KÖLN. Das Statement eines Anwalts, der junge Männer vertritt, die im Zusammenhang mit den Silvester-Übergriffen in Köln festgenommen wurden, wirft ein neues Licht auf die Hintergründe des Geschehens, vor allem auf die möglichen Verursacher. Bewahrheitet sich der Verdacht, dürfte das Konsequenzen für die Debatte um die Flüchtlingspolitik haben – ein differenzierterer Blick ist nötig: Möglicherweise handelt es sich nämlich vorwiegend nicht um Menschen, die vor Krieg oder Armut nach Deutschland geflüchtet sind, sondern um Straßenkinder aus Nordafrika, die gezielt von kriminellen Banden nach Deutschland geholt wurden.

„Bei unseren Mandanten handelt es sich um moderne Nomaden“, sagt Pflichtverteidiger Ingo Lindemann, der Verdächtige im Zusammenhang mit den Übergriffen und Diebstählen in der Silvesternacht in Köln vertritt, gegenüber der „Bild“-Zeitung. „Sie sind keine Kriegsflüchtlinge, sondern große Straßenkinder, die mit dem Flüchtlingsstrom durch Europa ziehen. Sie haben, böse ausgedrückt, das große Los gezogen – sprachlos, heimatlos, perspektivlos.“ Tatsächlich hat sich in den vergangenen zwei Jahren in etlichen deutschen Großstädten eine brutale Szene von entwurzelten Jugendlichen und Heranwachsenden aus den Maghreb-Staaten gebildet, die der Polizei massiv Probleme bereitet. Tatsächlich stammt offenbar der größte Teil der bislang im Zusammenhang mit der Sylvesternacht in Köln ermittelten Tatverdächtigen aus Marokko und Algerien – dazu gehören auch einige, die sich illegal in Deutschland aufhalten, die also keinen Asylantrag gestellt haben.
„Allgemein können wir sagen, dass es Gruppen gibt unter den Flüchtlingen, die uns wenig Sorgen machen in Bezug auf Kriminalität“, so berichtete BKA-Chef Holger Münch noch im vergangenen Oktober im Deutschlandfunk – Syrer und Iraker beispielsweise. Problematisch sei hingegen eine Gruppe von unbegleiteten Minderjährigen, die nach Deutschland komme, insbesondere aus Nordafrika. Diese seien oft Straßenkinder, die gelernt hätten, sich „irgendwie durchzuschlagen und das auch mithilfe von Kriminalität. Die beschäftigen uns sehr, sehr stark“. Hier stelle sich auch den Sozialbehörden die Frage: „Kann man diese Personen in einer Form einfangen und auf einen Weg bringen, dass sie weniger auffällig sind?“
So berichtete Radio Bremen bereits Anfang des vergangenen Jahres, dass sich „Vorfälle“ mit unbegleiteten, minderjährigen Nordafrikanern in der Hansestadt seit 2014 häuften. Die Rede war seinerzeit von rund 40 Jugendlichen, mittlerweile dürften es mehr sein. Dabei handele es sich in den meisten Fällen um junge Männer aus Marokko und Algerien, die bisher immer vom Diebstahl gelebt hätten und deshalb oft nicht viel anderes kennen würden als Gewalt – schon gar keine Regeln. Bremens Polizeipräsident Lutz Müller sagte dem Sender, es handele sich um 16- bis 18-Jährige, die zum Teil drogenabhängig seien und Straftaten begingen, um ihre Sucht befriedigen zu können. Tagsüber hielten sich diese Straßenkinder bevorzugt am Hauptbahnhof auf – dort sei es zu besonders vielen Straftaten gekommen: zahlreiche Diebstähle und Einbrüche, aber auch Körperverletzungen und gemeinschaftlich begangene Raubüberfälle.
