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Studie: Der Unterrichtsausfall ist dramatisch höher, als die Ministerien behaupten – Meidinger: Schluss mit Verschleierungstaktik

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HAMBURG. Die „Zeit“ nennt es eine „Addition des Grauens“: Nach einer von dem Medium initiierten bundesweiten Umfrage unter Lehrern, Eltern und Schülern fallen in Deutschland mehr als doppelt so viele Unterrichtsstunden aus, als Behörden und Bildungsminister angeben: Es seien tatsächlich 5,2 Prozent des Unterrichts (und nicht – wie von den jeweils einzelnen Bundesländern behauptet – ein bis zwei Prozent).

Weitere 4,7 Prozent der Stunden würden vertreten – und zwar auf einem deutlich niedrigeren Niveau als der eigentlich angesetzte Fachunterricht. „5 Prozent Unterrichtsausfall + knapp 5 Prozent Vertretungsunterricht = nahe 10 Prozent schlechte Chancen für mein Kind. So viele Schulstunden finden im Schnitt nicht oder irregulär statt“, so rechnet das Blatt vor. Der Deutsche Lehrerverband fordert eine Personalreserve von zehn Prozent an jeder Schule.

Schwupps, da ist der Lehrer weg. Foto: News4teachers

Dabei gibt es offenbar auch noch regional deutliche Unterschiede – während etwa in Baden-Württemberg „nur“ 3,8 Prozent des Unterrichts ersatzlos ausfalle, betrage der Ausfall in Nordrhein-Westfalen dramatische acht Prozent. Und noch ein Detail aus den Antworten der Befragten verdient Aufmerksamkeit: „Dort, wo mehr Wohlhabende leben, melden Eltern mit einem Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 5.000 Euro nur 2,8 Prozent Unterrichtsausfall. Familien aus ärmeren Regionen mit einem Nettohaushaltseinkommen von weniger als 3.000 Euro müssen mit viel mehr Fehlzeiten für ihre Kinder rechnen: mit skandalösen 11,8 Prozent.“ Dies lasse eindeutig soziale Unterschiede in Deutschland erkennen, so heißt es in dem Bericht, der für einen gehörigen Wirbel sorgt.

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Der Deutsche Lehrerverband (DL) fordert angesichts dieser Zahlen ein „Ende der Verschleierungstaktik“ der Schulministerien beim Unterrichtsausfall. Die heute veröffentlichte repräsentative Studie mache eindeutig klar, so der DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger (der auch Chef des Philologenverbands ist), dass die bisher vorgelegten Statistiken fast aller Bundesländer unvollständig und fehlerhaft seien und durchgängig ein geschöntes Bild der traurigen Schulrealität zeigten.

“Die Hosen herunterlassen”

Meidinger betont: „Einen solch massiven Unterrichtsausfall, der noch dazu auch von regionalen und sozialen Ungerechtigkeiten geprägt ist, darf sich ein reiches Land wie Deutschland, das sich selbst als Bildungsnation bezeichnet, nicht weiter leisten.“ Bevor allerdings über die notwendigen Maßnahmen zur Schaffung weiterer Lehrerstellen und zur zusätzlichen Lehrergewinnung entschieden werden kann, müssten, so Meidinger, alle Bundesländer „die Hosen herunterlassen“ und eine ungeschminkte Bestandsaufnahme machen. Die Zeit geschönter Statistiken müsse ab sofort endgültig vorbei sein, so der DL-Präsident. Den Lehrermehrbedarf für eine rund zehnprozentige Unterrichtsreserve in allen Bundesländern bezifferte er bei einem Gesamtbestand von 750.000 Lehrkräften auf rund 70.000 Stellen.

Auch aus Thüringen – vom dortigen Lehrerverband tlv – kam bereits eine Reaktion. „Die Feststellung, dass der tatsächliche Unterrichtsausfall deutlich höher liegt als die offiziellen Statistiken, deckt sich absolut mit unseren Erfahrungen“, sagt Bernd Fröhlich, stellvertretender Landesvorsitzender des Verbands. „Auch bei uns fällt mehr Unterricht aus, als offiziell behauptet wird.“

So hätten eigene Erhebungen des tlv zwischen Herbst 2012 und Sommer 2013 ergeben, dass an den Schulen des Freistaates teilweise bis zu über 13 Prozent der Stunden nicht wie vorgesehen unterrichtet wurden. „Wir fordern seit Jahren eine Unterrichtsgarantie“, so Fröhlich. „Anfangs sind wir dafür belächelt worden, inzwischen hat sich die Landesregierung den Begriff selbst auf die Fahnen geschrieben. Aber wenn wir nicht endlich anfangen, den Unterrichtsausfall ehrlich zu erfassen, anstatt die Zahlen zu schönen, werden wir das Problem nicht in den Griff bekommen.“ bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

Hier geht es zu dem Bericht der “Zeit”.

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