DÜSSELDORF. Geht es um die Versetzung oder die Abschlussnote kommt es immer häufiger zum Streit zwischen Eltern und Lehrern. Das berichtet die „Aachener Zeitung“ und beruft sich dabei auf drei Lehrerverbände. NRW-Philologenchef Peter Silbernagel sagte der Zeitung, dass er eine eindeutige Tendenz spüre, dass Eltern immer häufiger Widerspruch gegen Zeugnisnoten bei den Schulen einlegen würden.
Eltern erklärten dann schriftlich, dass die Notenvergabe aus verschiedenen Gründen nicht nachvollziehbar sei. Häufig ist dieser Brief schon durch einen Anwalt formuliert, schreibt die „Aachener Zeitung“. Die Schule müsse daraufhin den Widerspruch bewerten und mit dem betroffenen Lehrer sprechen. Je nach Ergebnis, kann die Note des Schülers anschließend verändert werden oder den Eltern werden die Beweggründe des Lehrers für die Notenvergabe erklärt. Oft könnten sie sie dann doch nachvollziehen und zögen ihre Beschwerde zurück. Einigt man sich aber nicht, und die Schule lehnt den Antrag der Eltern ab, kann es zu einer Klage kommen.
Lehrer bewerten auf drei unterschiedliche Arten
Um weniger Streit um Noten zu haben, gibt es Schulen, die ihre Bewertungsmaßstäbe von vornherein offenlegen. “Es gab immer wieder Schülerinnen und Schüler, die meinten, wir würfeln die Noten aus”, sagt Petra Linge-Stühn, Leiterin der Hauptschule Meinerzhagen. Auch unter Eltern, so hätten sie und ihr Kollegium festgestellt, sei die Verunsicherung rund um das Thema Zensuren groß gewesen. Um dem entgegenzuwirken, macht die Schule die Notenvergabe seit einiger Zeit transparent – mit einem Informationsschreiben für Eltern, in dem die Grundsätze der Leistungsbewertung dargestellt sind und in fachbezogenen Übersichten, die für Schüler die Kriterien konkret machen. Das hat sich bewährt, sagt die Leiterin: “Wir haben an unserer Schule nur wenige Auseinandersetzungen um Noten.” Sie sieht darüber hinaus die Motivation ihrer Schüler gestärkt. Denn: “Nur wenn ich mich selber beurteilen kann, weiß ich, wie ich mich noch verbessern muss.”
Die Praxis der Notenvergabe ist tatsächlich komplex. Lehrerinnen und Lehrer vergeben Noten hauptsächlich auf der Grundlage von drei unterschiedlichen Ansätzen, das hat der Frankfurter Professor Eckhard Klieme erforscht. Die Art und Weise der Notenvergabe hat er in seinem Projekt “Conditions and Consequences of Classroom Assessment” untersucht.
Erstens, sie nehmen eine “kriteriale Bewertung” vor – nach Standards, die unter anderem in Lehrplänen festgeschrieben sind.
Zweitens, sie bewerten relativ nach Sozialnormen, fragen sich also: Wie steht der Schüler in Bezug zur Gruppe, in der er sich befindet?
Drittens, der individuelle Bezugsrahmen wird in den Blick genommen, gefragt wird also: Wie hat sich der Schüler entwickelt?
Klieme empfiehlt die erste und die dritte Herangehensweise. Denn die Grundlage der Bewertung hat Auswirkungen auf die Lernfreude der Kinder und Jugendlichen. “Im Experiment stellte sich heraus, dass Schülerinnen und Schüler mit Methode eins und drei anschließend motivierter sind und besser lernen”, sagt er. Leider sei der zweite Ansatz, die “an der Sozialnorm orientierte Rückmeldung”, recht verbreitet. Die schafft aber Unzufriedenheit, denn eine solche Beurteilung “nach Normalverteilung” ist oft weder objektiv noch gerecht. nin