DÜSSELDORF. Der weltweit gute Ruf der dualen Berufsausbildung fußt zu einem guten Teil auf der Qualität der Berufsschulen. Doch die Auszubildenden sind mit der Ausbildung an der Berufsschule mittlerweile weit weniger zufrieden als mit ihrer Ausbildung im Betrieb, zeigt der aktuelle Ausbildungsreport des DGB NRW. An den Berufsschulen im Land herrsche ein enormer Investitions- und Reformstau.
Seit Jahren halten sich weitestgehend dieselben Berufe in den Hopp- oder Top-Listen der nordrhein-westfälischen Lehrlinge. Heute stellte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) NRW in Düsseldorf seinen Ausbildungsreport 2017 vor.
Mit einem Fragebogen wurden zwischen September 2016 und April 2017 insgesamt 4255 Auszubildende in den 25 häufigsten Ausbildungsberufen in NRW schriftlich befragt. Die DGB-Jugend erhebt die Daten seit zehn Jahren regelmäßig.
Die Berufe mit den besten Bewertungen sind Zerspanungsmechaniker, Industriekaufmann und -mechaniker, Fachinformatiker, Bankkaufmann, Metallbauer und Elektroniker.
Am schlechtesten schnitt die Ausbildung der Anlagenmechaniker, Friseure, Köche, Medizinischen und Zahnmedizinischen Angestellten, Hotel- und Steuerfachleute sowie der Lebensmittelverkäufer ab.
Auch in diesem Jahr sind mit über 71 Prozent die meisten Jugendlichen mit der Qualität ihrer Ausbildung insgesamt zufrieden – eine konstante Größenordnung in den vergangenen Jahren. Mehr als ein Viertel der Befragten bescheinigt dagegen ihrer Ausbildung unzureichende Qualität – auch dies ein konstanter Wert.
Die Berufsschule war in diesem Jahr Schwerpunkt der Befragung. Gut die Hälfte der Jugendlichen (54,9 Prozent) bezeichnet die fachliche Qualität des Unterrichts als gut oder sehr gut. Nach 47,8 Prozent im Jahr 2012, dem letzten Jahr, in dem die Berufsschule im Fokus der Betrachtung stand, hat sich damit die Einschätzung durch die Auszubildenden leicht verbessert. Nur knapp die Hälfte der Befragten (48,2%) fühlt sich jedoch durch die Berufsschule sehr gut oder gut auf die theoretische Prüfung vorbereitet.
Bei der Frage nach der Ausstattung der Berufsschulen ergab die Befragung nur geringfügige Verbesserungen. 2012 waren etwas über zwei Drittel (67,9 Prozent) der Befragten der Meinung, dass ihre Schule »immer« oder »häufig« über aktuelle Unterrichtsmaterialien, technische Gerätschaften und ähnliches verfügte, die das Lernen im Unterricht erfolgreich unterstützen. Bei der aktuellen Befragung waren es mit 68,7 Prozent kaum mehr.
Eine schulformspezifische Besonderheit für die Bewertung der Berufschulen stellt die Abstimmung mit dem Ausbildungsbetrieben dar. Weniger als die Hälfte der Befragten (47,1 Prozent) bezeichneten sie als »gut« oder »sehr gut«. Knapp ein Drittel (28,2 Prozent) allerdings attestiert Schulen und Ausbildungsbetrieben nur eine »ausreichende« oder »mangelhafte« Abstimmung.
Insgesamt kommt der DGB zu einem kritischen Fazit: “Die Ergebnisse zeigen, dass es einen enormen Investitions- und Reformstau im Bereich der Berufsschulen gibt”, erklärte Julia Löhr, Landesjugendsekretärin der GEW NRW. Die befragten Jugendlichen seien daher im Schnitt mit ihrer Ausbildung an der Berufsschule weit weniger zufrieden als mit ihrer Ausbildung im Betrieb.
Probleme lägen vor Allem in Lehrermangel, veralteten Gebäuden und Technik, und teils zu großen Klassen. “Die DGB-Jugend NRW sieht daher die Landesregierung in der Pflicht, die Ausbildung an den Berufsschulen stärker in den bildungspolitischen Fokus zu nehmen”, so Löhr.
Bericht: Berufsschulen zeigen erschreckende Mängel bei digitaler Infrastruktur
Es sei dringend geboten, den Lehrerberuf attraktiver zu gestalten. Immer weniger junge Menschen entschieden sich für das Lehramt an Berufs- schulen. Für Experten aus Betrieben sei ein Wechsel an eine Schule meist unattraktiv. Neben Investitionen in Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten fordert der Gewerkschaftsbund unter anderem, dass künftig sämtliche Lehrerstellen unbefristet angeboten werden.
Richard Reinich, angehender Verfahrensmechaniker aus dem sauerländischen Menden im vierten Lehrjahr, kennt viele Probleme aus eigener Anschauung. «An unserem Berufskolleg ist der Lehrermangel extrem groß», sagt der 20-Jährige. «Wir hätten schon gerne mehr Fachliches gelernt.» Englischunterricht habe er in keinem einzigen Lehrjahr erhalten. Zudem habe er nur selten Gelegenheit gehabt, sein theoretisches Wissen in dem einzigen praktisch-technischen Raum zu erproben. «Da wollen viele rein.» Die Ausbildungsinhalte in Berufsschule und Betrieb seien häufig schlecht synchronisiert.
Wer dachte, verdreckte Toiletten habe er mit seiner Regelschulzeit hinter sich gelassen, werde an den häufig stiefmütterlich finanzierten Berufsschulen eines Besseren belehrt, erklärt der DGB. «Die WCs sind sehr schlecht», weiß auch Richard Reinich aus Erfahrung. «Ich warte lieber bis zuhause.» (News4teachers mit Material der dpa)
• Ausbildungsreport NRW 2017 (pdf)
Schulform unter Druck? – BIBB ermittelt Chancen und Risiken für Berufsschulen