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Mehr Studienanfänger als neue Azubis: Philologen warnen vor Akademikerschwemme

BERLIN. Vor dem Hintergrund der Meldung, dass in diesem Jahr zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik mehr Neueinschreibungen an Hochschulen (500.000) als neue Ausbildungsverträge (482.000) zu verzeichnen waren, hat der Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger,vor einer drohenden Fehlsteuerung des deutschen Bildungswesens gewarnt. Diese Fehlsteuerung werde dramatische Auswirkungen auf die künftigen Arbeitsmarktchancen von Jugendlichen und Hochschulabsolventen, die Qualität von Schulen und Hochschulen, die Zukunft der weltweit hochgelobten dualen Ausbildung und damit das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands generell haben, betonte der Verbandsvorsitzende in Berlin.

Immer mehr Studenten gibt es in Deutschland: Fassade der Berliner Humboldt-Universität. Foto: Rolf Handke / pixelio.de

In diesem Zusammenhang kritisierte Meidinger heftig die Kampagne der OECD für eine “100-Prozent-Akademiker-Gesellschaft”: „Die Behauptung von OECD-Bildungskoordinator Andreas Schleicher, ein akademisches Studium erbringe für den Betroffenen hohe Renditen, stimmt zum Teil schon heute im Bereich von Geistes-, Sozial-, Kultur- und Sprachwissenschaften, aber auch bei vielen Architekten und Juristen nicht mehr. In einer nominellen Vollakademikergesellschaft wird der Mehrwert sogar gegen Null tendieren.“

Der Verbandschef verwies darauf, dass nach aktuellen Studien bereits jetzt ein Drittel der Hochschulabsolventen in nichttechnischen und nicht wirtschaftsnahen Fächern keine dem erworbenen Abschluss entsprechend adäquat bezahlte Stelle auf dem Arbeitsmarkt finde. Während Bildungsökonomen den volkswirtschaftlichen Schaden durch fehlende Ingenieure auf Euro und Dollar ausgerechnet hätten, vermisse man eine entsprechende Berechnung für die jedes Jahr größer werdende Bedarfslücke im Bereich von Facharbeiterinnen und Facharbeitern.

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“Es geht keinesfalls darum, generell vor dem Erwerb von Hochschulzugangsberechtigungen und der Aufnahme eines Studiums zu warnen. Für viele berufliche Tätigkeiten bleibt ein wissenschaftliches Studium nach wie vor eine unbestrittene Notwendigkeit. Auf der anderen Seite wird aber auch immer deutlicher, dass die Akademisierung bisher nichtakademischer Berufsbilder nicht selten wegen des nun fehlenden Praxisbezugs zu Qualitätsverlusten führt oder bereits geführt hat. Leider steht bei immer mehr Hochschulzugangsberechtigten hinter der Berechtigung keine ausreichende Befähigung mehr, weil das Schielen der Bildungspolitik auf Quoten die Qualitätsentwicklung vernachlässigt hat”, sagte Meidinger.

Der Vorsitzende forderte eine Neubesinnung und eine offene und ehrliche gesellschaftliche Diskussion darüber, wie viele Hochschulabsolventen und Absolventen beruflicher Ausbildungsgänge unsere Gesellschaft in Zukunft braucht. News4teachers

Zum Bericht: Erstmals weniger neue Lehrverträge als Studienanfänger – „Deutschland ist kein Ausbildungsparadies“

 

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