Schon eine Nominierung gilt als Erfolg. 14 Schulen sind in der engeren Auswahl für den Deutschen Schulpreis, der am Mittwoch verliehen wird. Aber nicht alle Lehrer sehen den Preis unkritisch. Dabei geht es vor allem um den Maßstab der Bewertung.
BERLIN. 100.000 Euro warten auf den Gewinner des Deutschen Schulpreises, der am 8. Juni in Berlin verliehen wird. Im zehnten Jahr des Preises sind 14 Schulen nominiert – zwölf deutsche Schulen aus acht verschiedenen Bundesländern und erstmals drei deutsche Auslandsschulen. Um für den Deutschen Schulpreis nominiert zu werden, müssen die Bewerber eine Reihe von Kriterien erfüllen, die in sechs Bereiche gegliedert sind: Leistung, Umgang mit Vielfalt, Unterrichtsqualität, Verantwortung, Schulklima und Schule als lernende Institution (siehe Infokasten unten). Die Schulen müssen in allen Bereichen mindestens gut, in einem Bereich weit überdurchschnittlich sein.
Nominierte Schulen 2016
Nominiert ist in diesem Jahr zum Beispiel die Grundschule auf dem Süsteresch in Schüttdorf (Niedersachsen). Diese Schule hat in der Vorauswahl überzeugt, weil es statt Frontalunterricht Platz und Zeit zum Selbstlernen gibt sowie Freiheit und Freiraum zum Ausprobieren der eigenen Kreativität. Außerdem sind schon seit zwölf Jahren geistig behinderte Kinder wie selbstverständlich ein Teil der Klassen und auch die Integration von Schülern, die erst noch Deutsch lernen müssen, ist seit Jahren gelebte Praxis.
Auch nominiert ist die Anna-Essinger-Gemeinschaftsschule in Berlin. Dort lernen Siebtklässler zusammen mit Acht-, Neunt- und Zehntklässlern, wie der Tagesspiegel berichtet: „Noten gibt es außerdem erst ab der Klassen neun. Und wenn die Schüler Lust haben, gehen sie auf den Flur und lernen dort – oder spielen eine Viertelstunde Tischtennis auf dem Hof.“ Das alles gehört zu einem Konzept, das den Schülern Vertrauen und Wertschätzung entgegen bringt.
Auswahlverfahren und Gewinner 2015
Damit erfüllen die zwei beschriebenen Schulen die Anforderungen des Schulpreises. „Vielen Schulen in Deutschland gelingt es, für Lernen zu begeistern und Schule als Ort des Staunens zu gestalten. Sie setzen Kreativität frei, lassen Lust an Leistungen entstehen, stärken Lebensfreude und Lebensmut und erziehen zu Fairness und Verantwortung. Diese hervorragenden Schulen sind pädagogisch richtungsweisend. Damit ihre Konzepte und Ideen auch für andere Schulen wirksam werden können, brauchen sie öffentliche Aufmerksamkeit und Anerkennung“, heißt es auf der Internetseite des Deutschen Schulpreises, den die Robert Bosch Stiftung und die Heidehof Stiftung 2006 ins Leben gerufen haben.
2015 hatte die Gesamtschule Wuppertal-Barmen, an der etwa ein Drittel aller Schüler einen Migrationshintergrund hat, den Deutschen Schulpreis gewonnen. In der Begründung war die Rede von einem „herausragenden Schulklima“. „Ich habe selten eine Schule erlebt, an der Schüler, Lehrer und Eltern so respektvoll und wertschätzend miteinander umgehen“, zitierte Spiegel Online die Begründung des Jury-Sprechers Michael Schratz nach der Preisverleihung. Jeder Schüler sei für etwas verantwortlich – etwa als Pate für Jüngere, als Medienscout oder Schulsanitäter.
Kritik am Schulpreis: Politischer Preis?
Die Auswahl der nominierten Schulen wird jedoch seit Jahren immer wieder kritisch hinterfragt. Dabei geht es beispielsweise um die geringe Zahl der Gymnasien unter Nominierten und den Charakter der ausgezeichneten Schulen – der Preis ging in den letzten Jahren vor allem an Gemeinschafts- und Gesamtschulen. „Der ‚Deutsche Schulpreis‘ der Robert Bosch Stiftung erweist sich damit als Marketing-Mogelpackung für die gescheiterten Reformschulen und die überkommene Reformpädagogik der 68er-Generation des letzten Jahrhunderts“, kritisierte Walter Scheuerl, Abgeordneter der Hamburger Bürgerschaft, bereits 2013 in einer Pressemitteilung. „Der Öffentlichkeit wird durch irreführende Slogans wie: ‚Die besten Schulen Deutschlands‘ vorgegaukelt, es komme bei der Nominierung von Schulen auf echte Qualität an. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Auf Leistungs- und Lernergebnisse der Schüler kommt es nicht an“, heißt es weiter in der Mitteilung.
Auch 2015 wurde nach der Bekanntgabe des Gewinners vor allem in Online-Foren viel diskutiert. „Eine Gesamtschule? Liegt im Zeitgeist der ‚Erziehungswissenschaft‘- Mainstreamler. Im sozialen Brennpunkt? Macht sich in der derzeitigen Erziehungslehre ebenfalls gut“, schreibt ein Leser auf Spiegel-Online. Und auf News4teachers merkt ein User an: „Ist doch klar, alle Schulen fallen durch, die den einseitigen Vorstellungen der Jury nicht entsprechen.“ Dies impliziert, dass der Preis keine Auszeichnung für gute Leistung sondern eher Werbung für eine pädagogische Ideologie wäre – ein „politischer Preis“, wie viele Lehrer kritisieren.
