TÜBINGEN. Hausaufgaben gehören zur Schule, doch die Meinungen über ihren Nutzen gehen auseinander, unter Lehrern, Eltern, Experten und Schulpolitikern gleichermaßen. Sinnvoll geplant und in die Unterrichtskonzeption eingebunden, können Hausaufgaben wohl auch im modernen, individualisierten Unterricht ihren Platz haben. Einer Studie der Universität Tübingen zufolge werden die Schüler allerdings oft nachlässig in die häusliche Auseinandersetzung mit dem Stoff entlassen.
Hausaufgaben gehören zum Schulalltag. Doch was sich für Eltern oft als „zäher Kampf am Küchentisch“ (Gerlinde Unverzagt) darstellt, ist umstritten. Für die einen bieten Hausaufgaben eine wichtige Anregung für die Schüler, sich selbstständig mit dem Lernstoff auseinanderzusetzen und bilden damit eine wichtiges Element der Übung und zur Festigung der im Unterricht erworbenen Kenntnisse. Für andere dagegen, wie den Hausaufgaben-Kritiker Armin Himmelrath, sind sie ein überlebtes pädagogisches Ritual, das der individuellen Förderung zuwiderläuft und die herkunftsbedingte Bildungsungleichheit fördert.
Wissenschaftliche Studien liefern insgesamt keine eindeutigen Ergebnisse. Der bekannte Bildungsforscher John Hattie etwa ermittelte in seiner Auswertung von Bildungsstudien, dass Hauaufgaben in den sprachlichen Fächern einen leicht positiven Effekt hätten. In Mathematik dagegen sei ein Effekt des häuslichen Lernens nicht nachweisbar.
Zu viele Hausaufgaben schadeten nach Hatties Erkenntnissen den Schulleistungen eher. Ein Schluss zu dem auch Forscher der Universität Oviedo kamen. Regelmäßige Hausaufgaben, seien zwar nach Meinung der spanischen Forscher durchaus förderlich für die Selbstdisziplin von Teenagern. Allerdings dürften diese einen Umfang von ein bis zwei Stunden nicht übersteigen.
Ist die Belastung durch Hausaufgaben dagegen zu groß können sich auch negative Effekte einstellen. So können Hausaufgaben auch dazu beitragen die Lernmotivation zu untergraben. Studien, wie etwa des Max Plank-Instituts deuten darauf hin, dass insbesondere in den frühen Schuljahren eher auf Hausaufgaben verzichtet werden sollte.
Bieten die Korrelationsstudien Lehrerinnen und Lehrern mithin nur wenig Unterstützung bei der Frage „Hausaufgaben ja oder nein“, können sich diese in der Praxis durchaus als Bereicherung des Unterrichts darstellen. Nach Professor Georg Lind, von der Universität Konstanz könnten Hausaufgaben abgestimmt zur eigenen Unterrichtsstrategie etwa vorbereitend eingesetzt werden.
Um eine sinnvolle häusliche Nachbereitung des Unterrichtsstoffes zu ermöglichen müssen nach Lind Hauaufgaben verschiedene Kriterien erfüllen. Auch er meint, sie dürften nicht zu umfangreich ausfallen. Überdies dürften sie auch Schüler mit Unterstützungsbedarf nicht vor unlösbare Probleme stellen.
In jedem Fall bedürfen Hausaufgaben also im Vorfeld einer genauen Planung, die auch eine Abstimmung unter den Kollegen erfordert. Das es darum nicht immer zum Besten steht, davon können viele Eltern ein Lied singen. Denn einzelne Hausaufgaben aus verschiedenen Fächern summieren sich für die Schüler zu Hause oft zu größeren Arbeitskontingenten.
Ein weiteres Problem bei der Vergabe von Hausaufgaben ist der Zeitpunkt. Lind weist deutlich darauf hin, dass die Aufgabenstellung allen Schülern so vermittelt werden müsse, dass sie zuhause noch wissen, was zu tun ist.
Oft werden die Hausaufgaben jedoch erst am Ende der Stunde in letzter Minute gestellt, ermittelte jüngst die Tübinger Erziehungswissenschaftlerin Britta Kohler in einer empirischen Studie. An 62 baden-württembergischen Gymnasien beobachtete sie insgesamt 185 Situationen der Hausaufgabenvergabe, vorwiegend in den Fächern Deutsch und Mathematik sowie in den Fremdsprachen. Oft fehlte in der konkreten Situation die Zeit für Rückfragen und gelegentlich wurde sogar die Pause beschnitten,
In der Hausaufgabenliteratur werde so Kohler seit Jahrzehnten kritisiert, Hausaufgaben würden vorwiegend am Ende der Schulstunde noch schnell gestellt oder gar aus dem Ärmel geschüttelt. Lernende hörten oft nur noch mit halbem Ohr zu, notierten sich die Aufgaben nicht und hätten sie zu Hause vergessen. Oft sprängen dann die Eltern ein oder man erkundige sich nachmittags bei Mitschülerinnen und Mitschülern.
Kohler ließ deshalb in alltäglichen Unterrichtsstunden die Unterrichtsminute erfassen, in der die Hausaufgabenvergabe begann und in der sie beendet wurde. Außerdem wurden Variablen wie die Zahl der Schülerfragen oder die Häufigkeit des Notierens seitens der Lehrenden und der Lernenden erfasst.
Es zeigte sich erwartungsgemäß, dass Hausaufgaben vorwiegend am und sogar nach dem Stundenende gestellt wurden. Dies galt für 45-minütige Einzelstunden in gleichem Maße wie für 90-minütige Doppelstunden. Die Situation der Hausaufgabenvergabe nahm im Mittel nur wenige Minuten in Anspruch, es wurden im Durchschnitt nur 0,7 Rückfragen durch Schüler gestellt. Je später die Lehrkräfte mit dem Erteilen der Hausaufgaben begannen, desto kürzer fiel dieses aus.
Bedenklich findet die Wissenschaftlerin, dass etwa ein Viertel der Vergaben in die Pause hineinreichte, gerade mit Blick auf die Gesundheit der Lehrenden und Lernenden. „Eine Verlängerung des Unterrichts in die Pause beraubt diese ihrer Funktionen, führt zu Hetze und erschwert Ruhe und Entspannung. Gerade im Fachlehrerunterricht können so genannte kleine Pausen auf diese Weise zu Zeiten besonders hoher Belastung und Beanspruchung werden.“ Eine vorschnelle und allgemeine Kritik an Lehrerinnen und Lehrer hält Kohler dennoch für nicht angebracht. „Der zeitliche Umfang der Hausaufgabenvergabe und die Qualität der Situation hängen nicht zwingend zusammen. Bei klaren Regeln und Routinen in der Klasse und bei schriftlich formulierten Aufgabenstellungen kann eine Hausaufgabenvergabe auch in kurzer Zeit erfolgreich verlaufen.“ (zab)
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