DÜSSELDORF. Stünde das Fach Englisch im Mittelpunkt der (nächste Woche wieder neu erscheinenden) PISA-Studie, dann gäbe es eine gute Nachricht für Deutschland: Wir sind – fast – Weltspitze! Denn in einer internationalen Vergleichsstudie, die 72 Staaten umfasst, liegt die Bundesrepublik auf Platz neun und führt mit Österreich die Gruppe der Staaten mit „guten Kenntnissen“ an. „Sehr gute Kenntnisse“ weisen allesamt kleine Länder mit einer hoch internationalisierten Wirtschaft und Kultur (sowie einem nur selten synchronisierten Fernsehprogramm) auf. Heißt also: Der Englisch-Unterricht in den deutschen Schulen scheint hervorragend zu sein. Unseren Englisch-Lehrern gelingt es (mit) am besten, ihre Schüler mit sprachlichen Grundlagen für das spätere Berufsleben auszustatten.
Nun steht bei PISA Englisch nicht im Mittelpunkt, dafür aber eben bei der genannten Studie, die der nach eigenen Angaben weltweit größte Anbieter für internationale Bildungsprogramme EF Education First (EF) aufgelegt hat. Für dessen bereits sechsten English Proficiency Index (EPI) wurden die Daten drei unterschiedlicher Englischtests ausgewertet, die weltweit von insgesamt 950.000 Erwachsenen absolviert wurden. Ergebnisse: Von allen Nicht-Muttersprachlern weltweit beherrschen die Niederländer die englische Sprache am besten. Deutschland nimmt im diesjährigen Ranking den neunten Platz ein. Hamburg führt – wie bereits im Vorjahr – sowohl im Ranking der deutschen Städte als auch der Bundesländer. Parallel zum EF EPI erscheint 2016 auch der EF EPI-c, der das Englisch-Sprachniveau von Unternehmen weltweit vergleicht. Hier zeigt sich, dass Mitarbeiter weltweit nur mittelmäßig Englisch sprechen. Pikantes Detail: Mitglieder des mittleren Managements schneiden generell besser ab als ihre Vorgesetzten.
Auf den ersten zehn Positionen des EF EPI sind 2016 wieder fast ausschließlich europäische Länder zu finden. Einzige Ausnahme ist Singapur auf Platz 6. Spitzenreiter sind, wie gesagt, die Niederlande mit 72,16 Punkten, direkt gefolgt von Dänemark (71,15). Vorjahressieger Schweden ist auf den dritten Platz zurückgefallen (70,81). Deutschland rangiert mit 61,58 Punkten auf Platz 9 – hinter Österreich (62,13) und vor Polen (61,49). Im Vergleich zum Vorjahr konnte sich Deutschland um zwei Positionen verbessern und liegt damit deutlich vor dem Nachbarland Schweiz (Rang 14) sowie vor Spanien (Rang 25), Italien (Rang 28) und Frankreich (Rang 29).
Hinsichtlich des Geschlechts zeichnet sich in Deutschland dasselbe Bild ab wie im internationalen Vergleich: Frauen schneiden bei den Englischkenntnissen generell besser ab. Zudem zeigt die Studie einen Zusammenhang zwischen den Englischkenntnissen der Bevölkerung eines Landes und dem jeweiligen Pro-Kopf-Einkommen. Auch die Verfügbarkeit des Internets und die Bildungsausgaben spiegeln sich im Sprachniveau der einzelnen Länder wider.
Regional gibt es in Deutschland große Unterschiede, wobei das Saarland und die neuen Bundesländer Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt am schlechtesten abschneiden. Angeführt wird die Liste wie schon in den Vorjahren von den beiden Stadtstaaten Hamburg (64,86) und Bremen (64,20). Auf den Plätzen drei bis fünf folgen Niedersachsen, Baden-Württemberg und Berlin. Bayern ist vom fünften auf den neunten Platz abgerutscht. Im Städtevergleich führt erneut Hamburg die Liste an, gefolgt von Bremen, Köln und München. Düsseldorf liegt auf Platz 5.
“Deutliches Stadt-Land-Gefälle”
„Die Deutschen sprechen gut Englisch, allerdings zeigt sich ein deutliches Gefälle zwischen Stadt und Land“, sagt Niklas Kukat, Geschäftsführer von EF in Deutschland. “Deutsche Großstädte schneiden zum Teil deutlich besser ab als die Bundesländer, in denen sie sich befinden. Besonders stark zeigt sich dies an den Städten Köln, Frankfurt und München, die mehr als zwei Prozentpunkte vor ihren Bundesländern liegen“, so Kukat.
Zeitgleich mit dem EF EPI wird dieses Jahr zum dritten Mal der EF EPI-c (English Proficiency Index for Companies) veröffentlicht. Die alle zwei Jahre erscheinende Studie vergleicht das Englisch-Sprachniveau von Unternehmen weltweit. Für den EF EPI-c wurden 510.000 Angestellte von 2.078 Firmen aus 16 Branchen in 40 Ländern getestet.
Auch beim EF EPI-c schneiden die europäischen Länder am besten ab. Die lateinamerikanischen Staaten bilden das Schlusslicht. Insgesamt verfügen die befragten Mitarbeiter nur über ein mittelmäßiges Englisch-Sprachniveau, wobei weibliche Erwerbstätige – außer auf der Stufe des Executive Managements – besser Englisch sprechen als ihre männlichen Kollegen. „Auffallend ist, dass Mitglieder des mittleren Managements über bessere Englischkenntnisse verfügen als deren Vorgesetzte im Top-Management“, sagt Silke Müller, Managing Director von EF Corporate Language Training in Deutschland. „Dies ist sicher auf den Generationen-Unterschied zurückzuführen und die schlechtere Sprachausbildung in der Vergangenheit.“
Erstaunlich schlecht schneiden in der Studie die international agierenden Branchen Luftfahrt und Logistik ab. Letztere bildet nach dem Bildungswesen (!) und dem öffentlichen Sektor sogar das Schlusslicht im Branchen-Ranking. Spitzenreiter sind die Bereiche Consulting & Professional Services sowie Maschinenbau. Für Firmen mit einem Umsatz von 10 bis 60 Milliarden Dollar scheinen Englischkenntnisse besonders wichtig zu sein. Sie erzielten die besten Ergebnisse und ließen internationale Großkonzerne und kleinere Unternehmen hinter sich.
Die Studie EF EPI-c zeigt laut Veranstalter, „von welcher Relevanz Englischkenntnisse für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen sind, da sie sich positiv auf Innovationskraft, Transparenz und Geschäftsabläufe auswirken. Auch die Mitarbeiter profitieren, denn gerade in Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit können gute Englischkenntnisse dazu beitragen, eine Stelle zu finden oder zu behalten“.