KÖLN. Hausaufgaben sollen die Selbstständigkeit der Schüler fördern – doch: Erfüllen sie diesen Zweck? Ein neues Buch nährt Zweifel: In „Hausaufgaben – Nein danke!“ vertritt der Journalist Armin Himmelrath die These, dass es höchste Zeit ist, das Instrument abzuschaffen. Es verstärke die Bildungsungerechtigkeit.
„Hausaufgaben sind zur Festigung der im Unterricht vermittelten Kenntnisse, zur Übung, Vertiefung und Anwendung der vom Schüler erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie zur Förderung des selbständigen und eigenverantwortlichen Arbeitens erforderlich“, heißt es in der baden-württembergischen „Verordnung des Kultusministeriums über die Notenbildung“. Ähnlich haben die anderen Länder ihre Vorgaben bezüglich der Hausaufgaben formuliert.
Peter Silbernagel, Vorsitzender des nordrhein-westfälischen Philologenverbands, ist vom Sinn der Hausaufgaben überzeugt. „Die Tatsache das sich Schülerinnen und Schüler selbstständig mit dem Lernstoff auseinandersetzen, ihn verarbeiten, ihn einüben, ihn vielleicht auch erweitern und sich eben intensiv damit beschäftigen, ist vom pädagogischen her absolut sinnvoll“, zitiert ihn der Westdeutsche Rundfunk (WDR).
Ganz anderer Meinung ist der Bildungsjournalist und dreifache Vater Armin Himmelrath. In seinem Buch „Hausaufgaben – Nein danke!“ (hep-Verlag, 16 Euro) vertritt er die These, dass es höchste Zeit ist, Hausaufgaben abzuschaffen. Himmelrath kritisiert im Deutschlandfunk das Konzept, das in der Regel hinter Hausaufgaben steckt und das nicht mit „der Individualisierung des Lernens“ einhergehe: „Es ist eigentlich schon nicht mehr up to date zu sagen, ich gebe meinen 25 oder 30 Kindern in der Klasse alle zur selben Zeit die gleichen Hausaufgaben auf.“ Darüber hinaus sei die Wirksamkeit von Hausaufgaben nicht erwiesen: „Es gibt einfach keine Studien, keine Belege dafür, dass Hausaufgaben was bringen. Schüler lernen nicht besser, sie lernen nicht schneller, sie verstehen Dinge nicht besser“, so Himmelrath. Hausaufgaben seien „ziemlicher pädagogischer Quatsch“.
Er schreibt in seinem Buch: „Betrachtet man die vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema Hausaufgaben zusammenfassend, so kommt man zu zwei Feststellungen: Von einer systematischen Steigerung von Leistung oder Wissen durch die Erledigung von Hausaufgaben kann nicht die Rede sein. Und: Die real zu beobachtende Hausaufgabenpraxis in den Schulen entspricht nur äußerst selten dem damit verbundenen Anspruch, Schlüsselqualifikationen zu vermitteln.“ Weiter heißt es: „Selbstwirksamkeitserfahrungen, Motivationssteigerungen, Selbststrukturierung bleiben in aller Regel auf der Strecke. Allerhöchste Zeit also, sich mit anderen Konzepten des eigenständigen Lernens zu befassen und ein pädagogisch unbegründetes Dogma, dass irgendwie schon immer gehen, Schule und Unterricht so zu gestalten, dass eigenständiges Lernen dort produktiv und in pädagogischer Begleitung stattfinden kann – zum Nutzen der Schüler und Lehrer gleichermaßen.“
Ganz richtig liegt Himmelrath damit nicht – jedenfalls nicht, was die wissenschaftlichen Befunde zu Hausaufgaben angeht: Der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie schreibt in seiner richtungsweisenden Studie „Visible Learning“ Hausaufgaben alles in allem eine mittlere Effektstärke zu. Ein bisschen was bringen sie also offenbar schon. Allerdings lohnt hier der Blick ins Kleingedruckte: In der Grundschule ist ihr Effekt tatsächlich nahe null. In der Sekundarstufe aber haben die Schüler offenbar bereits Lernhaltungen und Kompetenzen vermittelt bekommen, die die Effektivität selbstständigen Lernens daheim wesentlich erhöhen.
Alternativ – und durchaus Hattie-konform – plädiert Himmelrath für Zeiten während des Schultages, in denen die Kinder selbstständig lernen können. Einige Schulen in Deutschland haben solche Lernzeiten als Hausaufgabenersatz bereits eingeführt, darunter vor allem gebundene Ganztagsschulen. Selbst der Vorsitzende der NRW-Philologen Silbernagel zeigt sich im WDR durchaus offen für die Möglichkeit, einen Teil der Hausaufgaben in die Schule zu verlegen. Für Armin Himmelrath ist der Vorteil der Lernzeiten eindeutig: Sie sind gerechter, da in der Schule jeder Schüler bei Bedarf Hilfe erhält – anders als zu Hause. News4teachers
