BASEL. Entgegen den Einschätzungen von Nachhilfeschülern wirkt sich Nachhilfeunterricht kaum positiv auf die Noten aus. Dies zeigt eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) geförderte repräsentative Studie unter 10.000 Jugendlichen in der deutschsprachigen Schweiz. Besonders den institutionellen Nachhilfeinstituten stellen die Wissenschaftler ein sehr schlechtes Zeugnis aus.
Die Mehrheit der Befragten gibt zwar an, ihre Leistungen hätten sich in den Nachhilfefächern verbessert. Der Noteneffekt erwies sich insbesondere in den Fächern Mathematik, Deutsch und Französisch tatsächlich jedoch als äußerst gering. Eine fächerübergreifende Wirkung des Nachhilfeunterrichts sei im Schnitt nicht festzustellen, hieß es. Bei privat organisierter Nachhilfe verbessere sich diese Methodenkompetenz, also die Fähigkeit, überlegt an Aufgaben heranzugehen und sie methodisch strukturiert zu lösen, ein wenig. Bei der institutionellen Nachhilfe allerdings verringert sich jedoch diese Kompetenz sogar. Im Klartext: Schüler, die Nachhilfeschulen besuchen, verlieren offenbar an Eigeninitiative.
Aufgrund dieser Ergebnisse regt der Leiter der Studie, Erziehungswissenschaftler Hans-Ulrich Grunder von der Universität Basel und der Pädagogischen Hochschule FHNW, an, den Status des Nachhilfeunterrichts zu überdenken. Er wäre nicht länger nötig, wenn Kinder und Jugendliche systematisch in Ganztagsschulen unterrichtet würden, wo sie die so genannten Hausaufgaben am Ende des Schultags erledigten. Dass überhaupt Nachhilfeunterricht erteilt werde, zeige, dass die Schule ihrem Auftrag, bei den Kindern Lernprozesse zu initiieren und sie zu begleiten, nicht vollumfänglich nachkomme.
Von den Befragten bekommen 17 Prozent Nachhilfe. Diese Zahl ist leicht niedriger als in anderen europäischen Staaten. Die Mädchen erhalten häufiger Nachhilfestunden als die Jungen (19 bzw. 16 Prozent, am ausgeprägtesten auf Primarschulstufe (21 bzw. 17 Prozent). Der Grund: Am meisten Nachhilfe wird in Mathematik (69 Prozent) gegeben. Hier sind drei Viertel der Betroffenen Mädchen. In den Sprachfächern erhalten die Jungen mehr Nachhilfe.
Kinder mit ökonomisch und sozial gut gestellten Eltern nehmen häufiger von Lerninstituten angebotene Nachhilfe in Anspruch. Demgegenüber bekommen Kinder, deren Familie einem tieferen sozioökonomischen Status angehört, häufiger von Privatpersonen Nachhilfe. Die institutionelle Nachhilfe kostet in der deutschsprachigen Schweiz durchschnittlich 48 Franken (38 Euro) pro Stunde, die private 25 Franken (20 Euro).
Das von den Befragten am häufigsten genannte Motiv für den Nachhilfebesuch ist eine erhoffte Verbesserung der Noten; es folgen ein erhöhtes Sicherheitsgefühl, die allgemeine Leistungsförderung und der elterliche Wunsch, Nachhilfe zu belegen. Während der Nachhilfestunden bereiten sich die Befragten am meisten auf Prüfungen vor und bearbeiten Hausaufgaben. Das Bedürfnis nach Lehrstoffwiederholung mit individuell angepasstem Arbeitstempo ist verbreitet.
Grunders Team hat die Erhebung bei über 10.000 Schülerinnen und Schülern der 5. bis 9. Klassen in der Deutschschweiz durchgeführt. Im Abstand von drei Monaten wurden die Noten und die Kompetenzen verglichen. nin
