MÜNCHEN. Es war der Versuch, den Dauerstreit ums bayerische Gymnasium zu befrieden: Die Staatsregierung unter Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) dachte sich die um ein Jahr verlängerte Mittelstufe Plus aus. Geht man nach dem Urteil der Direktoren, dann ist der Versuch gründlich gescheitert.
Die Direktorenvereinigung der bayerischen Gymnasien rechnet in drastischer Form mit der «Mittelstufe Plus» ab – und lehnt eine dauerhafte und flächendeckende Einführung strikt ab. Stattdessen fordert der Landesvorstand der Direktorenvereinigung (BayDV) die Politik auf, sich jetzt eindeutig entweder für ein achtjähriges oder für ein neunjähriges Gymnasium zu entscheiden. «Doppel- oder Mischstrukturen lehnt die BayDV ab», heißt es in einem Rundbrief des Vorsitzenden Karl-Heinz Bruckner an alle Mitglieder. Das Schreiben lag der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch vor.
Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) erklärte, er registriere den Zeitpunkt des Briefes «mit Verwunderung». Der Modellversuch sei auf zwei Jahre angelegt, für eine Abschlussbewertung sei es viel zu früh.
Die Mittelstufe Plus wurde von der CSU-Staatsregierung eingeführt, um den Dauerstreit um eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium zu befrieden. Das Modell wird derzeit an 47 Pilotschulen erprobt. Dabei durchlaufen Schüler die Mittelstufe in vier statt in drei Jahren, wobei sie dann pro Schuljahr weniger Pflichtstunden haben als im «normalen» G8-Zug. Nach dem Pilotversuch soll dann entschieden werden, ob G9-Züge bayernweit eingeführt werden. Der Druck auf die CSU ist schon jetzt enorm: An den Pilotschulen entschieden sich im Schnitt rund 60 Prozent der Gymnasiasten für die längere Variante.
Die Direktorenvereinigung kritisiert die Mittelstufe Plus in einem beispiellosen Rundumschlag: Diese tauge «nicht als Modell für die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler, es sei denn, man würde die Schulen mit erheblich mehr Lehrerstunden ausstatten», schrieb Bruckner nach einem einstimmigen Vorstandsbeschluss. «Unter diesen Bedingungen wird eine flächendeckende und dauerhafte Einführung der Mittelstufe Plus die Schulen vor unlösbare Probleme stellen.»
«Aus unserer Sicht ist der Versuch gescheitert, mit der Einführung einer Mittelstufe Plus einer politischen Entscheidung für ein G8 oder für ein G9 aus dem Weg zu gehen», heißt es in dem Schreiben. Unter anderem nehme die Mittelstufe Plus dem bayerischen Gymnasium die inhaltliche Vielfalt. Schüler kleiner Gymnasien seien dabei gegenüber Schülern größerer Gymnasien benachteiligt. Zudem erzwinge die Mittelstufe Plus die Bildung zusätzlicher Klassen – die dafür notwendigen Lehrerstunden stünden aber nicht zur Verfügung.
«Die Finanzierung der Mittelstufe Plus ist im Moment nicht gesichert», kritisiert die Direktorenvereinigung. Und: «Die Mittelstufe Plus ist für Schüler, Eltern und Schulleitungen nicht berechenbar und nicht planbar.» Dabei begründet die Vereinigung sehr ausführlich, warum der Pilotversuch all dies bereits jetzt zeige.
Das Fazit lautet: «Als diejenigen, die wir für eine Umsetzung des Konzepts den Eltern sowie Schülerinnen und Schülern gegenüber in der Verantwortung stehen, müssen wir Direktorinnen und Direktoren die flächendeckende Einführung der Mittelstufe Plus ablehnen.» Man brauche nun Klarheit der Politik: «Will man am achtjährigen Gymnasium festhalten oder will man ein modernes neunjähriges Gymnasium?» Die Entscheidung müsse jetzt fallen, damit das kein Wahlkampfthema werde. «Ein Umweg über die Mittelstufe Plus wird uns weiter beschädigen.»
Spaenle erklärte, er sehe den Rundbrief «als aktuellen Beitrag zum Gestaltungsprozess der Pilotphase der Mittelstufe Plus». «Die Gymnasialdirektoren waren und sind in die Pilotphase eingebunden und haben sich daran mit ihrer hohen Expertise konstruktiv beteiligt.» Der Modellversuch laufe aber erst seit sechs Monaten. Man werde alle Ergebnisse der Pilotphase «weiterhin sorgfältig auswerten, die zentralen Problemstellungen der Pilotphase dabei klar im Blick haben – und dann zu gegebener Zeit die entsprechenden Schlüsse ziehen.» Die gymnasialen Verbände würden dabei weiterhin intensiv mit einbezogen. Von Christoph Trost, dpa
Zum Bericht: Seehofer nennt G8 einen „Quickie“ – CSU-Fraktion beschließt «epochale» Gymnasialreform

