Der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh hat eine Kita-Pflicht für alle Kinder ab drei Jahren gefordert. «In einer vielfältigen Stadt wie Berlin ist es besonders wichtig, die Chancen aller Kinder zu fördern. Entwicklungs- und Aufstiegschancen hängen vor allem von frühkindlicher Bildung ab, wie viele Studien belegen», sagte Saleh. Zuvor hatte er sich ähnlich in der «Bild»-Zeitung (Mittwoch) geäußert. «Mindestens ab einem Alter von drei Jahren sollte es eine Verpflichtung geben», sagte Saleh der Zeitung.
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) begrüßte den klaren Vorstoß von Saleh. «Der Kita-Besuch leistet einen entscheidenden Beitrag zum Aufwachsen aller Kinder. Weghaltepämien wie das Betreuungsgeld müssen deshalb auch schnell wieder abgeschafft werden», sagte Scheeres.
Der Koalitionspartner CDU reagierte weit zurückhaltender. «Wir konzentrieren uns von der CDU darauf, den Rechtsanspruch für Unter-Dreijährige ab August umzusetzen», sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Heiko Melzer. «Das ist unser erster Weg und nicht irgendwelche Zwangsmaßnahmen.» Das Thema werde bisher sehr strittig in der SPD diskutiert. Offiziell sei es bisher auch nicht an die CDU herangetragen worden, sagte Melzer.
Die Grünen kritisierten Salehs Forderung als nicht realistisch und «schlichtweg nicht verfassungskonform: Die Kita-Pflicht ist ein Eingriff in die Erziehungsrechte der Eltern, die grundgesetzlich garantiert sind.» Die Grünen-Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz und Özcan Mutlu verwiesen auch auf die Bedenken des wissenschaftlichen Parlamentsdienstes des Abgeordnetenhauses. Dieser habe klar gestellt, «dass eine Kita-Pflicht nicht in Einklang zu bringen ist mit der Berliner Verfassung». Saleh solle lieber die Stärkung der Kindertagesstätten vorantreiben.
Saleh verwies auf die Ergebnisse vieler Studien. «Zu oft kommen Kinder mit mangelnden Sprachkenntnissen in die Schule. Das kann sich eine Stadt wie Berlin nicht leisten, Kinder zurückzulassen.» Berlin sei mit einer Quote von 94 Prozent aller Kinder zwischen 3 und 6 Jahren, die in eine Kita gehen, zwar schon Vorreiter. «Aber das kann noch besser werden.»
Der SPD-Fraktionsvorsitzende sieht in dieser Forderung keinen «Anschlag auf die Familie». «Mir sind die älteren rechtlichen Bedenken hinsichtlich einer Kita-Pflicht bekannt», sagte Saleh. Man müsse politisch abwägen: «Ein konservatives Familienbild steht der gesellschaftlichen Aufgabe der Integration und der Schaffung von gleichen Bildungschancen entgegen», sagte der 36-Jährige der Zeitung.
Scheeres räumte die kritische Haltung der Parlaments-Juristen ein. Diese hätten unter anderem auf eine hierfür notwendige Änderung des Grundgesetzes hingewiesen. «Daher wurde dieser Weg bislang auch nicht weiter verfolgt», erklärte die Senatorin. «Es ist aber richtig, dass wir die Diskussion darüber führen, wie wir möglichst alle Kinder rechtzeitig in die Kita bekommen», betonte Scheeres. dpa
