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Eltern-Brandbrief: “Kinder haben Angst davor, in die Schule zu gehen”

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BERLIN. Es ist ein Hilferuf! Mit einem Brandbrief wollen Berliner Eltern auf die erschreckende Situation an der Schule ihrer Kinder aufmerksam machen. Darin ist die Rede von Schlägereien auf dem Schulhof, Gewalt gegen Lehrer und mitgebrachten Messern im Unterricht. Das Ganze erinnert an die Zustände an der Rütli-Schule in Neukölln, die vor zehn Jahren Schlagzeilen gemacht hatte. Aber diesmal spielt sich die Gewalt im Problemviertel Marzahn-Hellersdorf ab. Und nicht an einer Hauptschule, sondern an einer Grund- und Gemeinschaftsschule.

Berliner Eltern berichten von Gewalt an der Schule ihrer Kinder (Symbolbild). Foto: Metropolico.org / flickr (CC BY-SA 2.0)

„Unseren Kindern sollte es Spaß machen können, zur Schule zu gehen – insbesondere zu Beginn der Schulkarriere. Durch unkontrollierbare Gewalt ist das jedoch nicht möglich“, zitiert die Berliner Morgenpost die Ängste besorgter Mütter und Väter. Es sind schockierende Zustände, von denen die Eltern der Wolfgang-Amadeus-Mozart Schule berichten. „Die Kinder haben Angst davor, in die Schule zu gehen“ schreibt der Elternvertreter Francesco Malo in dem offenen Brief an das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf. Kinder hätten Angst, von älteren Schülern bedroht und geschlagen zu werden.

Der Brief zitiert in erster Linie Berichte einzelner Eltern, wie zum Beispiel von einer Mutter, die gesehen hat, wie ihrer Tochter in den Bauch getreten wurde. Eine weitere Mutter berichtet, dass Mützen geklaut und Schüler mit dem Messer bedroht wurden. Gleichzeitig fehle es an Respekt gegenüber den Lehrern. „Als ob es noch nicht reichen würde, dass die Schüler sich untereinander das Leben schwer machten, sie erschweren auch die Arbeit der Lehrer und Erzieher. Bereits im letzten Schuljahr musste ich erleben, wie ein Zweitklässler Schulpersonal massivst beleidigt hat“, schreibt Malo weiter in dem Brief. Vor allem in einer dritten Klasse herrsche vollkommenes Chaos, der Lehrer sei anscheinend völlig überfordert.

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Probleme waren bekannt

Das Thema ist nicht neu. „Dass die Situation dort nicht unproblematisch ist, ist bekannt. Das soziale Umfeld ist nicht einfach“, sagte der Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD) als Reaktion auf den Brandbrief. Wie der Tagesspiegel berichtet, fiel die Mozart-Schule vor zwei Jahren sogar bei der Inspektion durch. Seitdem wurde sie von den Qualitätmanagern der Bildungsverwaltung intensiv betreut und beraten. Erst im Dezember seien die Inspekteure ein zweites Mal an der Mozart-Schule gewesen, berichtet der Tagesspiegel. Umso mehr überrascht die derzeitige Situation.

Die Eltern zeigen sich enttäuscht: „Auf unserer letzten Gesamtelternkonferenz im Dezember 2015 haben die Eltern der Wolfgang-Amadeus-Mozart-Gemeinschaftsschule Probleme dargestellt, die weit über das hinaus gehen, was ich für akzeptabel halte. Insbesondere war ich von der geringen Hilfestellung des Bezirksamtes überrascht und enttäuscht“, heißt es unter anderem in den Brandbrief.

Konkrete Maßnahmen

Die Bildungsverwaltung bestätigt, von den geschilderten Zuständen gewusst zu haben. Sie entsprächen auch dem, was die Schulinspekteure an der Schule vorgefunden hätten. Den Vorwurf, die Zustände ignoriert zu haben, weist Sprecherin Beate Stoffers jedoch zurück. „Die Schule wurde nicht allein gelassen“, sagte Stoffers dem Tagesspiegel. Die Sorgen der Eltern würden äußerst ernst genommen. Es gebe bereits eine entwicklungtherapeutische Förderung in den dritten Klassen. Warum die zweijährige Arbeit der Qualitätsmanager von „Pro Schul“ so wenige Effekte erzielte, konnte Stoffers nicht erklären.

Nun soll ein Maßnahmenkatalog erstellt werden. Die Schule erarbeite derzeit mit dem Schulpsychologen ein Sicherheitskonzept. Ein Krisenteam sei  bereits gebildet worden, an das sich Schüler wenden können. Darüber hinaus wolle man zwei Lehrer zu Trainern ausbilden, die ihren Kollegen Hilfestellung bei Gewaltsituationen geben sollen. Das Jugendamt wolle einen festen Mitarbeiter für die Schule benennen.

Runder Tisch

Die Eltern bleiben skeptisch. „Das sind erste Schritte, aber Zweifel bleiben, ob die Sicherheit der Kinder damit tatsächlich gewährleistet ist“, zitiert die Berliner Morgenpost Malo. Die Eltern weisen auf die überfüllten Klassen hin – drei dritte Klassen mit jeweils 30 Kindern. Außerdem kritisieren sie, dass in den unteren Klassen Lehrer eingesetzt werden würden, die keine Grundschulpädagogen, sondern Studienräte seien. Sie fordern, dass ihre Kinder von Grundschullehrern unterrichtet werden. Wegen des Personalmangels seien anscheinend Studienräte eingesetzt worden, die im Umgang mit den jüngeren Schülern offenbar zum Teil überfordert seien.

Die Schulleiterin Sibylle Stottmeyer wollte sich zu den Beschwerden nicht äußern und verwies auf die Bildungsverwaltung. Elternvertreter Malo stellt in dem Brief klar: „Uns geht es hier nicht darum, diese Schule in Verruf zu bringen. Ich weiß, dass Frau Stottmeyer alles in ihrer Macht stehende versucht, um eine Lernatmosphäre zu schaffen, in der es allen Kindern ermöglicht wird, nach ihren Möglichkeiten zu lernen.“ Auch schreibt er, dass es natürlich auch viele positive Beispiele und Berichte von Eltern gebe und die meisten Schüler vernünftig seien.

Für diese Woche ist ein Elterninformationsabend für die 3. Klasse zur Gewaltprävention angesetzt worden. Runde Tische mit allen Verantwortlichen sollen zudem von nun an regelmäßig stattfinden. „Damit die Situation nicht eskaliert“, so Bezirksbürgermeister Komoß gegenüber dem Focus. N4t

 

Hintergrund: Die Wolfgang-Amadeus-Mozart Schule in Hellersdorf
Die Mozart-Schule war ursprünglich eine Grundschule, die sich 2008 entschieden hatte, Gemeinschaftsschule zu werden. Die Schulleiterin, Sibylle Stottmeyer, wird als sehr engagiert beschrieben. Doch schon im vergangenen Jahr hatten sich nur sehr wenige Schüler entschieden, nach der sechsten Klasse auf der Schule zu bleiben, berichtet Elternvertreter Francesco Malo, sodass die Schule mit Kindern anderer Schulen habe aufgefüllt werden müssen.

Nach den Winterferien beginnen die Anmeldefristen für das kommende Schuljahr. Angesichts der zugespitzten Lage der Schule wird damit gerechnet, dass die Nachfrage noch schwächer ausfallen wird als in den Vorjahren.

Quelle: Tagesspiegel

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