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Studie: Schulprobleme von Scheidungskindern betreffen besonders bildungsferne Familien

BERLIN. Wenn Eltern sich scheiden lassen, ist das für Kinder ein einschneidendes Erlebnis, dessen Folgen auch in der Schule zu spüren sind. Lehrer sind mit diesem Thema weitgehend alleingelassen. Besonders bei Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern kann das Auseinanderbrechen der Familie langfristige Auswirkungen auf die Bildungskarriere haben.

Statistisch betrachtet werden in Deutschland rund 35% aller in einem Jahr geschlossenen Ehen im Laufe der kommenden 25 Jahre geschieden. Allein 2014 trennten sich rund 166000 Ehepaare. In etwa der Hälfte der Fälle waren davon Kinder betroffen, insgesamt knapp 135000. In den vergangenen 12 Jahren wurden durch die Trennung ihrer Eltern mehr als 1,9 Millionen Minderjährige zu „Scheidungskindern“.

Die Trennung der Eltern ist für Kinder immer schlimm. Die Schule kann ein stabilisierender Faktor sein. Foto: Praveen Kumar/flickr (CC BY 2.0)

Scheidungskinder in der Schule sind also längst keine Seltenheit mehr. Aber auch wenn getrennt lebende Eltern in den meisten Schulen kein Stigma mehr sind, deuten empirische Studien darauf hin, dass die elterliche Scheidung bedeutenden Einfluss auf Leistung und Sozialverhalten von Schülern hat.

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Neben der emotionalen Belastung kommen oft Begleitumstände hinzu wie Wohnortwechsel und ökonomische Probleme seitens der nun alleinerziehenden Elternteile. Gehen diese wieder arbeiten haben sie oft auch noch weniger Zeit für ihre Kinder, beispielsweise für die Hausaufgabenbetreuung.

Viele Kinder reagieren auf das Auseinanderbrechen ihrer gewohnten familiären Situation in der Schule mit Verhaltensauffälligkeiten. Bis zu 36% wiesen depressive Tendenzen auf, die sich auch negativ auf das Verhältnis zu ihren Mitschülern auswirkten, wie etwa die Hamburger Familiensoziologin Anneke Napp-Peters herausfand.

Auf der anderen Seite geben sich Kinder nach der Scheidung häufig besonders angepasst und unauffällig. Bei Untersuchungen in amerikanischen Schulen zeigten vor allem Mädchen, die bereits vor der Scheidung gute Schülerinnen waren, ein verstärktes schulisches Engagement.

Insgesamt bleibt jedoch jede Scheidung ein Einzelfall, dessen Auswirkungen von diversen Faktoren beeinflusst wird, etwa von Geschlecht, Alter und psychischer Konstitution der Kinder. Ebenso spielt eine Rolle, wie aggressiv Eltern ihre Konflikte austragen und wie lange es dauert, bis sich die Familienverhältnisse reorganisiert haben.

Schule bildet gerade in der ersten Zeit für Scheidungskinder einen stabilisierenden Bezugspunkt. Lehrern raten Experten, wie der Schweizer Familienmediator Max Peter bei allem Verständnis für die problematische Situation keine Schonräume aufzubauen. Selbstverständlich sollen sich Lehrer aus den Elternkonflikten heraushalten.

In der Lehrerausbildung spiele das Thema Scheidung aber kaum eine eigenständige Rolle und auch auf den Umgang mit geschiedenen Elternteilen und neuen Lebensgefährten, würden die Pädagogen kaum vorbereitet. Grundsätzlich könnten Ganztagsschulen den negativen Folgen einer Scheidung für Kinder besser begegnen, als Halbtagsschulen. Fachleute empfehlen auch eine Öffnung der Schulen nach außen, etwa als “Stadtteilschule”.

Hinsichtlich der gesellschaftlichen Folgen der Auswirkungen von Scheidungen und Trennungen auf den Bildungsverlauf von Kindern herrscht unter Forschern noch Uneinigkeit. Auswertungen des DJI-Familiensurveys und der PISA Studie legen jedoch nah, das Kinder aus Familien mit allein erziehenden Eltern oder „Stiefeltern“ in der Hauptschule überrepräsentiert sind, während sie seltener Realschulen oder Gymnasien besuchen.

Einen weiteren Aspekt beleuchtet der Soziologe Michael Grätz, vom Nuffield College der Universität Oxford. Bei Kindern aus bildungsferneren Elternhäusern verringere eine Trennung der Eltern die durchschnittlichen Chancen, dass sie den Schulwechsel auf ein Gymnasium schaffen. In höher gebildeten Familien habe eine Trennung der Eltern hingegen in der Regel keinen Einfluss auf die Schullaufbahn der Söhne und Töchter.

In einer Langzeitstudie hatte Grätz Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), ausgewertet. „Familien aus höheren sozialen Schichten können den negativen Einfluss einer Trennung auf den Schulerfolg ihrer Kinder besser abfangen als andere“, erklärt Grätz.

Grätz verglich in seiner Studie die Schullaufbahn von Jugendlichen, deren Eltern sich in deren Kindheit (vor ihrem 15. Lebensjahr) getrennt haben, mit der ihrer älteren Geschwister, die die Trennung erst in einem höheren Alter erlebt hatten.

Für Kinder aus bildungsferneren Familien verringere demnach eine Trennung der Eltern die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein Gymnasium besuchen, um fast 15 Prozentpunkte. Die Trennung führt zudem zu schlechteren Noten im Alter von 16 Jahren in den Fächern Deutsch und Mathematik

Für Kinder aus Elternhäusern, in denen zumindest ein Elternteil das Abitur gemacht hat, wird die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf eine höhere Schule gehen, durch eine Trennung der Eltern hingegen nicht beeinflusst. Die Trennung der Eltern führt auch nicht zu schlechteren Bewertungen in den Fächern Deutsch und Mathematik.

Vor allem der Bildungsgrad der Väter entscheidet darüber, inwieweit Eltern die Folgen einer Trennung auf den Schulerfolg der Kinder ausgleichen können. „In der Regel leben die Kinder nach der Trennung im Haushalt der Mutter“, erklärt Michael Grätz. „Väter mit Abitur verfügen jedoch über mehr finanzielle Mittel und Kontakte als Väter ohne dieses Zeugnis und können so ihren Nachwuchs auch nach einer Trennung gut unterstützen und fördern.“

Die Studie sei ein weiterer Beleg für die soziologische Hypothese, dass Familien aus höheren sozialen Schichten die Folgen von negativen Lebensereignissen besser ausgleichen können als andere. Frühere Studien haben zum Beispiel gezeigt, dass ein junges Einschulungsalter und ein geringes Geburtsgewicht die Schullaufbahn von Kindern aus höheren sozialen Schichten weniger beeinflussen als die von Kindern aus niedrigeren sozialen Schichten. (zab)

• Abstract zur Studie von Michael Grätz (engl.)

• zum Bericht: Kinderkommission: Scheidungskinder nicht allein lassen

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