Website-Icon News4teachers

Die Sprache der Dinge: Wie Museen Kindern und Jugendlichen Weltwissen erschließen

DÜSSELDORF. Museen öffnen Räume, die Schule allein nicht erschließen kann. Sie ermöglichen Begegnungen mit Originalen, machen Geschichte, Kunst und Naturwissenschaften erfahrbar – und sprechen Kinder auf ganz eigene Weise an. Eine Studie zeigt: Schüler*innen erleben Museumsbesuche nicht nur als Abwechslung, sondern als echten Lerngewinn.

Eines der meistbesuchten Museen in Deutschland: das Museum für Naturkunde Berlin. Foto: Shuttertock

„Um den Leuten Sachen zu zeigen, die sie sonst einfach so nicht sehen können, sondern auch besondere Sachen, so wertvolle Sachen“, sagt die Viertklässlerin Marie in einem Interview. Damit beschreibt sie präzise, was Museen leisten: Sie öffnen Zugänge zu Wissen und Objekten, die im Alltag unzugänglich bleiben – und machen diese öffentlich zugänglich.

Die Aussage stammt aus einer Untersuchung der Erziehungswissenschaftlerin Swaantje Brill, die die Perspektiven von Kindern auf Museumsbesuche analysiert. Schon die ersten Ergebnisse zeigen: Kinder verstehen sehr wohl, welchen besonderen Stellenwert Museen für Bildung haben – und sie entwickeln dabei eigene Deutungen und Bewertungen.

Anzeige

Authentizität und Vielfalt als pädagogisches Kapital

Bildungspartner NRW, eine Kooperation des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen mit den Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe, betont: „Wie in keiner anderen Bildungsinstitution bietet sich hier die Möglichkeit, originalen Objekten der Kunst, Geschichte und Technik zu begegnen.“ Jedes Objekt sei ein Zeichen, „das erst noch erkannt und verstanden werden will“. Museen würden damit das leisten, was die Schule allein nicht könne: die „Dingsprache“ erschließen.

Gemeint ist damit, dass Dinge selbst eine Sprache haben – sie erzählen Geschichten über ihre Herkunft, ihre Funktion und ihre Zeit. Diese Sprache ist nicht unmittelbar verständlich, sondern muss durch Beobachtung, Kontextualisierung und Interpretation erst entziffert werden. Während die Schule vor allem den Umgang mit Texten und Symbolen vermittelt, ermöglichen Museen das Lesen und Verstehen dieser „Sprache der Dinge“.

Zentrale Vorteile für den Unterricht

Nach Einschätzung von Bildungspartner NRW liegt die Stärke von Museumsbesuchen nicht in einem einzelnen Aspekt, sondern in der Kombination vieler Lernformen. Vor allem das Lernen an Originalen sticht heraus: Kinder begegnen Objekten, die eine besondere Authentizität besitzen. Diese Erfahrung können Lehrkräfte im Klassenraum kaum nachstellen – die direkte Begegnung mit historischen Exponaten oder Kunstwerken erzeugt eine ganz andere Wirkung als Fotos im Lehrbuch.

Hinzu kommt das Lernen mit allen Sinnen. Museen schaffen Räume, in denen nicht nur geschaut, sondern auch gehört, gefühlt und in vielen Fällen sogar selbst ausprobiert werden darf. Ob es sich um das Nachbauen archäologischer Werkzeuge, um Laborexperimente im Technikmuseum oder um das Erleben von Musik in einem Klangraum handelt – die sinnliche Vielfalt eröffnet Zugänge, die kognitives Lernen vertiefen.

Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit zur eigenständigen Erarbeitung von Inhalten. Viele Museen arbeiten mit Arbeitsaufträgen, Audioguides oder interaktiven Stationen, die Schüler*innen dazu anregen, sich Wissen selbst anzueignen. Das unterstützt das entdeckende Lernen und macht die Lernenden zu aktiven Gestaltern ihres Bildungsprozesses.

Auch das handlungsorientierte Lernen spielt eine große Rolle. Es reicht vom künstlerischen Gestalten in Ateliers bis zu Experimenten, die Schüler*innen selbst durchführen können. Solche Tätigkeiten binden Lerninhalte nicht nur kognitiv, sondern auch motorisch und emotional ein – ein zentraler Faktor für nachhaltiges Verstehen.

Darüber hinaus fördern Museumsbesuche den Erwerb von Schlüsselkompetenzen. Teamarbeit, Kommunikation und Präsentationsfähigkeiten entstehen ganz selbstverständlich, wenn Gruppen gemeinsam Ausstellungsaufgaben lösen oder ihre Ergebnisse vorstellen. Damit passt das Museum auch in eine moderne Kompetenzorientierung, die über reines Faktenwissen hinausgeht.

