BERLIN. Ob bei der Rente, der Gesundheitsversorgung oder dem Wehrdienst: Immer deutlicher wächst unter jungen Menschen der Eindruck, dass die Älteren auf ihre Kosten Politik machen. Während die Babyboomer in Rente gehen, sollen die Jüngeren die steigenden Kosten tragen, sich auf Pflichten einstellen und Einschränkungen hinnehmen. Jetzt formiert sich Widerstand – quer durch alle politische Lager. Die Jusos fordern, Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen.
„Der Anspruch muss doch sein, dass wir später eine Rente haben, von der wir leben können. Ohne dass wir uns mit immer höheren Rentenbeiträgen zu Tode zahlen“, sagt Philipp Türmer, Bundesvorsitzender der Jusos. Für ihn steht fest: Die Rentenpolitik der vergangenen Jahrzehnte sei zu stark auf die Absicherung der heutigen Rentnergeneration zugeschnitten – und überfordere die Jüngeren.
„Ab 2029 steht uns eine schwierige Phase bevor: Dann gehen sehr viele Boomer in Rente, die selbst wenige Kinder bekommen haben. Deshalb gerät Anfang der 2030er-Jahre etwas aus der Balance. Bezieht man aber mehr Menschen in die gesetzliche Rente ein, zahlen auch mehr Menschen ein, und die Beiträge bleiben stabil“, erklärt Türmer im Spiegel-Interview.
Er fordert, dass künftig alle Berufsgruppen in die gesetzliche Rente einzahlen – auch Beamte, Selbstständige, Freiberufler und Abgeordnete. „Hohe Einkommen sollten dazu genutzt werden, kleine Renten aus kleinen Einkommen zu stabilisieren. Niemand sollte in Altersarmut leben müssen. Auch deshalb ist es so wichtig, Beamte und Abgeordnete in die Rentenversicherung einzubeziehen.“ Damit kritisiert Türmer eine Politik, die die jungen Generationen über steigende Beiträge belastet, ohne das System gerechter zu machen. Seine Forderung: mehr Solidarität, weniger Besitzstandswahrung.
Junge Unionsabgeordnete rebellieren – doch mit anderem Ziel
Auch in der Union regt sich Widerstand – aber mit anderer Stoßrichtung. Die sogenannte „Junge Gruppe“ der Unionsfraktion, 18 Abgeordnete unter 35 Jahren, will das geplante Rentenpaket der Koalition blockieren. Sie hält den Gesetzentwurf für „nicht zustimmungsfähig“ und warnt vor „dauerhaften Milliardenlasten auf den Schultern der jungen Generation“, wie der Spiegel berichtet.
Der Vorsitzende Pascal Reddig (CDU) sagte laut Bericht, das Gesetz sei „eine dauerhafte Milliardenlast auf den Schultern der jungen Generation, die nicht hinnehmbar“ sei. Auch Konrad Körner (CSU) kritisierte: „Einfach 115 Milliarden Euro Mehrausgaben durch die Hintertür sind da nicht akzeptabel.“
Während die jungen Unionspolitiker allerdings vor allem auf Ausgabendisziplin pochen, zielt Türmers Ansatz auf eine gerechtere Verteilung der Lasten – zwischen Arm und Reich, Angestellten und Beamten, Alt und Jung. Zwei politische Lager, ein gemeinsamer Befund: So wie bisher kann es nicht weitergehen.
