SEIFHENNERSDORF. Seit Herbst 2012 organisieren Eltern in Seifhennersdorf den Oberschul-Unterricht für ihre Kinder ohne behördliche Genehmigung. Wenn am Montag das neue Schuljahr beginnt, bleibt die Schule wohl erstmals leer.
Die nicht genehmigte siebte Klasse in Seifhennersdorf (Landkreis Görlitz) soll nicht mehr in der Oberschule der Stadt unterrichtet werden. Der Stadtrat habe sich am Donnerstagabend dagegen ausgesprochen, dass dort zehn Kinder isoliert lernen, sagte Bürgermeisterin Karin Berndt (parteilos). Die Bürgermeisterin wollte die Öffnung eigentlich ermöglichen. Gemeinsam solle nun eine Lösung gesucht werden, wie es zum Schuljahresbeginn am Montag weitergeht.
Seit 2012 hatten Eltern den Unterricht selbst organisiert, um gegen die 2005 beschlossene Schließung der Schule zu protestieren. Bis zu den Sommerferien gab es an der Oberschule in Seifhennersdorf regulär nur noch eine neunte und eine zehnte Klasse. Mit Beginn des neuen Schuljahres wechseln die zwölf Schüler der künftigen zehnten Klasse nach Großschönau und Ebersbach-Neugersdorf.
Bürgermeisterin Berndt kämpft seit Jahren gegen die schleichende Schulschließung – bisher ohne Erfolg. Die Stadt an der deutsch-tschechischen Grenze klagte gegen den 2005 beschlossenen Schulnetzplan des Landkreises. Dieser berücksichtigte Seifhennersdorf mit einer Grundschule und einem Gymnasium, nicht aber mit einer Oberschule.
Die vom Kreis festgelegte Schulschließung betrachtet Seifhennersdorf als Eingriff in die per Verfassung garantierte kommunale Selbstverwaltung. «Intakte Schulstrukturen dürfen nicht aus Kostengründen plattgemacht werden», ist die Bürgermeisterin überzeugt. Die Klage der Stadt beschäftigte das Verwaltungsgericht in Dresden, das Ende Februar 2013 das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einschaltete. Es soll prüfen, ob Sachsens Schulgesetz mit der Verfassung vereinbar ist. Aus Karlsruhe heißt es, der Streitfall werde voraussichtlich noch im Laufe dieses Jahres entschieden – ohne einen genauen Termin zu nennen.
«Wir befinden uns in einer Zwickmühle», räumt Berndt ein. Die Oberschule will Seifhennersdorf keineswegs aufgeben, solange die sehnlich erwartete Gerichtsentscheidung aussteht. Allerdings sprach sich der Stadtrat am Donnerstag dagegen aus, dass in dem großen Haus zehn Kinder isoliert lernen. Die Bürgermeisterin wollte die Öffnung eigentlich ermöglichen. Schon zuvor hatten Stadträte infrage gestellt, ob die Kommune die Kosten für den Betrieb des Gebäudes tatsächlich weiter tragen soll, wenn darin nur noch eine Klasse lernt.
Wo und in welcher Form die Eltern ihren Protest fortsetzen, werden sie wohl erst am kommenden Wochenende endgültig entscheiden, glaubt die Bürgermeisterin. 2012 war für 23 Kinder der Unterricht mit pensionierten und freiberuflichen Lehrern organisiert worden. Damals gab es nur 38 Anmeldungen für die fünfte Klasse in Seifhennersdorf. Nach gesetzlichen Vorgaben mussten es mindestens 40 Schüler pro Klassenstufe sein. Am Ende des vergangenen Schuljahres lernten noch elf Kinder in der nicht genehmigten Klasse.
Bereits 2013 hatte das Amtsgericht Zittau Bußgeldverfahren gegen die Eltern eingestellt. Dennoch hinterlässt die ungeklärte Situation Spuren. Betroffene Eltern sind psychisch und physisch angeschlagen. Andrea Urban etwa fühlt sich ernüchtert. Zuletzt war sie stellvertretende Vorsitzende des Vereins, der zum Beginn des neuen Schuljahres eine freie Oberschule in Seifhennersdorf gründen wollte. Nachdem der Ablehnungsbescheid eintraf, erklärte die Freiberuflerin den Rücktritt von ihrem Posten, weil sie das Vereinsziel nicht erreicht sieht.
«Es geht kein Weg weiter», meint Urban. «Wir haben gesehen, dass es nicht funktionieren wird.» Ihren Sohn schickt sie ab Montag in eine staatliche Schule. Die Sächsische Bildungsagentur in Chemnitz appellierte erneut auch an die übrigen Eltern, ihre Kinder in die ihnen zugewiesenen Schulen zu bringen. «Die Gruppe will in jedem Fall zusammen bleiben», weiß Bürgermeisterin Berndt. (News4teachers, Anett Böttger, dpa)
zum Bericht: Seifhennersdorfer Schulrebellen wollen nach den Ferien weitermachen
zum Bericht: Frist versäumt – Wohl keine freie Schule in Seifhennersdorf