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Trotz Brandbrief des Kollegiums: Schulaufsicht sieht Schule nicht als “polizeilichen Schwerpunkt”

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MAINZ. Ein Brandbrief des Kollegiums einer Realschule in Ludwigshafen ist Anlass einer hitzigen Debatte über Gewalt an Schulen im Landtag von Rheinland-Pfalz. CDU-Fraktionschef Schnieder sieht ein System – und erntet Widerspruch.

Doch kein Feuer? (Symbolbild.) Foto: Shutterstock

In einer teils aufgebrachten Debatte hat der rheinland-pfälzische Landtag kontrovers über Gewalt an Schulen debattiert. Oppositionsführer Gordon Schnieder skizzierte am Beispiel einer Realschule in Ludwigshafen ein Bild von Beleidigungen, Bedrohung, sexualisierten Anfeindungen, Antisemitismus, Gewalt, Böllern und Messern.

«Wir reden über ein System, das Warnsignale über Jahre ignoriert hat», sagte der CDU-Fraktionschef im Landtag in Mainz. Es meldeten sich massenhaft Lehrer aus dem ganzen Land und berichteten von ähnlichen Fällen. «Die Schul-Titanic sinkt, das SPD-Orchester spielt munter weiter.»

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An der Realschule hatte es nach einem Messeralarm Ende Oktober einen Großeinsatz der Polizei gegeben. Über Stunden durchsuchten Einsatzkräfte die Schule, bis schließlich klar war: Auf eine tatsächliche Gefahrenlage oder verletzte Menschen lagen keine Hinweise vor. Kurz darauf wandten sich allerdings die Lehrerinnen und Lehrer der Schule in einem zehnseitigen Brandbrief an die Schulaufsichtsbehörde – ein Hilferuf, unterzeichnet von allen Mitgliedern des Kollegiums.

Der Brief listet eine erschütternde Vielzahl von Vorfällen auf: Lehrkräfte, die mit Büchern beworfen werden; sexualisierte Beschimpfungen; körperliche Übergriffe; Fake-Accounts von Lehrerinnen und Lehrern in sozialen Medien, über die gezielt beleidigt und diffamiert wird. Schüler zerstören Mobiliar, schlagen Löcher in Wände, zünden Böller in Klassenräumen. Im Mai war eine 16-Jährige mit einem Messer in der Hand ins Lehrerzimmer eingedrungen und hatte eine Lehrerin bedroht.

Teuber: Jeder Polizeieinsatz an einer Schule ist einer zu viel

Jeder Polizeieinsatz an einer Schule und jede Tat seien eine zu viel, betonte Bildungsminister Sven Teuber, der die Schule nach dem Brandbrief besucht hat. «Wir waren von Tag eins da.» Mit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) und Schulpsychologen. Der Staat habe eindeutig gezeigt, dass Opfer- vor Täterschutz gehe. «Angst schüren, führt zu noch mehr Gewalt», warnte der SPD-Politiker.

Redner der Regierungsfraktionen SPD und Grüne wiesen die von der CDU verbreiteten Zahl von 121 Anzeigen an der Realschule in Ludwigshafen und allein 18 Feueralarmen im vergangenen Jahr als falsch zurück und bezogen sich dabei auf Angaben der Polizei.

Laut ADD gab es nach Auskunft der Polizei im vergangenen Jahr zwölf Einsätze an der Schule. Aus polizeilicher Sicht werde «kein Schwerpunkt verortet». Es lägen insgesamt 18 Gefährdungsanzeigen von Lehrkräften der Realschule vor, darüber hinaus eine weitere Eingabe des Personalrats, teilte die ADD in Trier auf Anfrage mit. «Zur Einordnung: Die Schule hat laut aktuellster Statistik insgesamt 58 Lehrkräfte.»

SPD wirft CDU «Populismus» vor

Der SPD-Abgeordnete Florian Maier warf Schnieder Populismus vor. Der CDU-Parteichef, der nach der Landtagswahl im März Ministerpräsident werden wolle, solle sich entscheiden, «ob die CDU in Rheinland-Pfalz eine glaubwürdige Kraft der Mitte ist, oder den Weg des Populismus geht».

Die Realschule plus in Ludwigshafen sei nach Darstellung des zuständigen Polizeipräsidiums kein Hotspot, sagte auch Daniel Köbler von den Grünen. Aber der jüngste Vorfall sei dennoch «inakzeptabel». Ein Schlüssel für ein besseres Bildungsklima und weniger Gewalt seien eine aktive Sozial- und Jugendpolitik.

Der FDP-Abgeordnete Stefan Thoma warnte vor einer Vermischung der Debatten über den Bildungs- und den Erziehungsauftrag der Schulen. «Ein Kind ist kein kleinwüchsiger Erwachsener», sondern brauche Erziehung und Führung, sagte Thoma, der selbst elf Jahre lang als Realschullehrer tätig war. Migration spiele bei der Sprache eine Rolle, nicht aber bei Gewalt. «Antisoziales Verhalten» finde sich in deutschen Familien genauso wie in Migrations-Familien.

Der AfD-Abgeordnete und ehemalige Lehrer Joachim Paul, der in Ludwigshafen als Oberbürgermeister kandidieren wollte, aber wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue nicht zur Wahl zugelassen wurde – der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz wies eine Beschwerde Pauls dagegen zurück – forderte: «Der Aufenthalt in Deutschland ist auch an eine Integration in die Schullandschaft gebunden.» Wenn Migranten in Deutschland bleiben wollten, müssten sie sich an diese Forderung anpassen.

ADD: Migration nicht Ursache für die Probleme an der Schule

Ein Zusammenhang zwischen hohem Migrationsanteil und innerschulischen Problemen werde von den Beteiligten nicht hergestellt, teilte die ADD hingegen auf Anfrage mit. In allen Gesprächen sei seitens der Schulleitung explizit darauf hingewiesen worden, «dass dieses Thema keine Ursache für die Probleme an der Schule» sei.

Der Migrationshintergrund in der Schule habe nach der Definition der Kultusministerkonferenz im Schuljahr 2024/2025 bei 86,5 Prozent gelegen. «Der weit überwiegende Teil dieser Kinder hat die deutsche Staatsangehörigkeit.»

Nach dem Vorfall an der Realschule in Ludwigshafen seien in einem Gespräch mit dem Minister schulintern verschiedene Maßnahmen ergriffen worden, teilte die ADD weiter mit. So sei etwa das Konzept zum Verhalten bei Feueralarm umgestellt worden, zudem sei der Zugang zum Gebäude nur noch über den Haupteingang möglich. «Die Aufsichtsregelungen wurden optimiert, zum Beispiel wurde die Anzahl der aufsichtführenden Lehrkräfte verstärkt, insbesondere in den Pausen und am Haupteingang.»

CDU-Chef Schnieder forderte die Schulabteilung der ADD auf, «dringend etwas zu ändern». Die Aufsicht hat den Schulen zu dienen und nicht der Vertuschung von Problemen.» News4teachers / mit Material der dpa

„Ich schieße euch alle ab“ – Ganzes Kollegium schreibt Brandbrief: Realschule versinkt in Gewalt, Angst und Chaos

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