BERLIN. Für Berliner Schüler gibt es – bundesweit ein Novum – einen neuen Feiertag: den Welthumanistentag am 21. Juni. Kinder und Jugendliche können sich an diesem Tag vom Unterricht in den Schulen der Hauptstadt beurlauben lassen, um „über den Zusammenhalt und das Miteinander in unserer Gesellschaft nachzudenken und ihre Feierkultur zu pflegen“, wie Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) erklärte. Voraussetzung ist allerdings die Zugehörigkeit zu einer Weltanschauungsgemeinschaft wie dem Humanistischen Verband.
Die Senatsverwaltung für Bildung beschloss die Neuregelung. In den Vorschriften für die Schulbesuchspflicht sind neben dem Welthumanistentag nun auch Feiertage wie das orthodoxe Weihnachtsfest und der „Tag der Asure“ aufgeführt, ein muslimischer Feiertag.
Mehr als 55.000 Schüler in Berlin gehen zum Lebenskunde-Unterricht des Humanistischen Verbands, der in Berlin seit 30 Jahren an einigen Schulen als Gegenentwurf zum Religionsunterricht der Kirchen angeboten wird. Nur evangelische Religion ist unter den freiwilligen Religions- oder Weltanschauungs-Fächern noch beliebter. Die Teilnahme am Lebenskundeunterricht reicht allerdings nicht aus, um am 21. Juni unterrichtsfrei zu bekommen. Nur Schüler, die einer Weltanschauungsgemeinschaft angehören, die den Humanistentag als Feiertag für sich anerkennt, dürfen sich Hoffnungen machen. Der Tag wird dann nicht als Fehltag gewertet.
Der Welthumanistentag wurde erstmals am 21. Juni 1986 als World Humanist Day von der Internationale Humanistische und Ethische Union (IHEU) ausgerufen. Er solle dazu dienen, das Bewusstsein für die Bedeutung von humanistischen Ideen und Überzeugungen zu verbessern.
Vor zwei Jahren wurde um den Welthumanistentag vor Gericht gestritten. Eine Mutter habe vor dem Verwaltungsgericht Berlin für ihren 13-jährigen Sohn das Recht auf Gleichbehandlung mit christlichen Mitschülern einklagen wollen. Sie hatte ihren Sohn am 21. Juni vom Unterricht ferngehalten – dafür stand auf dem Zeugnis ein unentschuldigter Fehltag.
Die Mutter sah laut Bericht ihr Grundrecht auf Freiheit der Weltanschauung verletzt. Ihre humanistische Überzeugung werde als weniger wertvoll wahrgenommen als die der christlichen Mitschüler, habe sie damals erklärt – und gefordert, den Welthumanistentag in die Liste der unterrichtsfreien Tage in der Schulverwaltungsvorschrift aufzunehmen. Dem kam die Bildungsverwaltung jetzt nach. Allerdings ohne Not: Das Gericht hatte die Klage abgewiesen.
Der Berliner „Tagesspiegel“ kommentiert die Entscheidung von Bildungssenatorin Scheeres bissig: „Morgen kann die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters kommen und einen freien Tag verlangen, diese Glaubensgemeinschaft gibt es ja auch. Und was ist mit den Veganern, den Freimaurern oder den Fußballfans? Für manche ist Fußball fast eine Religion!“, so heißt es. Weiter: „In jeder zweiten Sonntagsrede wird bei uns der Wert von Bildung gepriesen. Aber Bildung entsteht nur, indem man arbeitet, sich anstrengt, zur Schule geht und auch mal auf etwas verzichtet, das man in diesem Moment lieber täte. Auf der einen Seite wird bei uns die staatliche Einheitsschule durchgesetzt, alle sind gleich und sollen gemeinsam unterrichtet werden. Auf der anderen Seite werden die Klassen, wenn der Humanistentag Schule macht, immer seltener als Gemeinschaft zusammenkommen.“ Ein Widerspruch, so meint das Blatt.
Im kommenden Jahr wird es allerdings noch nichts mit dem zusätzlichen freien Tag: Der 21. Juni fällt 2015 auf einen Sonntag. News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zum Kommentar im Tagespiegel.
