STUTTGART. Die Zahl sonderpädagogischer Klassen an allgemeinbildenden Schulen ist rasant gewachsen, in Baden-Württemberg jedenfalls. Vom Schuljahr 2004/2005 bis 2013/2014 stieg sie dort von 191 auf 650, wie die «Schwäbische Zeitung» unter Berufung auf eine Antwort der Landesregierung auf eine CDU-Anfrage berichtete. Kritiker sehen allerdings in diesen sogenannten Außenklassen ein Unterlaufen der Inklusion.
Seit Anfang der 1990er Jahre gibt es in Baden-Württemberg Außenklassen, bei denen Gruppen von geistig behinderten Kindern teilweise zusammen mit nicht-behinderten Schülern einer Partnerklasse lernen. Der Bewerber um die CDU-Spitzenkandidatur in Baden-Württemberg, Landtagspräsident Guido Wolf, fordert aktuell eine Weiterentwicklung hin zu «Inklusionsklassen». Diese sollten zu «einem grundlegenden Bestandteil der Inklusion in Baden-Württemberg werden», sagte Wolf dem Blatt. Die hohe Akzeptanz durch Lehrkräfte und Eltern sowie die Übergangsmöglichkeiten zur Regelschule seien gut.
Allerdings: An dem Konstrukt gibt es massive Kritik von Inklusionsbefürwortern. „Die Behindertenrechtskonvention fordert die Entwicklung eines inklusiven Schulsystems, macht indes keinerlei Vorgaben über Art und Formen eines inklusiven Unterrichts“, schreibt etwa der Erziehungswissenschaftler Hans Wocken in der „Zeitschrift für Inklusion“. Die Unbestimmtheit des Konstrukts „inklusiver Unterricht“ erlaube eine flexible Gestaltung inklusiver Organisationsformen, bedeute aber keineswegs eine völlige Beliebigkeit. Wocken: „Einige Bundesländer haben Organisationsformen inklusiver Bildung entwickelt, die den Ansprüchen eines gemeinsamen Lernens nicht gerecht werden. Zu diesen problematischen Organisationsformen zählen etwa die sogenannten Außenklassen.“
Ein Gutachten habe dazu Folgendes festgestellt: „Eine … Möglichkeit des integrativen Unterrichts besteht in der Einrichtung von Außenklassen von Förder- bzw. Sonderschulen. Gemeinsamer Unterricht findet hier allenfalls in bestimmten Fächern statt. Daneben treffen Schüler mit und ohne Behinderungen nur in den Pausen oder bei außerunterrichtlichen Veranstaltungen aufeinander. Dies ist keine Inklusion im Sinne der Behindertenrechtskonvention“. Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte – Sitz der Monitoringstelle, die der UN zur Inklusion in Deutschland Bericht erstatten soll – fordere, dass Außenklassen auslaufen sollen und statistisch in die Exklusions-Quote einzubeziehen seien. News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zu dem Beitrag von Hans Wocken: Über die Entkernung der Behindertenrechtskonvention
