STUTTGART. Die grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg will die Gleichstellung von sexuellen Minderheiten voranbringen und dazu am morgigen Dienstag im Kabinett einen Aktionsplan beschließen. Wie jetzt bekannt wurde, soll das Thema sexuelle Vielfalt danach künftig nicht nur verstärkt im Unterricht, sondern auch in den Schulbüchern seinen Niederschlag finden: „Wir wollen, dass das in den Schulbüchern altersgerecht und pädagogisch sinnvoll dargestellt wird“, sagte der Sprecher von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) den „Stuttgarter Nachrichten“. Die Ankündigung dürfte die Stimmung weiter anheizen: Für den kommenden Sonntag ist in Stuttgart die nächste „Demo für alle“ angekündigt, die sich gegen den neuen Bildungsplan – und mehr! – richtet.
Die Aufnahme des Themas in die Schulbücher ist Teil des grün-roten Aktionsplans, mit dem die Landesregierung die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber sexuellen Minderheiten wie Schwulen, Lesben und Transsexuellen auch an den Schulen erhöhen will. Im ersten Schritt stellt Grün-Rot für die Umsetzung des Gesamtkonzeptes eine Million Euro bereit. Die Landesregierung gehe davon aus, dass die Verlage das von sich aus machten, weil sie die gesellschaftliche Realität abbilden wollten. „Wenn das nicht so sein sollte, dann ist unsere Vorstellung, dass wir mit den Verlagen reden und sie noch einmal darauf hinweisen – vielleicht auch durch eine Handreichung“, so der Sprecher. Zwangsmaßnahmen seien nicht geplant.
Das Thema ist emotional aufgeheizt – in Stuttgart haben bereits mehrfach jeweils Hunderte von Menschen gegen die Aufwertung des Themas „sexuelle Vielfalt“ im Unterricht demonstriert. Konservative aus der CDU unterstützen die Bewegung ebenso wie evangelikale Christen. Auf der Homepage der „Demo für alle“ gibt etwa Karl-Christian Hausmann von den Stuttgarter Christdemokraten zu Protokoll: „Die Maßnahmen zum Aktionsplan sind ein ‚Frontalangriff‘ auf das Leitbild der Familie. Deswegen ist Widerstand Pflicht.“
Die Landesregierung hingegen bestreitet, mit der geplanten Neufassung der Bildungspläne eine „totale ideologische Beeinflussung unserer Kinder und unserer Gesellschaft“, wie es in einem Aufruf zur Demonstration am Samstag heißt, zu betreiben. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hatte jüngst erneut Vorwürfe zurückgewiesen, der Bildungsplan stelle das klassische Familienmodell infrage und sorge für eine „Frühsexualisierung“ der Kinder. Der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sagte Stoch, dies seien Verleumdungen. Ziel des Bildungsplans sei, „Toleranz und Akzeptanz für sexuelle Vielfalt“ zu schaffen.
Allerdings sieht auch der VBE das Engagement der Landesregierung in dieser Frage kritisch. „Dass es Frauen gibt, die Frauen lieben, und dass es Männer gibt, die Männer lieben, ist in der Gesellschaft doch schon lange kein Problem mehr“, sagte unlängst der baden-württembergische VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand. „Das bekommen auch Kinder mit, selbst wenn sie in der Schule nicht mit der Nase darauf gestoßen werden; genauso, wie man sie nicht auf heterosexuelle Liebe stoßen muss.“ Der VBE habe kein Problem damit, wenn dies im Bildungsplan in den entsprechenden Klassenstufen thematisiert werde – ganz ohne manipulative Einflussnahme. Ob aber das komplette LSBTTIQ-Programm in den Schulen abgespult werden müsse, sei fraglich und aus Sicht des VBE überzogen, so Brand (Anm. d. Red.: LSBTTIQ steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, intersexuelle und „queere“ Menschen). Der VBE-Landeschef: „Kinder müssen nicht mit allem in allen Einzelheiten konfrontiert werden – deshalb sind es ja auch Kinder, und da gibt es doch noch gewisse Grenzen.“
Dass sich der Protest tatsächlich aber gegen mehr richtet als gegen „sexuelle Vielfalt“ in Bildungsplänen, wird auf der Seite der Demonstrations-Veranstalter deutlich. Sie bewerben dort eine Initiative gegen die „Homo-Ehe“: Gut vernetzte Gruppen versuchten den Durchmarsch, heißt es da, und machten massiven Druck für eine „Ehe für alle“. „Höchste Zeit, dagegen aufzustehen! Das Aktionsbündnis ‘Demo für alle’ hat dazu die Unterschriftenaktion ‚Ehe bleibt Ehe!‘ gestartet.“ Unterstützer sollen einen Appell an Bundeskanzlerin Angela Merkel unterzeichnen. News4teachers / mit Material der dpa