OLDENBURG. Ein Grundschul-Lehrer verliert offenbar im Umgang mit einem Schüler die Nerven – und geht das Kind etwas härter an. Eine Lappalie, scheinbar. Doch jetzt hat er den Vater des Jungen im Nacken, der eine Disziplinarstrafe verlangt. Offenbar kein Einzelfall: Von Seiten der Lehrerverbände ist immer öfter zu hören, dass Lehrer sich mit Klagen von Eltern herumschlagen müssen.
Nach Angaben des Leiters der Rechtsabteilung des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Hans-Peter Etter, hat sich die Anzahl an Rechtsfällen in den vergangenen 15 Jahren insgesamt vervierfacht. „Wir beschäftigen mittlerweile drei Volljuristen, um dem gestiegenen Aufkommen Herr zu werden.“ Besonders häufig wendeten sich Lehrer an Etter und seine Kollegen, die Schwierigkeiten mit Eltern haben. „Sie stoßen sich an Ordnungs- und Erziehungsmaßnahmen, Noten und Zeugnissen.“ Gründe für die Zunahme an Elternbeschwerden gebe es viele, so der Leiter der Rechtsabteilung: Grundsätzlich würden Menschen Dinge verstärkt rechtlich hinterfragen.
Wie offenbar jetzt auch in Oldenburg. Der Lehrer soll den Schüler, einen Viertklässler, am Kragen gepackt, ihn durchgeschüttelt und mit den Worten „Wie redest du mit mir. So redest du nicht mit mir. Verstanden!“ angeschrien haben. Vorausgegangen sei angeblich ein Missverständnis über das Pausenende. Offenbar hatte eine Schülergruppe das Klingelzeichen überhört, worauf sie der Aufsicht führende Lehrer hinwies. Als der Viertklässler daraufhin antwortete, dass es noch nicht geklingelt habe, sei der Lehrer handgreiflich geworden und verbal entgleist, so heißt es in einem Bericht der „Nordwest Zeitung“.
Stimmt die Schilderung, dann war das zweifellos kein souveräner Auftritt des Pädagogen. Allerdings: Er entschuldigte sich in aller Form bei dem Kind und seinen Eltern. Das hinderte Beteiligte allerdings nicht daran, der örtlichen Lokalzeitung ein „Dossier“ mit Aussagen von Mitschülern zuzuspielen, die das – ja weitgehend unbestrittene – Fehlverhalten des Lehrers dokumentieren sollen. Darüber hinaus wandte sich der Vater umgehend an die Schulleiterin und die Landesschulbehörde. „Ich verlange eine lückenlose Aufklärung“, forderte er der „Nordwest-Zeitung“ zufolge.
Das Lokalblatt kommentierte dann auch das Geschehen mit dem Satz: „Der Vorwurf (…) wiegt schwer.“ Tut er das? Die Schulleitung prüfte den Fall. „Den Vorwurf, dass es ein pädagogisch nicht einwandfreies Verhalten eines Kollegen gegeben haben soll, nehmen wir sehr ernst“, so hieß es. Gleichwohl kam die Schulleitung zu dem Schluss: Mit der Entschuldigung sei der Vorfall abgeschlossen. Durchaus nachvollziehbar.
Aber da hat die Schule die Rechnung ohne den Vater gemacht. Er schaltete die Schulaufsicht ein, sprach offenbar von Vertuschung. „Die Aufarbeitung des Vorfalls wurde seitens der Schulleiterin professionell und hinreichend vorgenommen, wie der involvierte Elternvertreter bestätigte“, antwortete die Behörde dem Mann. Eine „Nichtaufklärung oder Vertuschung“ sei nicht zu erkennen. Der Vorfall werde aber an die dienstrechtliche Abteilung zur Prüfung weitergeleitet. Bleibt es dort dabei, dass der Lehrer nicht belangt wird, ist der weitere Verlauf des Verfahrens abzusehen: Anzeige, Klage, Gerichtsverhandlung – Urteil. Und so oder so eine starke psychische Belastung des betroffenen Lehrers. „Durch eine Klage oder Beschwerde beim Vorgesetzten werden Lehrer absolut verunsichert“, berichtet Justiziar Etter. „Alles andere rückt in den Hintergrund. Das beeinflusst dann auch die Arbeit.“
Der Oldenburger Fall hat zu einer hitzigen Diskussion im Forum der “Nordwest Zeitung” geführt. “Das ist ein triftiger Grund, den Lehrerberuf gar nicht erst anzutreten: Eltern, die ihre Rechte genauestens kennen, ihre Pflichten hingegen nicht so genau und vom persönlichen Anteil an der Situation gar nichts verstehen”, so schreibt ein Leser. “Aus meiner Sicht leisten Lehrer heutzutage unglaublich viel Erziehungsarbeit – und gedankt wird es dann so.”
Ein anderer meint: “Ein Lehrer rastet sicherlich nicht einfach so aus, wobei ich das noch nicht einmal als Ausrasten sehen würde. Typisch ist aber, dass durch genau solches Verhalten der Eltern, die Schüler/Jugendlichen auch noch in ihrer zweifelsohne immer respektloseren Art bestätigt werden.”
Ein dritter meint: “Lehrern kann man keinen Vorwurf machen, wenn sie ab und an etwas schroffer reagieren (müssen). Die haben tagtäglich die misslungenen Erziehungsversuche der Eltern auszubaden.” News4teachers