Das Problem ist so groß geworden, dass Bremen nun einem Bericht der „taz“ zufolge gemeinsam mit Hamburg eine neue „Spezialeinrichtung für die intensivpädagogische Betreuung von straffälligen Jugendlichen“ plant – auf dem Gelände der JVA Blockland in Bremen. Dabei setze das Sozialressort auf eine 1:1-Betreuung, auf „verlässliche, zugewandte Beziehungsarbeit“, im Einzelfall auch auf psychotherapeutische Maßnahmen. In dem geplanten Heim soll „intensiver Sport“ betrieben werden. Zum Konzept gehörten auch Selbstversorgung, eine reizarme Umgebung, kein Fernsehen, Sprach- und „lebenspraktischer“ Unterricht sowie strenge Waffen- und Drogenkontrollen. Nach sechs bis 12 Monaten, so die Hoffnung, sind die Jugendlichen dann ausreichend „stabilisiert“, um in Regeleinrichtungen zu wechseln. Eine Übergangslösung an einem ungenannten Ort habe bereits den Betrieb aufgenommen.
Warum werden die Jugendlichen nicht abgeschoben? Die meisten, so heißt es, haben Asyl beantragt – und stehen als Minderjährige unter einem besonderen Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention. Dazu kommt: In welches Land soll abgeschoben werden, wenn oftmals nicht einmal klar ist, aus welchem Land genau der Betroffene kommt? Darüber hinaus weigern sich Staaten wie Marokko, Straftäter wieder aufzunehmen.
Auch in Dortmund ist das Problem mit den Straßenkindern offenbar groß. „Wir haben es mit extrem auffälligen Jugendlichen zu tun und beobachten eine große Brutalität. Ihr Verhalten kann man sich nur erklären, wenn man weiß, wie sie aufgewachsen sind“, sagte ein Sozialarbeiter gegenüber der „Westfalenpost“: Schon als Kinder hätten sie ihre Heimat verlassen und sich in Spanien durch Straftaten über Wasser gehalten. „Sie kommen über Spanien, Frankreich und Belgien zu uns. Häufig geben sie an, Halbwaisen aus armen Großfamilien zu sein“, so berichtet ein Richter dem Blatt.
Seit zwei Jahren sei ein enormer Zuzug solcher Straßenkinder zu beobachten – zeitgleich habe eine Serie von Raubüberfällen eingesetzt. Spezialisiert hätten sich die jungen Täter auf Halsketten. Dazu kämen Diebstähle und inzwischen auch Drogenhandel.
„Diese Jugendlichen sind für uns allein aus sprachlichen Gründen nicht erreichbar. Mit pädagogischen Konzepten kommen wir kaum an sie heran, obwohl das Gesetz genau das von uns erwartet“, sagt der Richter. Der Sozialarbeiter meint: „Es gibt Fälle, die uns überfordern. Wie andere deutsche Großstädte stoßen wir an unsere Grenzen. Immer wieder erkennen wir in unseren Gesprächen auch, dass wir erwachsene Gegenspieler haben müssen.“ Heißt: Es besteht der Verdacht, das junge Marokkaner auf ihrer Reise nach Deutschland „etablierte Kontakte“ nutzten – also von Banden gezielt als Drogenkuriere und Räuber eingesetzt würden.
Auch in Köln – wo der Hauptbahnhof ebenfalls längst ein Brennpunkt für Raubüberfälle und Diebstähle geworden ist – ermittelt die Polizei nach Informationen des WDR bereits seit längerem gegen organisierte Banden, deren Mitglieder mehrheitlich aus Marokko, Tunesien und Algerien stammen sollen. Dabei sollen sie sich auch die aktuelle Flüchtlingslage zunutze machen, haben ihre Route nach Deutschland also womöglich angepasst: Sie reisen mittlerweile den Informationen zufolge zunächst nach Istanbul, um von dort über die Balkanroute als angebliche Flüchtlinge nach Deutschland zu kommen.
Allein in Marokko leben schätzungsweise rund 30.000 Kinder und Jugendliche auf der Straße. News4teachers
