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Experten: Mangel an qualifizierten Berufsschullehrern gefährdet die duale Ausbildung

ESSEN/FLENSBURG. Das Jahr mit dem KMK-Themenschwerpunkt berufliche Bildung neigt sich dem Ende zu. Tatsächlich hat die Konferenz einige Beschlüsse gefasst um die berufliche Bildung und die schulische Berufsorientierung zu verbessern. Nach Meinung von Fachleuten gehen diese allerdings größtenteils am Problem vorbei, denn es mangele vor allem an qualifizierten Fachlehrern. Mit Seiteneinsteigern sei das Problem nicht lösen.

Deutsche Berufsschulen haben gravierende Nachwuchsprobleme bei pädagogisch voll ausgebildeten Lehrkräften. Am größten ist die Not in den gewerblich-technischen Fächern wie Metall- oder Elektrotechnik. Mit deutlichen Worten umreißt eine Meldung der Europa-Universität Flensburg (EUF) die Situation der dualen Ausbildung in Deutschland.

Um überhaupt die Unterrichtsversorgung zu gewährleisten, würden in allen Ländern Seiteneinsteiger eingestellt, die berufsbegleitend nachqualifiziert werden. Die Studiengänge zum Lehramt an berufsbildenden Schulen dagegen seien besonders in den gewerblich-technischen Fachrichtungen unter Studienanfängern kaum nachgefragt.

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Vor allem in den gewerblich-technischen Fachrichtungen fehlen qualifizierte Lehrkräfte. Foto: Arbeitgeberverband Gesamtmetall / flickr (CC BY 2.0)

Künftig würden nur noch wenige Lehrkräfte an den beruflichen Schulen in den gewerblich-technischen Berufsfeldern über eine adäquate Ausbildung für ihre Tätigkeit verfügen, konstatiert denn auch Reiner Schlausch Professor für die Berufliche Fachrichtung Metalltechnik an der EUF. „Die Qualität der dualen Ausbildung wird zunehmend durch eine strukturell bedingte Unterversorgung der beruflichen Schulen mit qualifizierten Lehrkräften bedroht.“

Das 2016 gegründete Innovationsnetzwerk Lehramt Berufsbildende Schulen des unternehmensnahen Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft sieht die Ursachen für das Nachwuchsproblem vor allem in unbegründeten Imageproblemen des Berufsbildes, in zu hohen Anforderungen des Studienganges und in den Studienstrukturen. Hinzu komme der harte Wettbewerb um technisch interessierte Studierende, die von der Wirtschaft oft abgeworben werden.

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In einem aktuellen Positionspapier fordert das Netzwerk daher das Berufsbild bekannter zu machen und Vorurteile abzubauen, die Rekrutierungsbasis zu verbreitern, indem Eingangsbarrieren abgebaut werden, und der Eigenständigkeit des Lehramtes für die beruflichen Schulen und den spezifischen Anforderungen bei der Gestaltung der Studiengänge stärker Rechnung zu tragen.

Durch die regelmäßig nötige Einstellung von Seiteneinsteigern werde das grundständige Studium zunehmend entwertet, unterstreicht Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes, die Forderungen. „Ohne mutige Eingriffe in die Studienstrukturen wird es kaum gelingen, genügend Studierende für das Lehramt an beruflichen Schulen zu gewinnen“, so Meyer-Guckel weiter.

Ähnlich äußert sich auch Michael Schack, Geschäftsbereichsleiter Aus- und Weiterbildung der IHK Flensburg: „Eine hohe fachliche Qualität des Unterrichts kann in erster Linie durch ausgebildete Fachlehrerinnen und -lehrer gewährleistet werden. Hier gilt es, überzeugende Strategien zu entwickeln, um die Attraktivität des Berufsbildes zu steigern.“ (zab, pm)

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Bundesweit werde sich das Problem in den kommenden Jahren durch eine Pensionierungswelle weiter verschärfen. Allein in Schleswig-Holstein stünden im Laufe der nächsten fünf Jahre rund 500 Pensionierungen an.

Handwerks- und Industrie- und Handelskammern, Unternehmen, Berufsschulen und Hochschulen sehen mittelfristig das hoch gelobte duale Ausbildungssystem in Gefahr. Auch Hans-Werner Frahm, Leiter der Abteilung Berufliche Bildung der Handwerkskammer Flensburg, betont die Bedeutung von engagiertem und qualifiziertem Lehrpersonal für die Berufliche Bildung: „Die Sicherung der Lehrkräfteversorgung an Berufsschulen und Regionalen Berufsbildungszentren – insbesondere im gewerblich-technischen Bereich – ist wesentlich für die hohe Qualität der dualen Berufsausbildung.“

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Ausbildungsverantwortliche in Unternehmen geben sich zunehmend beunruhigt. Petra Schuberack, von der Bilfinger GreyLogix GmbH, etwa mahnt; „Gute Ausbildung funktioniert nur mit guten Partnern in den Schulen. Zurzeit haben wir sehr guten Kontakt zur Berufsschule, aber auch dort wird sich in Zukunft der Mangel bemerkbar machen, wenn nicht gegengesteuert wird.“

Trotz des diesjährigen Themenschwerpunkts der KMK sieht der Stifterverband den dringenden Handlungsbedarf noch nicht an allen Stellen erkannt: „Wir sind uns bewusst, dass es gegen einige der im Positionspapier genannten Forderungen erhebliche Vorbehalte seitens der Verantwortlichen in Hochschulen und den Ländern gibt. Deshalb appellieren wir nachdrücklich an alle Beteiligten, über ihren Schatten zu springen und mehr Experimente zu wagen“, so Volker Meyer-Guckel.

Zum Positionspapier des Innovationsnetzwerk Lehramt an Beruflichen Schulen (pdf)

 

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