FRANKFURT. Fast jeder zehnte Fünftklässler in Deutschland weist tiefere Beeinträchtigungen des subjektiven Wohlbefindens auf. Zu diesem Ergebnis kommen Frankfurter Forscher in einer Studie. Schon früh zeigen sich dabei Geschlechterrollenbilder.
«Teenager, die sich als Teil einer Schulgemeinschaft fühlen und gute Beziehungen mit ihren Eltern und Lehrern pflegen, werden mit größerer Wahrscheinlichkeit bessere schulische Leistungen erbringen und insgesamt glücklicher sein», schreibt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in der jüngst veröffentlichten Sonderauswertung «Wohlbefinden» zur PISA-Studie.
Insgesamt fühlten sich demnach die deutschen Schüler relativ wenig gestresst von der Schule. Einer Studie des Forschungszentrums Demografischer Wandel (FZDW) der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) zufolge, weist allerdings fast jedes zehnte Schulkind im Alter von 12 bis 13 Jahren ein geringes subjektives Wohlbefinden auf.
PISA-Report: Deutsche Schüler sind relativ wenig ehrgeizig – Schleicher: Eltern müssen hinsehen
Die Forscher werteten Daten ihrer Studie „Gesundheitsverhalten und Unfallgeschehen im Schulalter“ (GUS) unter dem Gesichtspunkt „Depression“ aus. Im Rahmen dieser Untersuchung werden seit dem Schuljahr 2014/15 mehr als 10.000 Schülerinnen und Schüler der 5. Jahrgangsstufe an knapp 150 Schulen in ganz Deutschland jährlich mit einem Fragebogen im Klassenverbund befragt.
Aus den Daten der ersten beiden Befragungen lässt sich erkennen, dass 8,3 Prozent der Schulkinder zu beiden Befragungszeitpunkten angegeben haben, an mindestens einem Tag in der letzten Woche traurig gewesen zu sein und sich unglücklich und deprimiert gefühlt zu haben. „Dass Kinder mal äußern, traurig und unglücklich zu sein, ist nicht weiter ungewöhnlich. Wenn man dies aber wiederholt berichtet, zeigt sich eine tiefergehende Beeinträchtigung des subjektiven Wohlbefindens und der Lebensfreude“, kommentieren Prof. Dr. Andreas Klocke und Dr. Sven Stadtmüller vom FZDW.
Laut der Untersuchung leiden Mädchen (zu 10,6 Prozent) weitaus häufiger an diesen Symptomen als Jungen (zu 5,6 Prozent). Dies mag damit zusammenhängen, dass bereits bei den Kindern Rollenbilder der Geschlechter greifen: „Männer sprechen häufig nicht so gerne über ihre Ängste und Gefühle. Daher trauen sich Jungen vielleicht weniger, diese negativen Emotionen bei einer solchen Befragung preiszugeben, um diesen Rollenbildern, aber auch ihrem Selbstbild als heranwachsende Männer gerecht zu werden“, so Stadtmüller.
Besonders markant sind zudem die Unterschiede, wenn man auf die familiäre und schulische Situation der Kinder blickt: Schulkinder, die in beiden Befragungen angegeben haben, es falle ihnen sehr leicht mit ihrer Mutter oder ihrem Vater über Dinge zu sprechen, die sie wirklich beschäftigen, weisen nur zu 3,8 Prozent ein unterdurchschnittliches subjektives Wohlbefinden auf. Kinder hingegen, denen es weder mit der Mutter noch mit dem Vater sehr leicht fällt, über wichtige Dinge zu sprechen, gaben zu 11,5 Prozent an, an mindestens einem Tag in der Woche traurig und unglücklich gewesen zu sein.
Schließlich sind auch Kinder, denen es zu keinem der beiden Befragungszeitpunkte „sehr gut“ an ihrer Schule gefällt, mit 15,3 Prozent überproportional häufig von einem schlechten subjektiven Wohlbefinden gekennzeichnet. Von den Kindern, denen es zu beiden Zeitpunkten sehr gut in der Schule gefiel, berichten dies nur 2,4 Prozent. Bei beiden Gruppen handelt es sich jeweils um rund ein Viertel der befragten Schülerinnen und Schüler.
Weitere Erkenntnisse erhoffen sich die Forscher aus der aktuell laufenden dritten Befragungsrunde. „So könnte es uns gelingen, die wesentlichen Einflussfaktoren für seelische Beeinträchtigungen, ungesunde Verhaltensweisen und Verletzungen zu entschlüsseln und somit Ansatzpunkte für die Gesundheitsförderung und Verletzungsprävention zu liefern“, erläutert Stadtmüller. (zab)
