KIEL/STUTTGART. Fleißige Lehrer und eine solide Schulstruktur auf der einen Seite, Unruhe im Bildungssystem und Qualitätsprobleme auf der anderen: Auf- und Absteiger des Kompetenz-Rankings in einer Gegenüberstellung.
In Bildungsvergleichen hat SCHLESWIG-HOLSTEIN lange schlecht abgeschnitten. Nun bringen die Neuntklässler das Land im Norden mit guten Test-Leistungen in Deutsch und Englisch unter die Top 3. Das von SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband regierte Land Seite an Seite mit den unions-geführten, traditionell auf Leistung setzenden Bayern und Sachsen – wie konnte das geschehen?
Eine klare Antwort aus Kiel gibt es nicht, aber einige Bausteine. Zum einen spielt Qualität eine größere Rolle, seit die Schulstruktur mit Gymnasien und Gemeinschaftsschulen steht und nicht angetastet wird. Das akzeptierte Zwei-Säulen-Modell biete einen guten Rahmen, um sich auf die Verbesserung der Qualität zu konzentrieren, sagt Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Britta Ernst (SPD).
Sie sieht auch eine Bestätigung für Programme wie «Lesen macht stark – niemanden zurücklassen». Darüber seien mit Lesemappen 77 000 Schüler gefördert worden, mit 600 sogenannten Lesecoaches im Einsatz.
Eine wichtige Rolle spielt auch ausgeprägter Fortbildungsfleiß der Lehrer im Norden. Von den Befragten sagten 87 Prozent, sie nähmen regelmäßig an Fortbildungen teil. Dieses hohe Engagement der Lehrer macht offenkundig zum Teil auch wett, dass der Norden bei den Ausgaben je Schüler noch hinterherhinkt.
Die Bildungsgewerkschaft GEW fügt anerkennend hinzu, an den seit 2007 eingeführten Gemeinschaftsschulen gebe es mehr Lernzeit und Differenzierungsmöglichkeiten als davor an Haupt- und Realschulen. Der gemeinsame Unterricht führe zudem dazu, dass leistungsschwächere Schüler von den besseren lernen.
In BADEN-WÜRTTEMBERG ist der Katzenjammer groß. Vom erfolgsverwöhnten Primus hat sich das Land in Richtung der Schlusslichter entwickelt. Vor den niederschmetternden Ergebnissen der IQB-Bildungsstudie im Fach Deutsch hatten bereits zwei andere Untersuchungen dem Land jüngst attestiert, es hinke beim Ausbau von Ganztagsschulen hinterher.
Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) steht kurz nach Beginn ihrer Amtszeit vor großen Herausforderungen. Vor allem will sie der Frage auf den Grund gehen, ob die Lehrkräfte effizient genug eingesetzt sind. Dabei hofft sie auf Hilfe vom Landesrechnungshof, der den Ressourceneinsatz überprüften soll.
Anders als Parteikollegen gefällt sich die Christdemokratin nicht darin, mit dem Finger nur auf ihre Vorgänger zu zeigen. Da die Kompetenzen der Neuntklässler im Mittelpunkt standen, kann weder die von Grün-Rot eingeführte Gemeinschaftsschule verantwortlich für das Desaster sein, noch der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung, verbunden mit der Möglichkeit einer Ablehnung durch die jeweilige Schule.
Dennoch wird das Thema im «Ländle» für parteipolitische Scharmützel genutzt. Die oppositionelle FDP-Fraktion spricht von der «giftigen Saat einer linksideologischen Schulpolitik», die jetzt aufgegangen sei. CDU-Fraktionsvize Winfried Mack sieht in den einst von Grün-Rot initiierten Reformen an einer ehemals funktionierenden und leistungsstarken Schulstruktur den Grund für das Abrutschen im bundesweiten Ranking. Und auch der Philologenverband hält die «massive Umgestaltung der Schulstruktur» unter der jetzt durch Grün-Schwarz abgelösten Regierung für die Ursache von Verlusten.
Eisenmann hält sich mit schnellen Urteilen über das Ranking-Fiasko zurück. Es gebe an den Schulen im Südwesten ein Qualitätsproblem, «Hauruck-Antworten» will sie aber nicht geben. «Die Studie führt uns drastisch vor Augen, dass wir uns auf die Kernkompetenzen konzentrieren sollten, statt immer mehr Schulversuche zuzulassen», sagt die CDU-Frau. Wolfgang Schmidt und Julia Giertz, dpa