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Sind Seiteneinsteiger die schlechteren Lehrer? GEW warnt vor sinkendem Unterrichtsniveau

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DRESDEN. Der wachsende Lehrermangel bringt immer mehr Menschen in den Schuldienst, die nicht aufs Lehramt studiert haben. Ein Problem? Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnt bereits, dass die massenhafte Übernahme von so genannten Seiteneinsteigern die Qualität des Unterrichts deutlich beeinträchtigen könnte.

Aus dem Labor ins Klassenzimmer – geht das mal eben so? Foto: Maia Weinstock / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Noch vor wenigen Jahren waren es vor allem Naturwissenschaftler aus der Wirtschaft, die ihren Arbeitsplatz im Labor gegen einen im Klassenzimmer tauschten und als so genannte Quer- oder Seiteneinsteiger in die Lehrerkollegien kamen. Die so genannten Mangelfächer waren eben vor allem Mathematik, Physik oder Chemie. Mittlerweile besteht Bedarf in vielen Fächern. Vor allem die vielen Flüchtlingskinder treiben die Schülerzahlen nach oben, und weil der Lehrer-Arbeitsmarkt weitgehend abgegrast ist (hier machen sich die jahrelangen Warnungen vor der Arbeitslosigkeit von Pädagogen bemerkbar), werden zunehmend Experten aus ganz unterschiedlichen Berufsfeldern als Lehrer eingestellt.

Beispiel Sachsen: Das Land hat große Schwierigkeiten, seine freien Lehrerstellen zu besetzten. Seit dem Sommer 2015 stellt der Freistaat verstärkt Lehrer ein, die nicht auf Lehramt studiert haben und vorher in einem anderen Beruf tätig waren. Beim jüngsten Einstellungstermin im Februar seien bereits zwei Drittel aller an Oberschulen Eingestellten nicht für diese Schulart qualifiziert gewesen, rechnet die GEW vor. „Sachsen ist dabei, seinen Spitzenplatz bei PISA gegen die Goldmedaille in der Disziplin Einstellung von nicht ausreichend qualifizierten Menschen einzutauschen“, erklärt die Landesvorsitzende der Gewerkschaft, Ursula-Marlen Kruse, einem Bericht der „Leipziger Volkszeitung“ zufolge. Hintergrund: Sachsen liegt in der Ergänzungsstudie PISA-E, in der die Bundesländer verglichen werden, vorne.

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Verfehlte Personalpolitik

Für Kruse ist der Lehrermangel im Land ein klares Zeichen für eine jahrelange verfehlte Personalpolitik. Angesichts des sich „rasant steigernden Desasters“ komme Sachsen derzeit nicht um die Einstellung von Designern, Trainern, Offizieren, Musikern oder Chemikern in den Schuldienst herum, so die GEW-Landesvorsitzende. „Die Menschen bringen sicher guten Willen mit. Es reicht allerdings nicht aus, gern mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten – wie die Ministerin sagt“, betont Kruse. „Für eine erfolgreiche Arbeit mit Kindern sind pädagogische, didaktische und methodische Kenntnisse unerlässlich.“ Es sei deshalb dringend erforderlich, Seiteneinsteiger vor dem Einsatz im Unterricht zu qualifizieren – was nicht in ausreichendem Maß erfolge. „Die Rechnung bezahlen am Ende die Kinder und Jugendlichen, deren Bildungschancen sich in einigen Schularten rapide verschlechtern“, warnt die Gewerkschafterin.

Die sächsische Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) hingegen hatte erst in der vergangenen Woche darum geworben, Seiteneinsteiger nicht als Lehrer zweiter Klasse abzutun – im Gegenteil, sie könnten eine Bereicherung für die Lehrerschaft sein. «Das sind Fachleute, die aus ihrem Berufsleben eine andere Facette in den Unterricht einbringen», sagte die Ministerin. Kurth: «Diejenigen, die gern mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, kommen auch gut im Unterricht zurecht.» Es gebe natürlich auch einige, die nach einer Zeit feststellten, dass der Lehrerberuf nicht der richtige für sie sei. Man habe bereits Lehren aus der ersten Einstellungsphase gezogen. Die Seiteneinsteiger würden nun in der Anfangsphase intensiver begleitet.

Nicht aus der Not heraus

Bereits im vergangenen Jahr hatte Ilka Hoffmann, Mitglied im GEW-Bundesvorstand, das Thema Seiteneinsteiger angesprochen. Die Entscheidung, Lehrer zu werden, sollte nicht aus der Not heraus fallen, so riet sie seinerzeit Interessenten – etwa, weil sie keinen anderen Job finden. Dafür sei der Beruf Lehrer zu fordernd. Wer sich ernsthaft für den Arbeitsplatz Klassenzimmer interessiere, absolviere am besten vorab eine Hospitanz in der Schule. So merkten Quereinsteiger am ehesten, ob ihnen die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen liegt.

Wer gut vorbereitet den Start in den Beruf wage, habe jedoch gute Chancen: «Wenn die Motivation stimmt, gehen die Quereinsteiger ihren Weg und kommen klar», erzählte Hoffmann, die selbst viele Jahre an einer Gemeinschaftsschule unterrichtet hat und mit einigen Quereinsteigern zusammengearbeitet hat. Agentur für Bildungsjournalismus

Hier geht es zu der ZDF-Doku “Lehrer über Nacht” über die Erfahrungen von zwei Seiteneinsteigern.

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