Was soll bewertet werden: Engagement oder Leistung?
Bei der Debatte um eine einseitige politische Ausrichtung der Siegerschulen schwingt eine weitere Diskussion mit: Sollte die Leistung der Schüler nicht eigentlich mit bewertet werden? So schreibt ein Leser bei Spiegel-Online zur Gewinner-Schule in Wuppertal-Barmen: „Natürlich ist es ein schönes Zeichen der Anerkennung, wenn eine Schule, welche im schwierigen Umfeld ordentliche Arbeit leistet, dafür gewürdigt wird. Aber der Titel “beste Schule Deutschlands” sollte auch das Abschlussniveau der Schulabgänger mit einfließen lassen. Wenn die Schüler dieser Schule im Aufnahmetest für ein Medizin- oder Chemiestudium besser abschneiden würden als alle anderen, dann wäre der Preis in Ordnung. Es sind aber Zweifel angebracht.“
Ein anderer User schreibt: „Es hat schon seinen Grund, warum Schulen aus Bundesländern, aus denen nachweislich die besseren Leistungen kommen, nicht dabei sind aber solche Schulen aus den Bundesländern, die leistungsmäßig nicht oben stehen.“
Gegenstimmen: Unterschied zwischen Lernen und Leistung!
Die Initiatoren des Deutschen Schulpreises sagen es auf ihrer Internetseite selbst: Leistung ist nur eins von sechs Bewertungskriterien. Es geht den Initiatoren um Innovationsbereitschaft und ein Bildungsverständnis, das über reine Wissensvermittlung hinaus geht. Es geht also auch um das Konzept des Lernens und nicht nur um die Leistung, die am Ende herauskommt – das machen die Bosch Stiftung und die Heidehof Stiftung durchaus transparent.
„Es geht ja nicht um die BESTE Schule, sondern um die, die sich am meisten MÜHE gibt. Was dann letzten Endes wirklich dabei herauskommt, ist zweitrangig“, reagiert ein Leser auf die kritischen Kommentare unter dem Bericht von Spiegel Online. Ein anderer schreibt etwas drastischer: „DAS ist einfach nur ekelhaftes und hirnloses Gewäsch! Es geht darum, das meiste aus dem Potential der Schüler ‚herauszuholen‘ – nicht darum, möglichst viele 1er Abiturienten zu produzieren. Und das dann am besten noch in einer Atmosphäre, in der das Lernen Spaß macht.“
Keine Frage: Prestige-Gewinn für Schulen
Der Deutsche Schulpreis ist unter Lehrern zweifellos umstritten. Die Diskussion wird wohl auch in diesem Jahr – nach Bekanntgabe der Gewinner – geführt werden. Aber trotz aller Kritik muss festgehalten werden: in der breiten Öffentlichkeit wird der Schulpreis als positive Auszeichnung anerkannt. Andrea Albers schreibt ihn ihrem 2016 erschienenen Buch Schulwettbewerbe als Impuls für Schulentwicklung, dass die Anzahl journalistischer Beiträge mit Bezug zum Deutschen Schulpreis seit 2006 kontinuierlich angestiegen ist – und die meisten dieser Beiträge stellen den Deutschen Schulpreis positiv dar.
Daher gilt: Ob der Preis nun gerechtfertigt ist oder nicht, ob die Jury eine politische Ideologie bevorzugt oder nicht – den beteiligten Schulen bringt die Nominierung und vor allem die Auszeichnung eindeutig Renommee. Die angestrebte „öffentliche Aufmerksamkeit und Anerkennung“, die sich die Initiatoren des Preises gewünscht haben, wird den Schulen zu Teil. News4teachers
UMGANG MIT VIELFALT: In dieser Kategorie geht es unter anderem um die Frage, welche Mittel und Wege die Schulen gefunden haben, um mit unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen, Interessen und Leistungsmöglichkeiten ihrer Schüler umzugehen.
UNTERRICHTSQUALITÄT: Hier punkten Schulen, die dafür sorgen, dass die Schüler ihr Lernen selbst in die Hand nehmen, und die ein Lernen auch außerhalb der Schule ermöglichen, sowie Schulen, die den Unterricht und die Arbeit von Lehrern kontinuierlich verbessern.
VERANTWORTUNG: In dieser Kategorie wird geschaut, ob Schulen vom achtungsvollen Umgang miteinander, gewaltfreier Konfliktlösung und dem sorgsamen Umgang mit Sachen nicht nur sprechen, sondern dies im Alltag umsetzen.
SCHULKLIMA, SCHULLEBEN UND AUßERSCHULISCHE PARTNER: Hier geht es darum, ob die Schulen ein anregungsreiches Schulleben zu bieten haben und pädagogisch fruchtbare Beziehungen zu außerschulischen Personen und Institutionen sowie zur Öffentlichkeit pflegen.
SCHULE ALS LERNENDE INSTITUTION: Dabei steht die Frage nach der Zusammenarbeit im Lehrerkollegium und demokratischem Schulmanagement im Mittelpunkt. Zudem machen sich die Juroren ein Bild davon, wie es um Förderung der Motivation und Professionalität der Lehrer steht. dpa