisch darin auch die Erzieherinnen und Erzieher einbinden.

Welche weiteren Fördermaßnahmen gibt es an Ihrer Schule?

Eccarius: Für traumatisierte Kinder bieten wir Kunsttherapien an. Hier kooperieren wir mit der Organisation IsraAid, die uns auch mit einer Therapeutin unterstützt. Zusammen mit unserer Traumapädagogin werden so Gruppen- oder Einzelangebote für Kinder parallel zum Unterricht realisiert. Zudem gibt es für bestimmte Schülerinnen und Schüler kleinere temporäre Lerngruppen. Auch die Eltern binden wir ein, etwa in Form unserer Familienklasse: Hier kommen Kinder mit ihren Eltern an einem Tag in der Woche zusammen. Es wird gemeinsam gelernt und an Zielen gearbeitet – auch mithilfe unserer Multifamilientherapeutinnen und-therapeuten, die über das Jugendamt finanziert werden. Die Kinder werden hier an einem Tag in der Woche gemeinsam mit ihren Eltern nach einem individuellen Stundenplan unterrichtet. Sie lernen also mit aktiver Unterstützung ihrer Eltern, wie sie die Anforderungen des schulischen Alltags und die Einhaltung von Regeln bewältigen können. Dieses Angebot ist auch dazu da, um Eltern zu zeigen: Nicht nur die Schule trägt Verantwortung, sondern auch die Eltern.

„Die Kinder werden hier an einem Tag in der Woche gemeinsam mit ihren Eltern nach einem individuellen Stundenplan unterrichtet.“ Doreen Eccarius, Schulleiterin der Brodowin-Schule in Berlin

Das vollständige Interview finden Sie auf SchuB.

Online-Magazin SchuB

Das Interview ist im Online-Magazin SchuB der Wübben Stiftung Bildung veröffentlicht worden. Ziel von SchuB ist es, den Schulen im Brennpunkt und den Menschen vor Ort – vor allem ihren Herausforderungen und Leistungen – mehr Sichtbarkeit und Wertschätzung zu geben. Zudem sollen Konzepte, die an Schulen bereits gut funktionieren, an andere weitergetragen werden, damit Schulen im Brennpunkt in ganz Deutschland Impulse für ihre Arbeit bekommen und gestärkt werden. Jede Woche erscheinen neue Beiträge auf der Seite. Mehr Infos gibt es auf www.schub-magazin.org

Dies ist eine Pressemitteilung der Wübben Stiftung Bildung. Interview: Julia Loibl

Wübben Bildungsstiftung startet neues Online-Magazin für Schulen im Brennpunkt

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Unfassbar
7 Tage zuvor

Die genannte Grundschule dürfte fünfzügig sein mit im Schnitt 28 Kindern pro Klasse. Wie da individuelle Förderung funktionieren kann, müsste man mir erklären. Bei 15 Kindern kriege ich das nur hin, wenn die von sich aus halbwegs selbstständig arbeiten können und wollen – und gerade hapert es in den Brennpunkten am meisten.

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