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Strukturdebatte droht – scheitert NRW-Schulkonsens am Turbo-Abitur?

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DÜSSELDORF. Erst im vergangenen Schuljahr hatte Nordrhein-Westfalens Landesregierung beschlossen, am Turbo-Abitur festzuhalten. Ab dem kommenden Halbjahr sollte getestet werden, ob die beschlossenen Entlastungsmaßnahmen für die Gymnasien greifen. Nun droht der kommende Wahlkampf Schulministerin Löhrmann zu überholen. Die Stimmen, die eine Rückkehr zu G9 fordern werden lauter.

Könnte es in Nordrhein-Westfalen eine Rückkehr zu neun Jahren Gymnasium (G9) geben? Diese Frage bewegt Zigtausende Eltern, Lehrer und Schüler im Land. Befeuert wird sie vor allem von der Kehrtwende der Landeselternschaft der Gymnasien zurück zu G9. Bei der traditionellen Pressekonferenz der Schulministerin kurz vor Ende der Sommerferien ließ die Debatte um das «Turbo-Abitur» denn auch alle anderen Themen wie Zuwanderung, Inklusion oder Ganztag in den Hintergrund treten.

Den nordrhein-westfälischen Gymnasien droht Wahlkampfwirbel. Foto: Peter Gugerell / Wikimedia Commons

Nicht zur Freude von Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne). «Wir befinden uns wieder einmal mitten in einer Strukturdebatte, statt die Arbeit an Inhalten und Qualität in den Vordergrund zu stellen», merkte die Grüne am Freitag in Düsseldorf an. «Wenn nicht Landtagswahlen wären, hätten wir die Debatte nicht.»

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Landtagswahlen stehen aber nun mal in knapp neun Monaten an. Und da wird die Unzufriedenheit mit dem «Turbo-Abitur» absehbar ein Wahlkampfschlager der Opposition. Zwei Parteien haben sich bereits klar positioniert: Die Piraten wollen zurück zu G9. Die FDP will Wahlfreiheit für die Gymnasien. In den übrigen Parteien gärt und brodelt es – auch die Jugendorganisationen von SPD und Grünen sind gegen G 8.

Löhrmann äußert sich vorsichtig. «Es geht nicht um mich», wehrt die erfahrene Politikerin Fragen nach einer möglichen Kehrtwende ab. «Nicht ich entscheide am grünen Tisch. Ich arbeite nach dem größtmöglichen Konsensprinzip.» Daher wolle sie um die Herbstferien herum alle relevanten Verbände und Interessenvertreter erneut am Runden Tisch zusammenrufen.

Ende 2014 war es Löhrmann gelungen, die meisten Eltern- und Lehrerverbände sowie Landtagsparteien auf einen Grundkonsens einzuschwören. Der wurde in ein 10-Punkte-Papier zur Optimierung des Turbo-Abis gegossen. Zum Schuljahr 2015/16 sind Neuregelungen in Kraft getreten – unter anderem zur Begrenzung von Hausaufgaben, Nachmittagsunterricht und Klassenarbeiten.

Doch die Verbesserungen kamen offenbar vielerorts nicht an. Nach einer Online-Befragung, die sich an Eltern mit Kindern im Gymnasium richtete, vermeldete die Landeselterschaft 88 Prozent Zustimmung für die Rückkehr zu G9 bei über 26 000 ausgewerteten Fragebögen. Jetzt hat der Verband Vorschläge für den schrittweisen Abschied vom Turbo-Abi vorgelegt.

«Ich möchte wissen, was die anderen Beteiligten davon halten», begründete Löhrmann die neuerliche Einberufung des Runden Tisches. Ein weiterer Teilnehmer hat sich bereits deutlich geäußert: «Die Befriedung des achtjährigen Gymnasiums ist gescheitert», hatte der Lehrerverband Bildung und Erziehung die Umfrage zum Turbo-Abitur im Frühjahr kommentiert.

Damit ist klar: Der Konsens bröckelt. Und die bevorstehende Landtagswahl setzt Rot-Grün unter Zugzwang. Zumal NRW im jüngsten Bildungsvergleich des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft wieder nur einen 14. Platz von 16 Bundesländern belegt.

«Veränderungen müssen durchdacht, umsichtig geplant und sorgfältig umgesetzt werden», mahnt Löhrmann. Auf diesem Weg sei die Landesregierung, und zwar sowohl bei der Verbesserung der Schulzeitverkürzung als auch beim Ausbau des Ganztagsabgebots, der Lehrerstellen, der Unterrichtsversorgung für Flüchtlingskinder und der Inklusion behinderter Schüler.

Die Opposition überzeugt das nicht. «Löhrmann blendet Probleme ihrer Bildungspolitik konsequent aus», kritisierte die Bildungsexpertin der FDP-Landtagstagsfraktion Yvonne Gebauer. Der Verband Lehrer NRW sieht das ähnlich: «An den Schulen herrscht große Unruhe», warnte er in einer Mitteilung. «Löhrmann verkennt den Ernst der Lage.» Ihre Antwort auf die Probleme sei unzureichend: «Alles-ist-gut-Rhetorik, garniert mit hübschen Zahlen.» (dpa)

• zum Bericht: 3 Jahre Schulkonsens – VBE NRW zieht Bilanz
• zum Bericht: Erst bei 40 Gymnasien, dann bei allen: NRW-Schulministerium überprüft Entlastung im Turbo-Abi

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