Nicht zuletzt überzeugt die methodische Vielfalt. Führungen, Diskussionen, Rollenspiele, kreative Aufgaben oder digitale Medienangebote – kaum ein anderer Lernort eröffnet so viele didaktische Wege, um ein Thema zu vertiefen.

Besonders hervorgehoben wird das Prinzip „Lernen durch Lehren“. Dabei übernehmen die Schülerinnen selbst die Rolle von Vermittlern: Sie erarbeiten sich einen Teil der Ausstellung, bereiten diesen auf und führen anschließend ihre Mitschülerinnen hindurch. Bildungspartner NRW schreibt: „Die Ausstellung wird zur ‚vorbereiteten Umgebung‘ – mit einer Fülle von Informationen durch die Objekte selbst, die erläuternden Texte, Hörstationen und Touchscreens.“ So erschließen die Lernenden Inhalte selbstständig und geben ihr Wissen weiter. Das Konzept verbindet Eigenaktivität, Verantwortungsübernahme und Teamarbeit – und macht das Museum zu einem Ort, an dem Lernen lebendig und sozial eingebettet geschieht.

Wie Kinder Museen wahrnehmen

Die Studie von Brill zeigt, dass Kinder Museumsbesuche nicht einfach als „verlängerten Unterricht“ wahrnehmen, sondern eigene Perspektiven entwickeln. Wichtiges Ergebnis: Zwischen der Sicht der Erwachsenen und der Kinder gibt es oft Unterschiede. Während Lehrkräfte Museen vor allem mit curricularen Lernzielen verbinden, erleben Kinder sie als „anderen Ort“, der neue Erfahrungen und Deutungen ermöglicht.

So berichtet die Untersuchung von differierenden „Agenden“: Erwachsene orientieren sich an Themen, Zeitplänen und Lernzielen, Kinder dagegen an dem, was sie spontan interessiert oder emotional anspricht. Museen eröffnen damit Freiräume, in denen kindliche Eigenlogiken sichtbar werden – eine wichtige Erkenntnis für Lehrkräfte, die Museumsbesuche planen.

Ein weiteres Ergebnis betrifft die Authentizität der Objekte. Kinder erleben Museumsstücke nicht nur als Anschauungsmaterial, sondern als etwas Besonderes, das eine eigene „Aura“ hat. Genau diese Erfahrung prägt ihre Erinnerung und erhöht die Nachhaltigkeit des Lernens.

Schließlich zeigt die Studie, dass der pädagogische Rahmen entscheidend ist: Erst die Kombination aus Vor- und Nachbereitung im Unterricht und dem Erlebnis im Museum führt zu tieferem Verständnis. Ohne diesen Rahmen droht das Museumserlebnis oberflächlich zu bleiben – mit ihm hingegen wird es zu einer Lernerfahrung, die langfristig wirkt.

Praktische Angebote für Schulen

Viele Museen haben längst reagiert und spezielle Programme entwickelt:

Bildungspartner NRW resümiert: „Museen sind sekundäre Lerninstitute: Sie unterstützen, erleichtern und vertiefen die Arbeit der Schulen.“

Wie stark sich Kinder mit Museumsbesuchen auseinandersetzen, zeigt ein weiteres Beispiel aus der Studie von Brill: Eine Erstklässlerin brachte zu einem Museumsbesuch ein eigenes Notizbuch mit – und begann spontan, Zeichnungen anzufertigen. Eine ihrer Skizzen zeigte die Forscherin, die den Besuch begleitete, „in Portraitform mit Schmuckrahmen“. Damit machte das Kind die reale Person selbst zu einem musealen Objekt – eine kreative Aneignung der Praktiken, die es im Museum beobachtete.

Zum Abschluss versah das Mädchen ihre Zeichnungen mit Smileys, um auszudrücken, welche Exponate ihr besonders gefallen hatten. Die Forscherin deutet das als Hinweis darauf, dass Kinder schulische Routinen – etwa die Bewertungspraxis mit Smileys – in den Museumsraum übertragen. Das Beispiel zeigt, dass ein Museumsbesuch nicht nur zu unmittelbarer Auseinandersetzung führt, sondern Spuren hinterlässt: Kinder verbinden Gelerntes mit eigenen Praktiken und verarbeiten das Erlebte kreativ weiter. Genau darin liegt der nachhaltige Lerneffekt außerschulischer Lernorte. News4teachers 

Hier geht es zu allen weiteren Beiträgen des Themenmonats “Klassenfahrten und außerschulische Lernorte”. 

Die mobile Version verlassen