Gesundheitswesen: Zwischen Kürzungen und Reformstau
Auch im Gesundheitsbereich zeigt sich, wie sehr junge Menschen sich von der Politik der Älteren abgehängt fühlen. „Die Pläne von Nina Warken sind ein großer Akt der Hilflosigkeit. Die Union ist bei Gesundheitsreformen einfach blank“, kritisiert Juso-Chef Türmer. „Nun dreht ihre Nachfolgerin von der CDU diese Reform zurück und will dafür Bürgerinnen und Bürgern die Leistungen kürzen? Das ist doch peinlich. So zerstören wir das Vertrauen der Menschen in die Politik.“
Die Jusos fordern stattdessen strukturelle Veränderungen: weniger Krankenkassen, mehr Effizienz – und eine Bürgerversicherung, in der auch Besserverdienende ihren Beitrag leisten. Die SPD-Jugendorganisation sieht darin nicht nur ein Gerechtigkeitsprojekt, sondern auch einen Beitrag zur Generationenfairness.
Wehrdienst: Junge Menschen fühlen sich übergangen
Noch deutlicher zeigt sich der Generationenkonflikt in der Wehrpflicht-Debatte. Während die Bundesregierung über ein neues Wehrdienstgesetz diskutiert, wächst der Unmut unter jungen Menschen – nicht nur wegen des Inhalts, sondern vor allem, weil sie sich übergangen fühlen. Eine neue, von Greenpeace beauftragte repräsentative Umfrage unter 16- bis 25-Jährigen zeigt:
- 57 Prozent lehnen die Rückkehr zur Wehrpflicht ab,
- 61 Prozent sehen darin einen erheblichen Eingriff in ihre persönlichen Grundrechte,
- 74 Prozent wünschen sich, aktiv in die politische Diskussion einbezogen zu werden.
Mehr als die Hälfte der Befragten fühlt sich durch die aktuelle Debatte persönlich bedroht. Nur 40 Prozent wären bereit, einen Wehrdienst zu leisten, eine Mehrheit von 54 Prozent würde den Dienst an der Waffe verweigern.
„Die Ergebnisse zeigen: Junge Menschen wollen mitreden, wenn es um ihre Zukunft und ihre Freiheitsrechte geht“, sagt Oliver Salge, Greenpeace-Experte für Frieden und Abrüstung. „Die Bundesregierung muss bei ihrer Diskussion über die Wehrpflicht die Rechte und Bedürfnisse junger Menschen ernst nehmen und einbeziehen.“ Er betont: „Statt Sicherheit bringt die Wehrpflicht Ungerechtigkeit und Zwang. Junge Menschen brauchen Perspektiven, keinen Pflichtdienst.“
„Meine Generation will planen können“
Die Unzufriedenheit junger Menschen mit der Wehrpflichtdebatte spiegelt sich auch in den Reaktionen ihrer Vertreterinnen und Vertreter wider. Manuel Stroh, Vorsitzender der Schüler Union, beschreibt im Spiegel, wie stark das Hin und Her in Berlin die Generation Z verunsichert: „Ich war enttäuscht. Zuvor gab es ja bereits die Nachricht, man habe sich auf das Losverfahren geeinigt. Das hätte meinem Standpunkt entsprochen. Dass es dann doch anders kam, hat in meiner Generation eine wahnsinnige Verunsicherung hervorgerufen. Junge Menschen wollen ihre Zukunft verlässlich planen können.“
Auch Stroh fordert, dass die junge Generation stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden wird: „In meiner Generation liegt viel Potenzial, insbesondere bei der Frage, wie man den Wehrdienst für junge Menschen attraktiver gestalten kann. Aber das wird nicht ausgeschöpft, der bisherige Prozess war ein großes Durcheinander. In der Wehrpflichtdebatte kommt die junge Perspektive nicht vor.“
Einen Vorschlag hat Stroh bereits: Wer Dienst leistet, sollte dafür ECTS-Punkte – also Leistungspunkte, die später im Studium angerechnet werden können – erhalten, die später im Studium angerechnet werden. So könnte der Dienst als sinnvoller Beitrag zur Gesellschaft erlebt werden, nicht als Zwang.
Sein Kernanliegen ist allerdings grundsätzlicher Natur: „Anstatt immer nur zu sagen, was die Politik von uns will, sollte sie auch fragen: Was können wir für euch tun?“ News4teachers