SCHWÄBISCH GMÜND. Gegen die Tradition des geschlossenen Klassenzimmers: Bei einer Tagung fordert Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch Lehrer zu mehr Offenheit und Transparenz gegenüber Eltern auf. Lehrer müssen raus aus Einzelkämpferrolle.
Einzelkämpfer-Lehrer gegen überbehütende Eltern: Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hat die Lehrer aufgefordert, offener mit Eltern umzugehen. «Es gibt eine Tradition und Kultur, dass man die Klassenzimmertüren hinter sich schließt und dann allein für seine Schüler verantwortlich ist», sagte Stoch am Freitag auf einer Tagung an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd. «Oft haben wir das Problem, dass Lehrkräfte sich als Einzelkämpfer sehen.» Bei Lehrern bestehe mitunter eine Angst, sich von Eltern und anderen Pädagogen in die Karten schauen zu lassen. Offenheit und Transparenz gegenüber den Eltern seien aber wichtig für die Zusammenarbeit zum Wohl der Kinder.
«Wir müssen darauf achten, dass Eltern und Lehrer nicht in einer Art Konkurrenzverhältnis zueinanderstehen und sich misstrauisch beäugen.» Als Beispiel nannte Stoch die Inklusion und die damit verbundene Wahlfreiheit der Eltern. «Wir dürfen die Eltern da nicht alleine lassen mit ihren wichtigen Fragen. Im Kopf ist oft die Angst, etwas falsch zu machen», sagte Stoch.
«Die Lehrkräfte müssen vorangehen, müssen Angebote für offene Sprechstunden machen, nachhaken, wenn was auffällt», sagte Gernot Aich, Juniorprofessor für Pädagogische Psychologie in Schwäbisch Gmünd. Die Kommunikation mit Eltern sei keine Mehrbelastung, sondern eröffne den Lehrern eine Chance auf Entlastung im Schulalltag.
Besonders die sogenannten Helikopter-Eltern – Väter und Mütter, die wie Hubschrauber über ihren Kindern kreisen und über ihre Entwicklung wachen – machen Sprechstunden für manche Lehrer schnell zum Graus. «Es gibt Lehrkräfte, die tragen das gelassen, andere nervt es sehr früh», betonte Schulpädagoge Werner Sacher von der Universität Erlangen. Lehrer müssten deshalb gerade diese Eltern informieren und ihnen die Angst nehmen.
Der Begriff der Helikopter-Eltern schwirre derzeit überall herum, findet Aich: «Aber das ist mir lieber, als Eltern, die gar nicht in die Schule kommen.» Lehrer müssten in der Gesprächsführung mit Eltern besser geschult werden. «Dann kann ich damit umgehen und mich abgrenzen.» In Schwäbisch Gmünd würden beispielsweise Lehrkräfte als Multiplikatoren im Umgang mit Eltern geschult. «Und wenn die Eltern Vertrauen haben, sind sie auch nicht mehr helikopterisch.»
Grundsätzlich können sich die Forscher in Schwäbisch Gmünd dabei mit Lehrervertretern einig fühlen. Diese warnen allerdings davor, das Problem überzubewerten. So sagte etwa Philogenverbandschef Heinz-Peter Medinger im Interview mit der neuen Osnabrücker Zeitung “Das ist nicht das Problem Nummer 1 an unseren Schulen.” Helikoptereltern, wie Eltern, die sich überhaupt nicht um ihren Nachwuchs kümmerten verträten beide eine verkraftbare Minderheit von jeweils zehn bis 15 Prozent. Das Vertrauen der Lehrkräfte in die Mehrheit der Eltern sei stabil.
Auch der VBE Baden-Württemberg hatte angesichts der Diskussion um den Brandbriefs eines Stuttgarter Schulleiters zur Besonnenheit gemahnt, Mit gegenseitigen pauschalen Schuldzuweisungen gössen Pädagogen wie Eltern nur „Öl ins Feuer“, so VBE-Sprecher Michael Gomolzig. (News4teachers, mit dpa)
zum Bericht: Streit um Brandbrief gegen “Helikopter-Eltern” – VBE sieht “überforderte Lehrer”