KIEL. Die CDU in Schleswig-Holstein will Schweinefleisch auf den Tellern von Mensen und Kantinen sehen – und hat damit eine bundesweite Debatte ausgelöst. In einem CDU-Antrag für die Sitzung des Kieler Landtags in der kommenden Woche heißt es: „Die Landesregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass Schweinefleisch auch weiterhin im Nahrungsmittelangebot sowohl öffentlicher Kantinen als auch in Kitas und Schulen erhalten bleibt.“ Hintergrund: Muslime essen aus Glaubensgründen kein Schweinefleisch.
„Immer mehr Kantinen, Kitas und Schulen nehmen Schweinefleisch aus ihrem Angebot, um auf religiöse Gebräuche Rücksicht zu nehmen”, sagte CDU-Fraktionschef Daniel Günther zu dem Antrag, über den zunächst die “Lübecker Nachrichten” berichteten. Die CDU halte das für falsch. „Wir setzen auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Dazu gehört in unserer Kultur auch der Verzehr von Schweinefleisch”, so Günther. Eine „Schweinefleischpflicht“ freilich plane die CDU nicht.
Die Beobachtung der schleswig-holsteinischen CDU scheint korrekt zu sein – und einen bundesweiten Trend zu beschreiben. Tatsächlich gibt es immer mehr Kita- und Schulträger, die Schweinefleisch komplett aus ihrem Angebot streichen. Die „Rheinische Post“ zitiert beispielsweise einen Bonner Caterer: „Von den 60 Schulen und Kindertagesstätten, die wir beliefern, verzichten rund zehn inzwischen komplett auf Schweinefleisch.“ Und in einigen Städten Nordrhein-Westfalens – vor allem in Städten mit hohem Migrantenanteil wie im Ruhrgebiet – gebe es in allen Schulen und Kitas kein Schweinefleisch mehr. Dafür würden, so die Zeitung, seitens der Anbieter vor allem praktische Argumente angeführt: Für eine Großküche sei es zu kompliziert, nur für einen Teil der Kinder schweinefleischfrei zu kochen.
SPD, Grüne und FDP lehnten eine den Schweinefleisch-Vorstoß der CDU beim Kita- oder Schulessen ab und äußerten vor allem in sozialen Netzwerken beißenden Spott über die Idee, die im Zusammenhang auch mit dem starken Zuzug muslimischer Flüchtlinge steht. „Nein, es ist nicht der 1. April“, schrieb der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz, seine Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt meinte bei Twitter: „#CDU fordert Integrationspflicht für Vegetarier.“ SPD-Bundesvize Ralf Stegner spottete: „Vegetarier,Veganer + Moslems in politischer Dreieinigkeit: Machtübernahme in SH-Kantinen.“ FDP-Parteichef Christian Lindner twitterte: “Erst #Veggieday, jetzt #Schweinefleischpflicht.” Sein Partei-Vize und Kieler Fraktionschef Wolfgang Kubicki warnte vor der „Diskriminierung von Rindfleisch“.
Für die rot-grüne Landesregierung von Schleswig-Holstein nahm Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Stellung: „Staatlichen Handlungsbedarf kann ich nicht erkennen. Und schon gar nicht teile ich die Verkürzung unserer grundgesetzlichen Werte auf die Pflicht, Kotelett oder Hack zu essen.“
Ein Blick ins benachbarte Dänemark zeigt allerdings, dass die Nord-CDU mit ihrem Einsatz für Schweinefleisch nicht allein steht. Bereits im Januar hatte der Stadtrat der dänischen Hafenstadt Randers einen „Frikadellen-Krieg“ entfacht: Er beschloss, dass in den öffentlichen Kantinen auch Schweinefleisch angeboten werden muss. „Die Regelung ist flexibel, sprich es muss auch eine Alternative geben, wenn es etwa Kinder gibt, die kein Schwein essen“, ergänzte eine Sprecherin der Kommune auf Anfrage.
Auch in Frankreich tobt ein Kulturkampf ums Schweinefleisch. Seit über 30 Jahren gibt in den dortigen Schulmensen sogenannte Ersatzgerichte, die angeboten werden, wenn Schweinefleisch auf dem Speiseplan steht. In mehreren Städten soll sich das nun ändern. Bürgermeister wollen Alternativ-Gerichte für Muslime und Juden aus dem Angebot verbannt sehen. Das Argument: Das sei nicht religionsneutral im Sinne der Laizität, die in der französischen Verfassung verankert ist.
Der „Deutschlandfunk“ sprach mit Jean-Paul Beneytou, dem Bürgermeister der 20.000-Einwohner-Stadt Chilly-Mazarin. Der hat den Schulkantinen klare Anweisung gegeben: Wenn Schweinefleisch auf der Speisekarte der Schulkantinen steht, wird kein Ersatzgericht mehr serviert. Wie die Bürgermeister eines halben Dutzend französischer Städte – darunter Toulouse und Perpignan – meine Beneytou , es könne nicht sein, dass das muslimische Kopftuch oder die jüdische Kippa an Frankreichs Schulen verboten sind, in den Kantinen aber ein Recht auf Essen nach religiösen Vorschriften gelte. “Ich halte niemanden davon ab, seine Religion zu praktizieren. Ganz gleich, welche Religion: katholisch, buddhistisch, jüdisch oder muslimisch. Ich respektiere alle Religionen, aber nicht in der Schule.”
Religiöse Spannungen, so Beneytou, hätten in den Schulen zugenommen; im Rathaus häuften sich Beschwerden von Eltern, die Extrawürstchen für muslimische Kinder beklagten. Zu Recht, bekräftigt der Lokalpolitiker. „Wenn ein Schüler zum Beispiel kein Rindfleisch oder Lamm mag, kein Ei oder Fisch – bekommt er in der Kantine kein Ersatzgericht angeboten. Warum soll dann ein Schüler darauf Recht haben, nur weil er kein Schwein isst?! Um alle gleich zu behandeln, habe ich entschieden, keine Unterschiede mehr zu machen: Alle haben das Gleiche auf dem Teller”, so sagte der Bürgermeister gegenüber dem Sender.
Er hat dabei Unterstützung von prominenter Seite: Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, Chef der konservativen Republikaner, sagte in einem Fernsehinterview: Das „Prinzip der Laizität”, also der strengen Trennung von Kirche und Staat, verbiete eine Aufteilung der Schulmenüs nach Religion. News4teachers / mit Material der dpa