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Bessere Bildungschancen für Migrantenkinder: Aktionsrat empfiehlt leichtere Sprache im Unterricht

MÜNCHEN. In einem neuen Gutachten fordern die renommierten Bildungsforscher des Aktionsrates Bildung einen Masterplan für die schulische Integration von Migrantenkindern. Die seien zwar ehrgeizig, trotzdem seien ihre Bildungserfolge unterdurchschnittlich. Der Aktionsrat hält deshalb auch Änderungen im Unterricht für notwendig – Lehrer sollen zum Beispiel auf Fachwörter verzichten. Der Deutsche Lehrerverband widerspricht. Er hält solche Vorschläge für „antiintegrativ“. Der VBE fordert kleinere Klassen.

Die Vorschläge des Aktionsrates Bildung zur Eingliederung von Kindern aus Einwandererfamilien sind umstritten. Foto: Rakib Hasan Sumon / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Der Aktionsrat Bildung empfiehlt in seinem Jahresgutachten 2016 niedrigere Standards in der Berufsausbildung für Flüchtlinge. In ihrem neuen Jahresgutachten plädieren die Bildungsforscher um den Hamburger Unipräsidenten Dieter Lenzen für «theorieentlastete zweijährige Ausbildungsberufe» und Teilqualifizierungen, um jungen Flüchtlingen den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Außerdem fordern die Wissenschaftler eine Berufsschulpflicht vom 16. bis zum 21. Lebensjahr.

Das wäre nach Einschätzung der Bildungsforscher vor allem wichtig, weil über die Hälfte der 2015 nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge unter 25 Jahre alt ist, ein Viertel sogar unter 16. Flüchtlingskinder sollten nach Meinung der Wissenschaftler möglichst früh am regulären deutschsprachigen Schulunterricht teilnehmen.

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“Erhebliche Rückstände”

Unabhängig von der Flüchtlingskrise stellt der Aktionsrat Bildung unter Verweis auf die zahlreichen statistischen Untersuchungen zu diesem Thema fest, dass Kinder aus Einwandererfamilien generell schlechter in der Schule sind als deutschstämmige Kinder. Schüler nichtdeutscher Herkunft hätten «in allen Teilbereichen erhebliche Rückstände gegenüber Jugendlichen ohne Migrationshintergrund», heißt es in dem Gutachten.

Der Anteil der Migranten ohne berufsqualifizierenden Bildungsabschluss liegt laut Aktionsrat bei 38 Prozent, bei Deutschen sind es vergleichsweise niedrige 14 Prozent. Andererseits sind Jugendliche aus Einwandererfamilien häufig ehrgeiziger als ihre einheimischen Altersgenossen: «Junge Migranten haben in aller Regel höhere Bildungs- und Ausbildungsaspirationen als deutsche Jugendliche mit vergleichbarem sozialen Hintergrund», schreiben die Bildungsforscher – «ein sehr günstiges Bild für die motivationalen Tendenzen».

Um Kinder aus Einwandererfamilien besser in den Schulen einzugliedern, seien Maßnahmen wünschenswert, die die Kinder zum aktiven Gebrauch der deutschen Sprache anregen wie zum Beispiel Gruppenarbeiten. Zudem sollten Lehrer in den Naturwissenschaften weniger Fachwörter nutzen – damit Kinder, die in der deutschen Sprache nicht sicher sind, ermöglichen, dem Unterricht besser folgen können. Zudem sollten Migranten-Schüler nach Möglichkeit in Ganztagsschulen unterrichtet werden. Auch eine Kindergartenpflicht wird vorgeschlagen.

Masterplan gefordert

Bund und Ländern empfiehlt das Gutachten einen deutschlandweiten «Masterplan Bildungsmigration». Angesichts der hohen Zahl von Einwanderern dulde das «keinen Aufschub», erklärte der Aktionsrats-Vorsitzende Lenzen vorab. Im Jahr 2014 kam laut Gutachten deutschlandweit bereits mehr als ein Drittel (35,3 Prozent) aller Kinder im Grundschulalter aus Familien mit Migrationshintergrund.

Ein solcher Masterplan sollte laut Gutachten zum Ziel haben, dass Einwanderer in Sachen Bildung zur einheimischen Bevölkerung aufschließen und insbesondere die hohe Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss gesenkt wird. Der Aktionsrat empfiehlt der Politik auch, sich verstärkt um die Hochschulen zu kümmern. Im Jahr 2025 hätten bereits 40 Prozent aller Studienanfänger einen ausländischen Pass, wird in dem Gutachten prophezeit.

“Zu Lasten der deutschsprachigen Schüler”

Kritik kam von Josef Kraus, dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, insbesondere zu den Vorschlägen,  Lehrer sollten sich im Unterricht einer einfachen Sprache bedienen und es solle vereinfachte berufliche Bildungsgänge für Flüchtlinge geben. Kraus: „Eine Absenkung des Sprachniveaus und der Ansprüche in der beruflichen Bildung wäre antiintegrativ. Eine vereinfachte Unterrichtssprache mag im Moment die Integration erleichtern, später aber beim Übergang in berufliche oder akademische Bildung werden die Hürden dadurch höher. Außerdem ginge eine sprachliche Verarmung auch zu Lasten der deutschsprachigen Schüler.“ Das Ziel einer Verringerung des Leistungsabstandes zwischen deutschen und zugewanderten Schülern könne nicht durch Absenkung von Ansprüchen erreicht werden. „Am Ende wären alle Schüler die Verlierer. Das Gleiche gilt für eine ‚Berufsausbildung light‘, die den Einstieg in den Arbeitsmarkt erschwert und für die auf dem Markt eigentlich kein Bedarf besteht“, befand Kraus.

VBE-Vorsitzender Udo Beckmann betonte: „Die neuesten Erkenntnisse beweisen: Bildung bleibt der Schlüssel für Integration. Damit jeder Schüler, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund, individuell gefördert werden kann, muss die Politik handeln. Eine hohe Lehrer-Schüler-Relation und das damit einhergehende Unterrichten in zu großen Klassen und zu kleinen Räumen darf nicht länger hingenommen werden.“ Um den aktuellen Lehrermangel zu bekämpfen und nach der Aufnahme von Hunderttausenden von Flüchtlingskindern wieder eine adäquate Relation herzustellen, fehlten bundesweit deutlich über 20.000 Lehrkräfte. Beckmann forderte daher: „Die steigende Schülerzahl darf nicht durch größere Klassen kompensiert werden, sondern muss zu massiven Neueinstellungen und der stärkeren Berücksichtigung von Heterogenität und Diversität in der Lehrerausbildung führen.“ News4teachers / mit Material der dpa

Zum Bericht: Was müssen wir da eigentlich schaffen? Vorsitzender des Aktionsrats Bildung warnt: Geringes Bildungsniveau der Flüchtlinge gefährdet Integration

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