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Minister: „Seiteneinsteiger als Lehrer willkommen“ – VBE warnt hingegen vor “wachsender pädagogischer Deprofessionalisierung”

BERLIN. Brandenburgs Bildungsminister Günter Baaske (SPD) sah sich angesichts der wachsenden Kritik bereits zu einer Klarstellung genötigt: „Seiteneinsteiger als Lehrer sind uns willkommen“, betonte er. Sein Bundesland habe gute Erfahrungen mit Lehrern gemacht, die ohne vollständige pädagogische Qualifikation ihren Schuldienst antraten. Unter den fast 19.000 Pädagogen an den märkischen Schulen seien mittlerweile fast 1400 Seiteneinsteiger. Gut die Hälfte arbeite bereits seit 25 Jahren im Schuldienst – übernommene DDR-Lehrer, die keine ausreichende Qualifikation hatten. Von den übrigen Seiteneinsteigern haben Baaske zufolge zwischen 200 und 300 keinen akademischen Abschluss, sind aber Fachkräfte wie Meister. Brandenburg werde weiter auch um Seiteneinsteiger werben, um Lehrerstellen besetzen zu können. Kritischer sieht der Lehrerverband Bildung und Erziehung die Situation, die bundesweit zum Thema wird.

Immer mehr Fachleute ohne pädagogische Ausbildung kommen in die Schulen – ein Problem? Foto: nchenga / flickr (CC BY-NC 2.0)

„Der Lehrermangel hat Deutschland fest im Griff, weswegen immer mehr Seiteneinsteiger eingestellt werden. Was ursprünglich als Notlösung gedacht war, ist längst zum Dauerzustand geworden. Vereinzelt sind bereits die Hälfte der Neueinstellungen Seiteneinsteiger, zum Beispiel im Grundschulbereich in Sachsen. Das Kernproblem ist, dass zunehmend Personal eingestellt werden muss, das gar nicht oder zumindest nicht ausreichend vorqualifiziert ist. Das wird noch nicht absehbare Folgen haben, denn Integration und Inklusion führen dazu, dass es in der Schule immer mehr Kinder gibt, die auf Personal mit besonders hoher pädagogischer Ausbildung angewiesen sind“, mahnt VBE-Vorsitzender Udo Beckmann.

Der anhaltende Lehrermangel in der Grundschule und den Schulformen der Sekundarstufe I zwingt Schulleitungen zur Einstellung von Seiteneinsteigern. Beckmann unterstreicht: „Bei der Besetzung offener Stellen haben Schulleitungen keine Alternative. Der Vorwurf geht an die Politik, die sich gerne hinter dem Mehrbedarf, der durch die Zuwanderung entstanden ist, versteckt. Fakt ist aber, dass die Politik jahrelang keine Vorsorge getroffen hat, sondern blind auf rückläufige Schülerzahlen gesetzt hat. Die Pensionierungswellen waren vorherzusehen, auch die durch Inklusion entstehenden personellen Anforderungen. Jetzt Seiteneinsteiger zum einen in großer Zahl und zum anderen ohne ausreichende pädagogische Vorqualifizierung an die Schulen zu schicken, ist keine Lösung des Problems.“

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Lehrermangel treibt Blüten: Nach Seiteneinsteigern und Pensionären kommen jetzt auch Studierende in die Kollegien

Eine Herausforderung für das Lehrerkollegium sei, dass die Seiteneinsteiger in Mentorenprogrammen betreut, unterstützt und begleitet werden müssten, bis sie in ihrem neuen Aufgabenfeld zurechtkommen. Der VBE-Chef macht deutlich: „Für die im System befindlichen Lehrkräfte bedeutet die vermehrte Einstellung von nichtpädagogischem Personal deshalb eine weitere Aufgabe, die in der Regel ohne zusätzliches Zeitkontingent einfach draufgesattelt wird. Die Politik schafft mit der Lösung Seiteneinstieg weitere Probleme. Ohne Gelingensbedingungen, wie Kooperationszeit für Lehrkräfte und Seiteneinsteiger sowie entsprechende Vorqualifikation wird es nicht gehen.“

Er unterstreicht aber auch: „Damit ich nicht missverstanden werde: Wir haben vollen Respekt für alle Personen, die nicht pädagogisch vorqualifiziert sind und sich den Herausforderungen der Schule stellen wollen. Durch ihre persönlichen und beruflichen Erfahrungen in anderen Berufsfeldern können sie zudem durchaus einen Mehrwert für den Schulbereich bringen. Für die Seiteneinsteiger ist es jedoch unerlässlich, bevor sie das erste Mal vor der Klasse stehen, angemessen qualifiziert zu werden, da es ihnen in der konkreten Unterrichtssituation mehr Sicherheit im Handeln gibt und einen leichteren Start in der Schule ermöglicht.”

Fachleute ohne pädagogische Ausbildung: Tausende Seiteneinsteiger strömen in die Schulen – ein Problem?

Der VBE-Bundesvorsitzende erläutert: „Kinder brauchen gute Pädagogen. Der Forscher John Hattie predigt: Auf den Lehrer kommt es an. Dafür wurde er von der Politik gefeiert. Hier entsteht ein Widerspruch!“ Der VBE fordert eine mindestens halbjährige Intensivausbildung, bevor die Quereinsteiger selbst unterrichten und danach eine berufsbegleitende Weiterqualifizierung. Zudem wird es höchste Zeit, dass alle Länder sich verpflichten, Lehrkräfte entsprechend des eigenen Bedarfs (und der Schulformen) auszubilden, anstatt auf Abwerbung aus anderen Ländern zu setzen. „Hier bedarf es einer Selbstverpflichtung der Länder in der Kultusministerkonferenz. Der Lehrerklau muss aufhören“, so Beckmann.

Teil der Lösung des Problems sei auch, die Attraktivität des Lehrerberufs zu steigern durch eine gesamtgesellschaftliche Anerkennung pädagogischer Berufe, eine bessere Bezahlung und aufgabengerechte Arbeitsbedingungen, zum Beispiel durch die Unterstützung der Schulen durch multiprofessionelle Teams. Agentur für Bildungsjournalismus

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