BERLIN. Nicola Beer, ehemalige Kultusministerin von Hessen und FDP-Generalsekretärin, hat in einem Beitrag für die „Zeit“ eine grundlegende Bildungsreform gefordert – konkret: eine Bestenauswahl bei den Lehrern. „Lehrerinnen und Lehrer sollten künftig, genau wie Angestellte in der freien Wirtschaft, entsprechend ihren Fähigkeiten und ihrem Engagement bezahlt werden“, schreibt sie.
Es sei überfällig, dem Berufsstand der Lehrer endlich die Wertschätzung entgegenzubringen, die er verdiene – und zwar vor allem durch leistungsbezogene Honorierung. „Sprich: Wer für die Sache wirklich brennt, wer Außerordentliches leistet, der muss ein höheres Gehalt bekommen. Der öffentliche Schulbereich ist nahezu die einzige Branche, in der die Dauer der Anstellung sowie die Art des Lehramtes mehr Einfluss auf die Höhe der Besoldung haben als die Qualität des Unterrichts und das sonstige Engagement, das eine Lehrkraft aufbringt“, so erklärt Beer. Diese Gleichbehandlung von Ungleichem habe fatale Folgen: „Die wenigsten jungen Leute ergreifen den Beruf des Lehrers, weil sie sich dafür begeistern, Kindern Wissen zu vermitteln. Viele geben als Grund für ihre Berufswahl an, sie hätten vor allem berufliche Sicherheit gesucht. Doch dieser Beruf sollte vor allem Berufung sein.“
Was macht für Beer denn einen guten Lehrer aus? „Sein Fachwissen – natürlich. Aber nicht nur das. Wer konzertreif Klavier spielt, muss noch lange kein guter Musiklehrer sein. Ein hervorragender Mathematiker garantiert noch lange keinen Unterricht, der Schülerinnen und Schüler begeistert. Es ist die Haltung einer Lehrkraft, die Leidenschaft, die sie für ihren Beruf empfindet, die sich den Kindern vermittelt und sie mitreißt. Es sind Empathie und Kreativität, die schwache Schüler bestärken, Verweigerer motivieren und in Provokateuren das Potenzial zu Positivem stimulieren können. Diese Lehrer-Fähigkeiten müssen sich nicht nur auszahlen – sie müssen auch Einstellungsvoraussetzung werden.“ Viele Lehrkräfte beklagten zu Recht, dass ein Teil ihrer Kollegen ihren Beruf mit Hingabe ausübe und sich für Schüler und Schule in besonderem Maß einsetze, während andere Dienst nach Vorschrift leisteten. „Diese Einschätzung bestätigt übrigens auch die Schulforschung. Trotzdem bekommen sie alle, Engagierte und Unmotivierte, das gleiche Geld.“
Beer: „Zwei Wege sollten deshalb verfolgt werden, um einerseits die besten Lehrer für den Schuldienst zu gewinnen und desillusionierte zu motivieren: Zum einen sollten die Unterrichtsqualität sowie die Lernfortschritte der Kinder – sowohl im Hinblick auf Fachwissen und Kompetenzen sowie auf Team- und Sozialverhalten – die Grundlage bilden, um den Erfolg einer Lehrkraft zu bewerten. Diese Fortschritte lassen sich durchaus messen, etwa durch vergleichende Arbeiten pro Fach und Jahrgang über einen längeren Zeitraum.“ Die FDP arbeite gerade gemeinsam mit Erziehungswissenschaftlern und Praktikern daran, ein solches Bewertungskonzept zu erstellen.
„Zum anderen – und damit wären wir beim zweiten Weg – sollten Schulen selbstständiger gemacht werden: im Hinblick auf Organisation, Profilbildung, Budget und Personal. Sie sollten außerdem zusätzlich zur Abdeckung der Grundunterrichtsversorgung im Wege eines Sozialindex weitere Lehrerstellen zugewiesen bekommen – schließlich steht jede Schule vor anderen Herausforderungen, je nachdem, wie sich ihre Schülerschaft zusammensetzt. Auf diese Weise könnte individuelle Förderung ermöglicht, aber auch eingefordert werden. Wir wollen, dass Schulen individuelle Wege für einzelne Schüler oder Schülergruppen einschlagen können, aber dass gleichzeitig bundesweit geltende Standards erreicht werden. Das Ziel ist vorgegeben und wird kontrolliert; die Wege dorthin stehen den Schulen und Lehrkräften frei.“
Neben der Besoldung, so die FDP-Generalsekretärin, sollte auch die Aus- und Fortbildung überdacht werden. Wissen und Können müssten in bessere Balance gebracht werden, und zwar schon bevor angehende Lehrer ihr Staatsexamen bekommen. Die übliche Beobachtung und Beurteilung, etwa durch einzelne Unterrichtsbesuche von Schulamtsvertretern, reichten dafür nicht aus. „Vielmehr ist es wichtig, die Qualität der Lehre über lange Zeiträume zu beobachten und zu bewerten. Es gilt, vielversprechende Nachwuchskräfte überhaupt erst für den Lehrerberuf zu interessieren, Lehramtsstudierende besser auf die Herausforderung des Schuldienstes vorzubereiten und die Praxistauglichkeit der Studierenden und Referendare für den Lehrerberuf frühzeitig festzustellen.“
Beer weiter: „Leider merken junge Lehrer oft erst dann, dass sie für den Beruf nicht geeignet sind, wenn sie ihre erste Klasse übernehmen. Und bei guten Lehrkräften, die schon im Schuldienst sind, kann Frust vermieden werden, der entsteht, wenn deren Arbeit nicht ausreichend gewürdigt wird. Das bedeutet verschärfte Qualitätsanforderungen an Lehrer, sicher. Aber dies alles dient nur einem Ziel: für unsere Kinder – das Wertvollste, was wir haben – die Besten der Besten zu gewinnen.“ news4teachers
Zum Kommentar: Lehrer nach Schülerleistungen bezahlen? Die FDP macht Wind mit einer Schnapsidee
