Das Verfahren kann bereits als Präzedenzfall für den juristischen Umgang mit der Inklusion gelten – das Hamburger Verwaltungsgericht hat die Sicht von Eltern eines Schülers mit Asperger-Syndroms, einer leichten Form von Autismus, gestärkt. Seit Jahren, so berichtet die „Welt“, kämpfen diese für einen Platz an der Regelschule. Der Jugendliche besucht zurzeit ein Gymnasium mit einer speziellen Autistenklasse. Doch die individuelle Förderung dort ist aus Sicht der Eltern unzureichend. Zuletzt sei der Junge allein von einer Schulbegleiterin betreut, letztlich nur mit Arbeitsblättern versorgt worden, heißt es. Darüber hinaus sei dem mittlerweile 18-Jährigen von der Schule attestiert worden, lediglich auf dem Wissenstand eines Sechstklässlers zu sein.
Doch so einfach geht das nicht, befand nun das Gericht: Der zugrundeliegende Förderplan weise „derart gravierende und offensichtliche Mängel auf, dass von vorneherein ausgeschlossen ist, dass die ihm nach der gesetzlichen Konzeption zukommende Aufgabe als das zentrale Instrument bei der Entscheidung über die schulische Förderung zukommen kann“, heißt es dort dem Bericht zufolge. Ein Förderplan müsse Aufschluss darüber geben, auf welchem Leistungsstand der Schüler tatsächlich sei – und zwar für jedes der Fächer, die für das aktuelle Schuljahr anstehen.
Die Beschreibung des Leistungsstandes, vom Gericht Lernausgangslage genannt, habe sich „an den Anforderungen der Bildungspläne der Grundschule, Stadtteilschule oder Gymnasium zu richten“. Dasselbe gelte auch für die individualisierten Ziele. Auch diese müssten jeweils in Bezug zu den Bildungsplänen gesetzt werden. Auch in einem weiteren – für die Eltern zentralen Punkt – bekamen die Eltern Recht. Im Förderplan müsse deutlich gemacht werden, welche konkreten Schritte notwendig wären, damit ein Schüler seinen angestrebten Schulabschluss schaffen kann. Dazu müsse festgelegt werden, welche Lernziele im jeweiligen Schuljahr zu erreichen seien. Jetzt muss ein neuer Förderplan erstelt werden, der eine genaue Soll-/Ist-Analyse sowie konkrete Maßnahmen enthält, wie sich Bildungsziele erreichen lassen.
Es hapert am Personal
Dass es bei der Inklusion insbesondere an der personellen Ausstattung hapert, moniert die Volksinitiative „Gute Inklusion für Hamburgs SchülerInnen“, die von 23 Organisationen unterstützt wird (darunter Elternvereine, Lehrer- und Schülerkammer, die drei Schulleitungsverbände von Grund-, Stadtteilschulen und Gymnasien sowie Lehrerorganisationen wie der GEW) und nach eigenen Angaben nur binnen drei Monaten 24.357 Unterstützerunterschriften gesammelt hat – und damit erzwang, dass sich die Bürgerschaft mit dem Thema beschäftigen muss. Seit Juni verhandeln die Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien SPD und Grüne mit der Initiative.
Nähergekommen ist man sich dabei offenbar nicht, so berichtet nun die „Welt“. Die Initiative fordere mehr Lehrer, damit Schüler mit und ohne Behinderung gleich gut an denselben Schulen unterrichten werden können. Ohnehin sollen Schüler mit Behinderungen dieselben Therapieangebote bekommen, die sie an speziellen Förderschulen hätten. Schulsenator Ties Rabe (SPD) hatte dem Bericht zufolge die Zahl der dadurch in Hamburg zusätzlich benötigten Lehrer auf 500 beziffert und die Forderungen der Initiatoren einst als „nicht nachvollziehbar“ bewertet.
Jetzt sollen die Verhandlungen, die ursprünglich in dieser Woche Enden sollten, verlängert werden. „Noch hoffen wir, auf dem Verhandlungsweg substanzielle Verbesserungen durchzusetzen“, sagte ein Sprecher der Volksinitiative (selbst pensionierter Schulleiter). Vorbereitungen für ein Volksbegehren laufen aber bereits – das den Druck auf den Senat noch einmal drastisch erhöhen würde. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus
Wir brauchen jetzt eine breite Debatte über die Inklusion – sonst droht ihr das Schicksal von G8
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