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“Besser erst um neun”: Schlafforscher fordern späteren Unterrichtsbeginn in Deutschland – vor allem Pubertierende leiden

KÖLN. Schlafforscher fordern einen späteren Schulbeginn. Neun Uhr wäre eine gute Zeit, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), Alfred Wiater, am Mittwoch in Köln. Ein Unterrichtsbeginn noch vor acht Uhr sei «sicherlich problematisch». Und wenn schon, dann solle der Schultag mit Fächern wie Sport, Kunst oder Musik anfangen – und nicht gerade mit Mathe oder Physik. Er ist nicht der erste Experte, der sich für einen späteren Unterrichtsstart ausspricht. Der heutige 21. Juni ist der «Aktionstag erholsamer Schlaf».

Deutschland braucht eine «neue Schlafkultur», meinen Schlafforscher. Foto: Johnny Jet / flickr (CC BY 2.0)

Der im europäischen Vergleich eher frühe Schulbeginn in Deutschland mache insbesondere Schülern ab der Pubertät zu schaffen, sagte Wiater. Es setze dann ein «Time-Shifting zum Spät-Typen» ein. Dementsprechend kämen viele Jugendliche unausgeschlafen zur Schule. Eine Studie der Universität Leipzig vom vergangenen Jahr habe jedoch gezeigt, dass schon eine halbe Stunde weniger Schlaf die Leistungsfähigkeit in der Schule um 30 Prozent reduziere. «Wenn wir über eine Bildungsoffensive nachdenken, dann sollte auch der frühe Schulbeginn zur Diskussion stehen», forderte Wiater.

Flexibler Unterrichtsbeginn: Gymnasium führt Gleitzeit für Schüler ein

Deutschland brauche eine «neue Schlafkultur», in der es nicht mehr als bewundernswert gelte, wenn jemand behaupte, mit vier Stunden Schlaf auszukommen. Ein völlig unterschätztes Thema sei auch der Sekundenschlaf am Steuer. Wie oft lese man, dass zum Beispiel ein Lastwagenfahrer ungebremst auf ein Stauende aufgefahren sei, erklärte Wiater. Studien in den USA hätten ergeben, dass Schläfrigkeit doppelt so viele tödliche Verkehrsunfälle verursache wie Alkohol.

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Debatte entbrannt: Schwesig fordert späteren Unterrichtsbeginn – Lehrerverbände uneins

Der Chronobiologe Till Roenneberg, Professor am Institut für Medizinische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, hatte bereits vor zwei Jahren gefordert, den Unterrichtsbeginn flexibel zu regeln und Klassenarbeiten erst ab 11 Uhr schreiben zu lassen. Der jetzige frühe Schulbeginn stelle ein „biologische Diskriminierung“ dar, die „Spätschläfer“ benachteilige – und ihnen Bildungschancen verwehre, erklärte er in einem Interview mit der “Süddeutschen Zeitung”.

Auf die Frage, ob es morgens übermüdeten Schülern nicht einfach helfen würde, früher zu Bett zu gehen, antwortete Roenneberg: „Nein. Die innere Uhr macht hier etwas ganz Gemeines, was besonders Jugendliche betrifft, die man früh ins Bett schickt. Sie gibt dem Menschen ein Schlaffenster vor und sorgt dafür, dass man zwei bis drei Stunden, bevor dieses Fenster aufgeht, nicht gut einschlafen kann – auch wenn man sehr müde ist. Die innere Uhr fährt dann nochmal die gesamte Physiologie hoch, deshalb haben wir abends auch eine leicht erhöhte Körpertemperatur.“

“Kritisch wird es ab etwa 14 Jahren”

Bei Kindern sei die innere Uhr „früh dran“, sie seien also im Durchschnitt frühmorgens wach. Mit den Jahren verschiebe sich das Fenster nach hinten – bei Frauen bis zum Alter von etwa 19,5, bei Männern bis zum Alter von etwa 21 Jahren. Roenneberg: „Für Kinder ist der Schulbeginn um 8 Uhr also noch nicht so schlimm. Kritisch wird es ab etwa 14 Jahren. 19-jährige müssen teils während ihrer inneren Mitternacht am Unterricht teilnehmen. Wenn sie ausschlafen dürften, wären sie deutlich zugänglicher und aufnahmefähiger.“ So ließe sich nachweisen, dass Prüfungsnoten vom Chronotypus abhingen – also davon, ob der Schüler Früh- oder Spätschläfer sei. „Der Schulbeginn um 8 Uhr stellt eine echte biologische Diskriminierung dar. Überspitzt gesagt entscheidet sich dadurch, ob jemand nach dem Abitur Medizin studieren kann oder nicht“, sagte der Psychologe. News4teachers / mit Material der dpa

 

 

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