Ein Kommentar von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.
Zugegeben: Der jetzt vom Amtsgericht Neuss verurteilte Musiklehrer hat mit seinem Disziplinierungsversuch keinen pädagogisch sattelfesten Eindruck hinterlassen. Sich mit dem Stuhl vor der Klassenzimmertür aufzubauen und Schüler erst dann hinauszulassen, wenn sie die geforderte Stillarbeit erledigt haben, zeugt von wenig Souveränität. Ihn deshalb aber wegen „Freiheitsberaubung“ zu verurteilen, erscheint gewaltig überzogen, auch wenn die Verurteilung lediglich mit einer Verwarnung und einer Fortbildungsauflage verbunden ist. Der Mann ist Lehrer – kein Kidnapper.
Das Fatale an diesem Urteil ist die Signalwirkung: Lehrkräfte sehen sich ohnehin schon einer in Teilen zunehmend aggressiven Schüler- und Elternschaft gegenüber, deren Klagebereitschaft durch ein solches Urteil noch befördert wird. Die Verunsicherung in den Kollegien dürfte dadurch gehörig wachsen.
Die Schulaufsicht täte jetzt gut daran, sich schützend vor den verurteilten Pädagogen zu stellen – und ihn jetzt nicht noch ein zweites Mal zu sanktionieren. Zu erwarten ist allerdings das Gegenteil: Die Bezirksregierung prüft, ob sie ein Disziplinarverfahren einleitet. Dies hänge maßgeblich vom weiteren Verlauf des Strafverfahrens ab, hieß es vor dem Urteil. Das bedeutet wohl: Aufgrund seiner Verurteilung droht dem Mann jetzt eine weitere Strafe, wahrscheinlich ein Verweis. Ein bisschen viel für eine aus dem Ruder gelaufene Unterrichtsstunde, die sich wie ein bewusst von Schülerseite hochgeschaukelter Alltagskonflikt ausnimmt.
Allein schon, dass sich ein deutsches Gericht mit einem solchen – mit Verlaub – Quatsch beschäftigt, zeigt die zunehmende Schieflage im pädagogischen Betrieb. Selbst wenn der betroffene Lehrer in diesem Fall einen Fehler gemacht hat (hat er wohl) – wie viel Toleranz wird denn umgekehrt den Lehrkräften abverlangt, wenn’s um das Schülerverhalten geht? Sollen andersherum Pädagogen künftig jeden Schüler, der sich im Unterricht gravierend daneben benimmt, vor Gericht zerren? Oder jedes Elternteil, das impertinent und beleidigend in der Schule auftritt? Dann bekäme die Justiz aber gut mit Fällen aus der Schule zu tun.
Was wir brauchen, sind – im besten Sinne – selbstbewusste Lehrer, die sich Kindern und Jugendlichen, wahrlich keine einfache Klientel heutzutage, gewachsen zeigen. Dieses Urteil bewirkt das Gegenteil.