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„Eklatante Mängel“: Kollegium schreibt Brandbrief zur Inklusion ans Kultusministerium

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WIESBADEN. Dem Kollegium einer Gesamtschule im hessischen Kassel ist beim Thema Inklusion jetzt der Kragen geplatzt. In einem Brandbrief an das Kultusministerium in Wiesbaden listen die Lehrer auf, was Kollegen bei der gemeinsamen Beschulung von behinderten und nicht-behinderten Schülern sonst nur hinter vorgehaltener Hand kritisieren. Dies berichtet die „Hessische/Niedersächsische Allgemeine“.

Der Brief der Lehrer an das hessische Kultusministerium enthält Zündstoff. Foto: Wurfmaul / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Als erstes Ziel in Sachen Inklusion gilt für das hessische Kultusministerium nach eigener Darstellung: „Der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Anspruch auf sonderpädagogische Förderung an Grundschulen und weiterführenden Schulen wird erhöht. Im Gegenzug wird die Förderschulbesuchsquote in den nächsten Jahren abgesenkt.“ Wie das geschehen soll? Von „Modellregionen Inklusive Bildung“ ist die Rede, auch von einer Unterstützung der Schulen bei der „inklusiven Schulentwicklung“. „Förderschulen verlagern ihre Angebote schrittweise unter das Dach der allgemeinen Schule zur wohnortnahen inklusiven Beschulung“, heißt es.

Sonderpädagogische Kompetenzen würden schrittweise an die allgemeine Schule verlagert. Und weiter: „Inklusive Bildung ist fester Bestandteil der Aus-, Fort- und Weiterbildung für alle Lehrämter und pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Am Ende steht: „Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen erreichen den bestmöglichen Abschluss durch hochwertigen Unterricht in der inklusiven Beschulung.“ Ein realistisches Szenario – oder lediglich Wunschdenken?

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Von der aktuellen Wirklichkeit jedenfalls sind die Vorgaben aus Lehrersicht weit entfernt. „Die Art und Weise, wie Inklusion in hessischen Schulen umgesetzt werden soll, weist bereits in der Planung eklatante Mängel auf“, so heißt es in dem Brandbrief der Lehrer der im Ganztagsbetrieb arbeitenden Gesamtschule. In dem Schreiben an den hessischen Kultusminister Alexander Lorz (CDU) monieren die Pädagogen, dass die „Einführung inklusiver Beschulung in Hessen nicht gründlich vorbereitet“ worden sei. Zwar sei man auch der Auffassung, „dass eine inklusive Beschulung aller Schulpflichtigen erstrebenswert ist“. Es müsse aber klar sein, dass Inklusion scheitere und „zur Schädigung aller Beteiligten führt, wenn nicht erkennbar mehr finanzielle Mittel und damit einhergehende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden“. Schüler, die derzeit an Förderschulen unterrichtet werden, könnten in Regelschulen aufgenommen werden, wenn diese entsprechend Lehrkräfte zugewiesen bekommen, um dem erhöhten Förderbedarf auch gerecht zu werden. „Ohne Personal ist das nicht leistbar.“

Weiter heißt es: „Wir, die Lehrkräfte (…), fühlen uns mit den Aufgaben, die durch inklusive Beschulung auf uns zukommen, allein gelassen und wünschen uns konkrete Unterstützung durch die Landesregierung, etwa dadurch, dass uns Experten vor Ort zeigen, wie wir an unserer Schule inklusiv unterrichten können und dabei allen Schülern gerecht werden.“ Schon jetzt würden an der Schule viele Schüler mit Lernbehinderung unterrichtet. Ein großes Manko sei die Lehrerausbildung: Sie bereite „in keiner Weise auf die geplanten Änderungen im System“ vor. Dies betreffe die universitäre Ausbildung und das Weiterbildungsangebot für Lehrkräfte in Regelschulen. Im Brief heißt es: „Wir hoffen auf einen Austausch zwischen Schulpolitik und Praxis, um einen praktikablen Weg zur Umsetzung von Inklusion zu finden. Der jetzt eingeschlagene ist es jedenfalls nicht.“

Bei vielen Lehrern hätten sich Wut, Frust und Enttäuschung aufgestaut, sagte der Personalratsvorsitzende der Schule gegenüber der „Hessischen/Niedersächsischen Allgemeine“. Gibt es einen konkreten Anlass für das Schreiben? Durchaus, so meint er. Für das neue Schuljahr gebe es Anweisungen des Kultusministeriums darüber, was in Sachen Inklusion gemacht werden müsse – aber nicht wie. News4teachers

Zum Bericht: Inklusion findet an Regelschulen zunehmend in Sonderklassen statt – Kritik wird laut

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