Schleswig-Holsteins Gymnasiallehrer haben die ihrer Meinung nach verfehlte Bildungspolitik der Landesregierung kritisiert und dabei vor allem Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) ins Visier genommen. «Angesichts der Herkulesaufgaben wie die Integration tausender Flüchtlinge und der Inklusion fühlen sich die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen zusätzlich von der Ministerin allein und im Stich gelassen», sagte Helmut Siegmon, Vorsitzender des Philologenverbandes Schleswig-Holstein, laut Redemanuskript am Donnerstag in Rendsburg beim Jahreskongress. Der Kongress stand unter dem Motto «Bildungspolitik in der Sackgasse».
«Von Anfang an hat die Küstenkoalition alle Weichen gestellt, um ihrer Einheitsschule näherzukommen», kritisierte Siegmon. Nun müsse die Koalition von SPD, Grünen und SSW feststellen, dass sie sich mit ihrem radikalen Umbau mehr Feinde als Freunde gemacht habe, «zwischen allen Stühlen sitzt und an Glaubwürdigkeit verloren hat». Die Fülle der unzureichend durchdachten Gesetze und Verordnungen funktioniere nicht nur nicht, sondern die Arbeits- und Belastungsbedingungen der betroffenen Lehrer habe sich «deutlich verschlechtert».
«Darüber hinaus mehren sich die Anzeichen, dass die erhofften zentralen bildungspolitischen Ziele insbesondere mit Blick auf das Bildungsniveau verfehlt werden», sagte Siegmon. Der nach wie vor viel zu hohe Unterrichtsausfall, der mutmaßlich deutlich steigende Anteil fachfremd gegebenen Unterrichts sowie die hohe Lehrer-Fluktuation, unter der die Schüler leideten, bringe auch die Eltern zunehmend auf die Barrikaden. Es sei schon bitter, dass ausgerechnet unter dieser Landesregierung die Zahl derjenigen, die die Schule ohne einen Abschluss verlassen, gestiegen sei, sagte Siegmon.
Besonders verärgert zeigte er sich darüber, dass Ernst eine langfristige Lehrkräftegewinnung sträflich vernachlässigt habe. Er warnte, «den Abgang des Abitur-Doppeljahrgangs nicht für Einsparungen zu missbrauchen, die eine pädagogisch und fachspezifisch ausgewogene Personalentwicklung an den Gymnasien nachhaltig beschädigt».
Als unverzichtbare Forderungen an die künftige Bildungspolitik nannte er die Schärfung des gymnasialen Bildungsganges an den Gymnasien, den Erhalt beziehungsweise die Wiederherstellung einer eigenständigen wissenschaftsbezogenen gymnasialen Lehrerbildung mit zweijährigem Referendariat sowie differenzierte Schulartempfehlungen und Notenzeugnisse beim Übergang zum Gymnasium. dpa
