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Hessen kontert Teubers Reformpläne: „Einheitliche Prüfungsformate unverzichtbar!“

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WIESBADEN. Der Plan von Rheinland-Pfalz’ Bildungsminister Sven Teuber (SPD), die Prüfungskultur an Schulen grundlegend zu verändern, sorgt im Nachbarland Hessen für deutliche Ablehnung. Während Teuber auf weniger Klausuren, alternative Prüfungsformate und eine KI-gestützte Auswertung von Schülerleistungen setzt, pocht das CDU-geführte Kultusministerium in Wiesbaden auf bewährte Formen – auch unangekündigte Tests sollen bleiben.

Weiche! Illustration: Shutterstock

„Gerade im Zeitalter von immer mehr KI-Anwendungen kommt authentischen Leistungsnachweisen eine wachsende Bedeutung zu – auch mit Blick auf die Studierfähigkeit und die Vorbereitung auf selbstständiges Arbeiten im späteren Bildungsweg“, erklärte ein Sprecher des Kultusministeriums in Wiesbaden auf Anfrage. Festgelegte Klausurtermine dienten den Schülerinnen und Schülern zur Orientierung und vermittelten ein Gefühl von Verlässlichkeit. „Auch das fördert die jeweiligen Bildungschancen.“

Unangekündigte Tests prüften nach Auffassung des Ministeriums nachhaltig erworbenes Wissen und verhinderten kurzfristiges Auswendiglernen. „Sie helfen ebenfalls, ein kontinuierliches Lernen zu fördern.“ Aus Hessens Sicht sind „einheitliche Prüfungsformate notwendig, um faire und vergleichbare Leistungsbewertungen zu ermöglichen“. Diese bereiteten zugleich auf zukünftige Anforderungen in Studium und Beruf vor, „wo ebenfalls Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt abgerufen werden muss“. Individuelle Lernwege seien zwar wichtig – bei der Bewertung müsse jedoch ein gemeinsamer Maßstab gelten.

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Teuber: Weniger Druck, mehr individuelle Entwicklung

Der rheinland-pfälzische Bildungsminister Sven Teuber hatte sich unlängst für eine veränderte Test- und Prüfungskultur ausgesprochen (News4teachers berichtete). Leistungskontrollen sollten sich stärker nach dem individuellen Tempo der Schüler richten: „Ich kann mir auch vorstellen, dass sich Kinder und Jugendliche erst dann zu einer Prüfung melden, wenn sie meinen, den Stoff verstanden zu haben.“ Von unangekündigten Abfragen halte er nichts.

Ziel sei es, den Fokus auf die individuelle Entwicklung zu legen – und diese datengestützt zu begleiten. Für die Grundschulklassen in Rheinland-Pfalz gebe es bereits Verfahren, mit denen erhoben werden könne, wo die Kompetenzen der Klasse und jedes einzelnen Schülers lägen und wie die Entwicklung sei. „Dies ermögliche auch Lehrkräften ein Feedback, worauf sie bei wem noch einmal genau achten sollten“, sagte Teuber. Eine KI könne diese Daten auswerten.

Kern seiner Idee: eine Schüler-ID, die eine kompetenzorientierte Darstellung der Entwicklung von Bildungsbiografien ermögliche. „Es ist eigentlich wie ein digitaler Schülerausweis mit Speicherplatz.“ Lehrkräfte, Eltern und Schüler könnten so gemeinsam nachvollziehen, wie sich ein Schüler entwickelt habe, wo er stagniere und wie Defizite ausgeglichen werden könnten. „Da habe ich doch einen viel größeren Mehrwert, als wenn ich sechs oder sieben Klausuren geschrieben habe, die alle von unterschiedlichen Lehrerinnen und Lehrern sind, aber nie nachhaltig werden.“

Alternative Prüfungsformate statt Klausuren-Flut

Teuber betont, dass es nicht um weniger Leistung, sondern um andere Prüfungsformen gehe. „Es müssen nicht alle zur selben Zeit dasselbe machen, sondern wir haben unterschiedliche Entwicklungsfelder für jeden Schüler und jede Schülerin.“ Dazu könnten auch Gespräche, Präsentationen oder kreative Beiträge anstelle von Klausuren gehören. „Das schafft Resilienz, das schafft Stärke und Lust darauf, Lernen als etwas Positives zu erzeugen.“

Auch an den Noten will Teuber festhalten: „Wir wollen alle Noten und wir wollen im Endeffekt gute Noten erreichen.“ Eine Note sei aber vor allem „eine Aussage über die Entwicklung von Kindern“. Wichtig sei, den Kindern diese Entwicklung auch zu ermöglichen. Das bedeute, dass Leistungsnachweise nicht für alle gleichzeitig erbracht werden müssten, sondern zu individuell passenden Zeitpunkten. Entscheidend sei dann das Feedback: „Warum ist das hier eine 1, eine 3 und warum ist das hier mangelhaft? Was musst du und was solltest du weiter lernen und kompetenzorientiert erarbeiten? Das ist das Entscheidende.“

Curricula müssten immer wieder überprüft und erneuert werden. „Die Schüler brauchen Zeit für Entwicklung, Zeit für Bildung“, so Teuber. Seine Überlegungen basierten auf einem gemeinsam mit Bertelsmann und anderen erarbeiteten Papier zu einer neuen Lern- und Prüfungskultur. Im September will er sich zudem in Kanada über datengestützte Schulentwicklung informieren.

GEW: Gute Ansätze, aber schwierige Umsetzung

Unterstützung bekommt Teuber von der Bildungsgewerkschaft GEW. „Es ist pädagogisch sinnvoll, die Zahl formaler Leistungstests in der Grundschule und in den Klassen der Sekundarstufe I deutlich zu reduzieren“, sagte die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Christiane Herz. Die Grundschulordnung ermögliche schon seit mehr als 20 Jahren, bis zur Hälfte der gruppenbezogenen Leistungsnachweise durch andere zu ersetzen – nur wenige Schulen nutzten diese Möglichkeit.

Herz sieht jedoch auch ein gravierendes Problem: „An unseren Schulen ist aktuell nur dann eine annähernd 100-prozentige Unterrichtsversorgung gegeben, wenn alle Kolleginnen und Kollegen sich im Haus befinden.“ Es gebe keine Vertretungsreserven für Krankheitsfälle und den Besuch von Fortbildungen. „So ergibt sich jeden Tag ein Vertretungsbedarf zwischen fünf und 20 Prozent, der nur kompensiert werden kann, wenn die an der Schule bestehenden pädagogischen Konzepte aufgelöst werden.“

Ihr Fazit: „Wenn flächendeckend eine veränderte Lernkultur erreicht werden soll, müssen die Bedingungen an den Schulen, aber auch schon an den Kitas grundlegend verbessert werden.“ News4teachers / mit Material der dpa

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