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Bemerkenswerte Studie: Lehrer selbst tun sich beim Lernen schwer – viele kämpfen mit der Motivation (vor allem Lehrerinnen)

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DÜSSELDORF. Lehrer sehen mit großer Mehrheit die Weiterqualifikation in ihrem Beruf als elementaren Bestandteil ihrer Arbeit an – tun sich aber schwer mit dem Lernen. Nur die wenigsten gehen ihren Fortbildungsbedarf systematisch an, und die Mehrzahl gibt an, sich bei Fehlern schnell entmutigen zu lassen. Das sind Ergebnisse einer Umfrage unter Lehrkräften und Lehramtsstudierenden im Auftrag der Vodafone Stiftung. „Die Befunde der Studie stimmen nachdenklich. Das sind ja genau die Dinge, die Lehrkräfte ihren Schülerinnen und Schülern vermitteln sollen, dass Lernen Fehler machen heißt und dass man sich trauen kann, sich auszuprobieren“, so sagt Diplom-Psychologin und Schulberaterin Anke Kliewe.

Vor allem weibliche Lehrkräfte haben Probleme mit der eigenen Lernmotivation – eine Frage der Belastung? Foto: Glen Darrud / flickr (CC BY-NC 2.0)

Die Bereitschaft, dazu zu lernen, ist bei Lehrkräften eigentlich sogar größer als bei Beschäftigten in der Wirtschaft. „Die meisten Lehrer (77 Prozent) finden Lernen in ihrem Beruf wichtig, um sich für zukünftige Aufgaben zu qualifizieren. Damit zeigen Lehrer eine deutlich höhere Lernbereitschaft im Vergleich zu betrieblichen Mitarbeitern, von denen nur gut zwei Drittel (63 Prozent) Weiterbildung als elementar in ihrem Beruf ansehen“, so heißt es in der Studie. In der Praxis allerdings zeigen sich schnell Probleme. „Obwohl sich die befragten Lehrer sehr lernbereit zeigen, schätzen Sie die Konsequenzen der eigenen Weiterbildung als eher gering ein: 70 Prozent der Lehrer glauben, dass es keinerlei Auswirkungen auf ihre berufliche Zukunft hat, wenn sie sich nicht fortbilden.“ Heißt: Die Wirksamkeit von Fortbildungen wird eher kritisch gesehen.

Umfrage: Lehrer besuchen viele Fortbildungen – aber die bringen für den Unterricht wenig

Auch die Herangehensweise ist eher unsystematisch. Zwar geben fast zwei Drittel (61 Prozent) der befragten Lehrer an, verschiedene Lernwege ausprobiert zu haben und die eigenen Lernpräferenzen zu kennen. Sie gehen zudem mehrheitlich davon aus, ihre Fähigkeiten und Leistungen realistisch einschätzen zu können (66 Prozent) und die Fähigkeiten zu haben, die für das Lernen in ihrem Beruf benötigt werden (83 Prozent). Gleichzeitig aber wird deutlich, dass nur eine Minderheit die Planung, Organisation und Evaluierung der eigenen Weiterbildung strategisch vorantreibt.

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So heißt es in der Studie: „Nicht einmal die Hälfte (44 Prozent) der befragten Lehrer plant ihren Lernprozess. Auch nur jeder Zweite (53 Prozent) fragt aktiv nach für ihn geeigneten Weiterbildungsangeboten nach und lediglich gut jeder Dritte (38 Prozent) setzt sich messbare Lernziele bzw. spezifiziert vor dem Lernen, was er hinterher inhaltlich können bzw. wissen muss (39 Prozent). Ebenso überprüfen weniger als die Hälfte (42 Prozent) der Lehrer, ob sie beim Lernen ihre Ziele erreicht haben und suchen sich nach dem Lernen gezielt Aufgaben, in denen sie ihr neues Wissen üben können (49 Prozent). Für Lehrer sind all diese Fähigkeit umso wichtiger, da sie ihre Schülerinnen und Schülern mit dem selbstgesteuerten Lernen vertraut machen sollen.“

Nur wenig Durchhaltevermögen

Krass: „Nur jeder Vierte (24 Prozent) der befragten Lehrer zeigt nach eigenen Angaben ein hohes Durchhaltevermögen beim Lernen, und mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Lehrer gibt an, sich von Fehlern entmutigen zu lassen. Vor allem weibliche Lehrkräfte tun sich bei der Lernmotivation schwer: Nur jede Dritte (29 Prozent) gibt an, sich zum Lernen aufzuraffen, auch wenn sie keine Lust hat und nur knapp die Hälfte (48 Prozent) gibt auch bei schwierigen Aufgaben nicht auf. Gleichzeitig findet fast die Hälfte (48 Prozent) der Lehrerinnen, dass sie sich leicht vom Lernen ablenken lässt.“ Denkbar ist, was durch die Studie aber nicht belegt wird, dass sich hier die hohe Belastung von Lehrkräften spiegelt.

Offenbar spielt aber auch das Klima im Kollegium eine entscheidende Rolle. „Nur drei Prozent der befragten Lehrer schätzen die Lernkultur an ihrer Schule als gut oder sehr gut ein“, so heißt es. „Zum einen ist laut der befragten Lehrer an vielen Schulen keine offene Haltung gegenüber Weiterbildung verankert. So findet nur ein gutes Viertel (27 Prozent), dass Weiterbildung, Innovationsfähigkeit und Lernen gelebte Werte an ihrer Schule sind.“ Insbesondere die Fehlerkultur an Schulen werde als gering erachtet: „Nicht einmal jeder Dritte (31 Prozent) meint, dass Lernen an seiner Schule auch bedeutet, Fehler machen zu dürfen.“ Zum anderen stießen Lehrer an organisatorische Grenzen: „Mehr als der Hälfte (52 Prozent) fällt es schwer, das Lernen in ihre Arbeitszeit zu integrieren.“

Eine Grundschullehrerin verzweifelt an der Inklusion: “Wenn ich gewusst hätte, was auf mich zukommt, hätte ich einen anderen Beruf gewählt”

 

„Ein bestürzender Befund“, so sagt Psychologin Kliewe. Die Studie gebe Hinweise darauf, dass „das vielpropagierte ‚Lebenslange Lernen‘ zwar implizit-moralisch von jeder Lehrkraft gewünscht wird, es für die Umsetzung ‚im wahren Leben‘ aber wenig Förderliches gibt.“ Der individuellen Weiterbildung von Lehrkräften fehle der Raum an den Schulen fehlt. „Selbst wenn Mitarbeitergespräche stattfinden“, so weiß die Schulberaterin, „gibt es insgesamt noch wenig klare Fokussierung darauf, miteinander zu schauen, was individuelle Stärken und Schwächen der Lehrkraft sind und was konkret man ausbauen oder entwickeln will.“

Für die Expertin sind das Hinweise darauf, dass viele Lehrkräfte überfordert sind. „Bei all den komplexen Anforderungen an Schulen und Lehrkräfte“ scheine es wichtig, „eine klare Ausrichtung zu haben, die auch Schutz bietet, sich nicht zu verlieren, in dem man auf alle Ansprüche gleichzeitig reagiert. Gute Qualitätsleitbilder, in denen sich insbesondere auch dazu Aussagen finden, welche Weiterbildungsmaßnahmen zur Erreichung der schulischen Ziele fokussiert werden, sind hier hilfreich.“ Die Psychologin betont: „Es geht ohne Zweifel nicht alles auf einmal – deshalb ist es sinnvoll, Prioritäten zu setzen.“ Agentur für Bildungsjournalismus

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