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Lieber YouTube als Klassenzimmer: Warum viele Jugendliche Influencer für die besseren Lehrkräfte halten

BERLIN. Erklärvideos statt Tafelbilder, Influencer statt Lehrer? Für viele Jugendliche ist das längst Realität: Zwei Drittel finden, dass YouTuber ihnen schulische Inhalte besser vermitteln können als ihre Lehrkräfte. Lernvideos sind aus dem Alltag von Schülerinnen und Schülern nicht mehr wegzudenken – nicht nur zur Prüfungsvorbereitung, sondern auch als kreative Inspirationsquelle. Das zeigt, einmal mehr, eine neue Umfrage. 

„Überall, jederzeit und beliebig oft.“ (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Ein Drittel hätte laut eigener Aussage die letzte Prüfung ohne Lernvideos nicht bestanden: Zwei von fünf Jugendlichen fragen bei schulischen Problemen zuerst auf Social Media-Plattformen wie Reddit oder Discord nach Hilfe. Und fast zwei Drittel (64 Prozent) finden, dass Influencer und YouTuber ihnen schulische Inhalte besser erklären können als ihre Lehrkräfte. Das sind alarmierende und zugleich aufschlussreiche Ergebnisse einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom unter 502 Schülerinnen und Schülern im Alter von 14 bis 19 Jahren.

Die Zahlen legen nahe: Die digitale Bildungsrealität der Jugendlichen entfernt sich immer weiter von den schulischen Strukturen. Was früher als bloße Freizeitbeschäftigung galt, ist für viele längst Teil der persönlichen Lernstrategie. Der Klassenraum steht heute in Konkurrenz mit TikTok, YouTube, Discord und Co. – ein Umstand, den Schulen nicht länger ignorieren sollten.

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„Schule muss näher an die digitale Lebenswelt rücken und sich digitale Lernmedien stärker zunutze machen“

Für Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst ist die Sache klar: „Wenn Schülerinnen und Schüler bei Verständnisfragen zuerst in Reddit oder Discord fragen, zeigt das: Schule muss näher an die digitale Lebenswelt rücken und sich digitale Lernmedien stärker zunutze machen.“ Die Rolle klassischer Lehrpersonen gerät damit ins Wanken – nicht, weil sie überflüssig wären, sondern weil sie die digitalen Formate und Lerngewohnheiten der Jugendlichen bislang zu wenig aufgreifen.

Die Bitkom-Studie zeigt nicht nur die Lerngewohnheiten, sondern auch die negativen Effekte digitaler Dauerverfügbarkeit: Über die Hälfte (56 Prozent) der Befragten beobachtet, dass Mitschülerinnen und Mitschüler während des Unterrichts heimlich soziale Netzwerke nutzen. Ein Drittel (31 Prozent) plädiert sogar für ein komplettes Social-Media-Verbot an Schulen. Es ist ein ambivalentes Bild: Digitale Medien sind Chance und Risiko zugleich – und die Verantwortung für einen reflektierten Umgang liegt auch bei den Schulen.

Dass sich diese Entwicklung nicht erst in den vergangenen Monaten vollzogen hat, sondern ein längerfristiger Trend ist, zeigt ein Blick zurück in die Studie „Jugend/YouTube/Kulturelle Bildung. Horizont 2019“, herausgegeben vom Rat für Kulturelle Bildung. Bereits vor sechs Jahren ergab die repräsentative Befragung von 818 Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren: YouTube war für 86 Prozent der Befragten ein zentrales Medium – auch zum Lernen.

„YouTube ist tatsächlich inzwischen ein weiteres, wichtiges Lern- und Bildungsmedium, das die Bildungslandschaft im Ganzen berührt und verändert“

Fast die Hälfte nutzte Erklärvideos gezielt zur Prüfungsvorbereitung, für Hausaufgaben oder auch im Bereich kultureller Bildung. Besonders auffällig war damals schon: Jugendliche wollten nicht nur konsumieren, sondern auch selbst gestalten. Mehr als die Hälfte wünschte sich Unterstützung beim Erstellen eigener Videos – zum Beispiel durch technische Einweisung in Filmschnitt oder Beleuchtung. Zugleich gab es ein starkes Bedürfnis nach kritischer Reflexion über die Plattform und deren Inhalte.

Prof. Eckart Liebau, damaliger Vorsitzender des Expertenrats, zog ein klares Fazit: „YouTube ist primär kein pädagogisches Medium, aber es ist tatsächlich inzwischen ein weiteres, wichtiges Lern- und Bildungsmedium, das die Bildungslandschaft im Ganzen berührt und verändert.“

Lernvideos sind nur ein Werkzeug!

Aus den Umfragen lassen sich mehrere Gründe ableiten, warum Schülerinnen und Schüler Lernvideos – insbesondere auf Plattformen wie YouTube – so gerne und häufig nutzen. Lernvideos bedienen zentrale Bedürfnisse junger Menschen nach Verständlichkeit, Flexibilität, Selbstbestimmung und Mediennähe. Sie sind nicht „besser“ als Unterricht, erfüllen aber Funktionen, die Schule aktuell oft nur eingeschränkt bieten kann – vor allem in Bezug auf individuelle Lernpfade und die Integration digitaler Medienformate, konkret:

Gerade deshalb sollten Schulen und Lehrkräfte diese Formate nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung verstehen – und Jugendliche dabei begleiten, sie kritisch, kreativ und zielgerichtet zu nutzen, meint Bitkom-Präsident Wintergerst. Zum beiderseitigen Vorteil: „YouTuber und Influencer erreichen Jugendliche mit Formaten, die vielen Schulen und ihren Lehrkräften fremd sind.“ News4teachers

Studie: Immer mehr Schüler holen sich ihr Wissen aus Youtube-Videos – die Qualität der Informationen wird kaum hinterfragt

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